Verbesserungen für Mieter Was bringt die Mietpreisbremse?

Stand: 23.09.2014 10:52 Uhr

Die Mietpreisbremse soll Mietern helfen - doch es gibt immer mehr Ausnahmen. Bei Neubau und Modernisierung soll sie nicht gelten. Dafür will Justizminister Maas jetzt auch die Mietspiegel reformieren. Was die Neuerungen für Mieter bringen, erklärt tagesschau.de.

Von Sandra Stalinski, tagesschau.de

Wie funktioniert die Mietpreisbremse?

Bisher darf die Miete beliebig hoch sein, wenn ein neuer Mietvertrag geschlossen wird. Nach Angaben des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz kommt es in boomenden Großstädten bislang zu Preissprüngen um 20, 30 oder sogar 40 Prozent bei Neuvermietungen. Mit der Mietpreisbremse sollen diese Preissprünge gedeckelt werden: Bei Neuvermietungen darf der Mietpreis künftig höchstens zehn Prozent über dem Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Mieten zu rasant steigen und Gering- und Normalverdiener aus beliebten Wohnlagen verdrängt werden.

Wo wird die Mietpreisbremse gelten?

Sie wird nicht automatisch bundesweit gelten, sondern nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Durch das neue Gesetz werden die Bundesländer ermächtigt, Gebiete auszuweisen, in denen die Mietpreisbremse für die Dauer von höchstens fünf Jahren gelten soll. Danach kann sie verlängert werden. Laut Bundesministerium wüssten die Länder am besten, wo das notwendig sei. Es ist also den Ländern - und deren jeweiligen Regierungen überlassen - ob sie die Mietpreisbremse umsetzen oder nicht.

Wie errechnet man die "ortsübliche Vergleichsmiete"?

Auskunft über die ortsübliche Vergleichsmiete gibt in der Regel der örtliche Mietspiegel. Die allermeisten Städte erstellen solche Mietspiegel schon seit Jahren, um die Zulässigkeit von Mieterhöhungen zu prüfen. In der Regel werden Mietspiegel von Städten in Zusammenarbeit mit örtlichen Interessengruppen erstellt. Von einem qualifizierten Mietspiegel spricht man, wenn dieser alle zwei Jahre nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt und von den örtlichen Akteuren anerkannt wird. In der Vergangenheit gab es jedoch immer wieder Konflikte um Mietspiegel, weil nicht eindeutig geregelt ist, nach welchen Kriterien sie erstellt werden.

Der Mieterschutzbund kritisiert außerdem, dass die Bezugsgröße für Mietspiegel nur die Mietverträge der vergangenen vier Jahre sind. "Es wird nicht der Durchschnitt aller bestehenden Mieten herangezogen, sondern nur die obere Spitze", sagt Geschäftsführer Claus O. Deese im Gespräch mit tagesschau.de. Bundesjustizminister Heiko Maas hat allerdings ein weiteres Gesetzespaket angekündigt, in dem die Kriterien zur Erstellung von Mietspiegeln überarbeitet werden sollen. "Wir wollen ein genaueres Bild über die Entwicklung der Mieten bekommen", sagte Maas. Dabei gehe es beispielsweise darum, aus welchem Zeitraum Daten in Mietspiegel einfließen sollen.

Wo es keinen Mietspiegel gibt und sich der Mieter nicht selbst über die ortsübliche Vergleichsmiete informieren kann, hat er einen Auskunftsanspruch gegen den Vermieter, um die Zulässigkeit der vereinbarten Miete überprüfen zu können.

Welche Ausnahmen soll es geben?

Ausgenommen von der Mietpreisbremse ist im derzeitigen Gesetzentwurf der Erstbezug von Neubauten. Hier darf der Vermieter die Miete nach wie vor beliebig festlegen.

Eine weitere Ausnahme von der Mietpreisbremse ist für umfassende Modernisierungen vorgesehen. In diesem Fall gelten die gleichen Regeln wie in einem bestehenden Mietverhältnis. Auf die Miete, die nach der Mietpreisbremse zulässig wäre, kann der Vermieter einen Zuschlag wegen Modernisierung aufschlagen. Die Befürchtung der Immobilienbranche, der Wohnungsbestand könne verfallen, weil Modernisierungen sich nicht mehr lohnten, ist also unbegründet. Die Befürchtung von Mietern, schon durch kleinere Modernisierungen könnten Vermieter die Mietpreisbremse aushebeln, ist ebenso unbegründet. "Wer Modernisierungskosten auf Mieter umlegen will, muss das - wie bisher auch - gut begründen", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.

Was ändert sich bei Modernisierungen?

In einem weiteren Gesetzespaket zugunsten von Mietern will Bundesjustizminister Maas die Kosten von Modernisierungen für Mieter dämpfen. "Modernisierungskosten dürfen künftig nur noch bis zu zehn Prozent und längstens, bis der Vermieter seine Aufwendungen gedeckt hat, auf die Miete umgelegt werden", sagte Maas. Bisher ist dies bis zu elf Prozent möglich. Und: Die wegen Modernisierung erhöhten Mieten bleiben auch dann noch hoch, wenn die Modernisierungen längst abbezahlt sind.

Welche Kritik gibt es?

Die Immobilienbranche beklagt, dass die Mietpreisbremse Neubauten verhindern und Investoren abschrecken würde. "Dadurch verschlimmert sich die Situation nur noch", sagt Gerold Happ vom Eigentümerverband Haus und Grund gegenüber tagesschau.de. "Wenn sich Bauen nicht mehr lohnt, entstehen auch keine neuen Wohnungen." So würde der Wohnungsmangel in bestimmten Gebieten nicht behoben und die Mieten würden noch stärker steigen. Dies gelte auch dann, wenn Neubauten generell von der Mietpreisbremse ausgenommen würden. "So oder so ist dieser Eingriff in den Mietmarkt ein Tabubruch", sagt Happ. Dieses Signal würde Investoren verunsichern und der Markt werde darauf reagieren. "Wenn Mieten künftig allgemein gedämpft werden, wirkt sich das auch auf die Renditen bei Neubauten aus und somit auch auf die Investoren."

Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund hält diesen Einwand für unberechtigt. Trotz Ankündigung der Mietpreisbremse seien die erteilten Wohnungsbaugenehmigungen im Jahr 2014 gegenüber den Vorjahren noch einmal deutlich gestiegen: "Das ist für mich ein Indiz, dass Investoren davon ausgehen, dass sie auch mit Mietpreisbremse nach wie vor gutes Geld verdienen werden."

Der wohnungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Christian Kühn, warf der Koalition insbesondere mit Blick auf die geplanten weiteren Ausnahmen bei der Mietpreisbremse Wählertäuschung vor: "Mit dieser Ankündigung beerdigt Minister Maas faktisch die Mietpreisbremse." Von dem im Wahlkampf 2013 angekündigtem Vorstoß bleibe kaum noch etwas übrig, SPD und Union stellten die Interessen der Immobilienlobby über die der Mieter.

Wohnungsbau

Happ: "Die Mietpreisbremse schreckt Investoren ab, Wohnungen zu bauen."

Claus O. Deese vom Mieterschutzbund ist ebenfalls kritisch: "Mit jeder weiteren Ausnahme wird das eigentliche Ziel, die Mieten zu dämpfen, weiter ausgehöhlt." Dass die Mietpreisbremse dadurch ausgehebelt würde, könne man jedoch nicht sagen. Denn der Neubau sei nur ein sehr kleines Marktsegment. "Wenn wir allerdings wollen, dass Mieten für eine breite Bevölkerungsschicht wieder erschwinglich werden, bräuchten wir ganz andere Instrumente", sagt Deese. Beispielsweise müsse man für eine neue Berechnungsgrundlage der Mietspiegel sorgen, damit die Mieten nicht so stark stiegen.

Was ändert sich bei Maklercourtagen?

Im Maklerrecht soll künftig das Prinzip "wer bestellt, der bezahlt" gelten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Partei, die den Makler bestellt, auch die anfallenden Maklergebühren zahlt. In der Praxis wird das meist der Vermieter sein, der mit Hilfe eines Maklers einen neuen Mieter sucht.

Makler und Hauseigentümer erwarten jedoch, dass zahlreiche Vermieter künftig versuchen dürften, die Gebühr doch irgendwie an die Mieter weiterzugeben. Denkbar wären beispielsweise Schmiergelder oder überhöhte Abstandszahlungen. Derartige Versuche seien aber rechtswidrig, betont Ropertz vom Mieterbund gegenüber tagesschau.de. Mieter müssten sich auf solche Forderungen nicht einlassen: "Zu Unrecht gezahlte Abstandszahlungen oder Ähnliches kann ein Mieter bis zu drei Jahre nach Zahlung zurückfordern."

Was bringt die Mietpreisbremse wirklich?

"Die Mietpreisbremse ist zwar kein zahnloser Tiger, aber auch kein sehr wilder", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Das größte Problem aus seiner Sicht: Sie gilt nicht für bestehende Mietverhältnisse, sondern nur für neue Mietverträge. Wer also bereits in einer überteuerten Wohnung lebt, hat keinen Anspruch darauf, die Miete zu senken. Und: auch bei Neuvermietung wird eine vorher teure Wohnung künftig nicht billiger, weil ein Vermieter mindestens so viel verlangen darf, wie beim vorherigen Mieter. De facto kommt es also nirgends zu Mietsenkungen, sondern nur zu einer Dämpfung der rasanten Mietsteigerungen. "Überteuerte Mieten werden so quasi legalisiert", kritisiert Ropertz.

Immerhin: "Die Mietpreisbremse wird den Menschen helfen, die gezwungen sind, umzuziehen", sagt Ropertz. "Sei es, weil sie wegen des Jobs, der Ausbildung oder dem Studium die Stadt wechseln müssen oder weil sie eine Familie gründen und eine größere Wohnung suchen." Für sie würde es in angespannten Wohnlagen künftig zumindest leichter, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Gerold Happ vom Eigentümerverband Haus und Grund meint hingegen, die Mietpreisbremse werde nicht die gewünschte Wirkung haben. Auch künftig würden Vermieter sich immer die Mieter mit der größten Bonität aussuchen, egal wie viel die Wohnung kostet. Dass Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zum Zug kämen, hält er für unwahrscheinlich.

Außerdem rechnet er damit, dass es künftig deutlich mehr Mietrechtsstreitigkeiten geben wird, beispielsweise über die Höhe der "ortsüblichen Vergleichsmiete". Auch Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund befürchtet, dass zahlreiche Vermieter zunächst versuchen könnten, die neue Rechtslage zu umgehen. Mieter können zwar auch nach Vertragsunterzeichnung ihr Recht einklagen, Vermieter haben allerdings nicht viel zu befürchten. Zwar müssen sie - wenn der Mieter den Klageweg nicht scheut - die Miete dann anpassen, doch Sanktionen für einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse sind im Gesetz nicht vorgesehen.

Wann tritt das Gesetz in Kraft?

Die Regelungen sollen noch in der ersten Jahreshälfte 2015 in Kraft treten. Ursprünglich war einmal geplant, den Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause im Kabinett zu verabschieden. Wegen koalitionsinterner Unstimmigkeiten wurde dies aber nochmal vertagt. Wirksam werden können die Regelungen allerdings erst dann, wenn die Länder die zugehörigen Rechtsverordnungen zur Ausweisung der entsprechenden Gebiete erlassen haben.

Wird die Mietpreisbremse überall dort greifen, wo sie notwendig ist?

Die Entscheidung, wo die Mietpreisbremse umgesetzt wird, ist allein den Ländern überlassen. Gerold Happ von Haus und Grund geht aber davon aus, dass sie in recht vielen Gebieten Anwendung finden wird. Seine Befürchtung ist, dass die Länder sie zu großzügig einsetzen könnten.

Als Vergleich zieht er das Mietrechtsänderungsgesetz vom Mai 2013 heran. Darin wurde ein ähnliches Verfahren für die sogenannte Kappungsgrenze bei bestehenden Mietverhältnissen gewählt: Auch hier wurden die Länder ermächtigt, Gebiete mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt auszuweisen, in denen Mieten alle drei Jahre nur noch um 15 Prozent (statt 20 Prozent) angehoben werden dürfen. Diese Möglichkeit habe beispielsweise in Bayern und Nordrhein-Westfalen in sehr vielen Gemeinden und in Hamburg und Berlin fast flächendeckend Anwendung gefunden. Es sei wahrscheinlich, dass sich die Länder bei der Mietpreisbremse an diesen Entscheidungen orientieren.