Bruno Kahl

Zeugenaussage von BND-Chef Kahl "Ein ganz immenser Schaden"

Stand: 13.03.2024 16:52 Uhr

Im Gerichtsprozess gegen den BND-Agenten Carsten L. und seinen Komplizen hat BND-Präsident Kahl als Zeuge ausgesagt. Ein Verräter im eigenen Haus sei eine "Katastrophe".

"Ein Innentäter als Verräter ist mit das Schlimmste, was einem Geheimdienst passieren kann." So beschrieb BND-Präsident Bruno Kahl vor dem Kammergericht Berlin den Schaden, den der angeklagte BND-Mitarbeiter Carsten L. und sein Komplize mutmaßlich angerichtet haben. Laut Anklage sollen sie Dokumente und Informationen aus dem BND an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB weitergegeben haben.

Der 6. Strafsenat mit dem Vorsitzenden Richter Detlef Schmidt hatte ein Interview mit dem Tagesspiegel vom Juli 2023 zum Anlass für die Vorladung Kahls als Zeuge genommen. Der Chef des Auslandsgeheimdienstes hatte in dem Interview, in Absprache mit dem Bundeskanzleramt, schon einmal über den Schaden für die Reputation des BND und für das Verhältnis zu den Partnergeheimdiensten gesprochen.

Weil sich der Angeklagte Carsten L. durch einige Äußerungen in seinem Persönlichkeitsrecht eingeschränkt sah, hatte der Tagesspiegel nach Veröffentlichung auf Bitten des BND hin einige Sätze, in denen zum Beispiel das Wort "Täter" vorkam, aus dem Interview entfernt bzw. geändert.

Verräter im eigenen Haus

Kahls Aussage wird eine Rolle dabei spielen, wie hoch das Strafmaß für die Angeklagten bei einer Verurteilung ausfällt. Zugleich war Kahl offensichtlich bemüht, den Schaden für den BND als begrenzt zu beschreiben.

Seine Beschreibung im Tagesspiegel-Interview, man habe in dem Fall "Glück im Unglück" gehabt, erklärte Kahl so: "Kein Unglück ist so groß, dass es nicht noch größer werden könnte." Es seien nicht alle Schäden eingetreten, die möglich gewesen wären. Der Fall sei in etwa so einzuordnen wie bei einem Flugzeugunglück, bei dem von 100 Passagieren 80 sterben und 20 überleben.

Ein "mutmaßlicher Innentäter" - ein Verräter im eigenen Haus - sei aus Sicht des BND eine "Katastrophe". In diesem Fall sei die zeitliche Dauer sowie Umfang und Tiefe der abgeflossenen Informationen überschaubar gewesen. Der BND habe den mutmaßlichen Verratsfall außerdem nach einem Hinweis eines anderen Geheimdienstes selbst aufgeklärt.

Gleichwohl sei der "Schaden ganz immens": Man habe ein halbes Jahr lang mit den internationalen Partnern dazu kommuniziert, wie es zu dem Fall habe kommen können und was verbessert wurde, um deren Vertrauen zurückzugewinnen. In der Öffentlichkeit sei dem BND "großer Reputationsschaden" entstanden.

Soldat mit Führungsqualitäten

Kahl gab an, Carsten L. nicht persönlich zu kennen. Als der Verdachtsfall aufkam, sei ihm von persönlichem und beruflichem Frust Carsten L.s berichtet worden. Carsten L. sei den Berichten zufolge aber freiwillig vom Standort im bayerischen Pullach nach Berlin gewechselt.

Dass Carsten L. von der Leitung der technischen Aufklärung in die Abteilung personelle Sicherheit gewechselt sei, könne damit zu tun haben, dass im Rahmen der Strukturreform im BND der Umbau des Bereichs Analyse umstritten gewesen sei und zu Unsicherheiten geführt haben könne.

Generell habe Carsten L. ein gutes Standing im BND gehabt, sei fachlich und als Führungskraft anerkannt gewesen und habe ein gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern gehabt. Als Soldat bei der Bundeswehr habe er gelernt, wie man führt.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Kahl schränkte seine Antworten mit Verweis auf die beschränkte Aussageerlaubnis ein, die ihm vom Bundeskanzleramt erteilt worden war. Er wollte Details insbesondere zum Austausch mit den Partnerdiensten nur beschreiben, wenn die Öffentlichkeit - Medienvertreter und Zuschauer im Saal - von der Verhandlung ausgeschlossen würden.

Andere Fragen der Verteidiger, wie zu möglichen Reisen nach Russland und Belarus nach dem Großangriff Russlands auf die Ukraine, beantwortete Kahl nicht. Die Verteidiger versuchten, dem BND-Präsidenten vor Publikum noch an der einen oder anderen Stelle Antworten zu entlocken. So fragte Carsten L.s Anwalt Johannes Eisenberg nach Nachforschungen, die sein Mandant über einen BND-Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau habe anstellen sollen.

Am Nachmittag beschlossen die Richter schließlich, die Öffentlichkeit aus Gründen der Staatssicherheit auszuschließen. Kahl sollte dann hinter verschlossenen Türen näher zum Schaden aussagen, der durch den mutmaßlichen Verratsfall entstand, welche Regelverstöße Carsten L. mutmaßlich begangen hat, welche Informationen und Dokumente genau an den FSB abflossen und von welchem Partnerdienst der Hinweis dazu gekommen war.