Ein Aktenordner mit Fahndungsfotos des früheren Wirecard-Finanzvorstands Jan Marsalek.

Ex-Wirecard-Vorstand Gehörte Marsalek zu russischem Spionagenetzwerk?

Stand: 26.09.2023 16:09 Uhr

Er ist einer der Hauptverdächtigen im Wirecard-Skandal - und soll für Moskau spioniert haben. Das werfen britische Ermittler dem untergetauchten Jan Marsalek vor, der in Russland vermutet wird.

Der frühere Wirecard-Manager und Justizflüchtige Jan Marsalek wird von britischen Ermittlern verdächtigt, Teil eines Spionagenetzwerks für Russland gewesen zu ein. Das geht aus einer Mitteilung der britischen Staatsanwaltschaft hervor. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" über die Vorwürfe berichtet.

Vermittler zwischen Moskau und Spionen?

Demnach soll Marsalek eine zentrale Rolle als Vermittler zwischen Moskau und einer Gruppe von Bulgaren gespielt haben, die sich als mutmaßliche russische Spione in London vor Gericht verantworten müssen. Die zwei Frauen und drei Männer, die im Februar festgenommen worden waren, streiten die Vorwürfe allesamt ab.

Wie aus der Mitteilung der Staatsanwaltschaft in London weiter hervorgeht, soll Marsalek dem Anführer der mutmaßlichen Spionagezelle in Großbritannien, Orlin R., Aufträge erteilt haben. Der soll die Aufgaben an die anderen mutmaßlichen Mitglieder der Spionagezelle weiterdelegiert haben. Alle fünf Beschuldigten seien für ihre Tätigkeiten bezahlt worden.

Die Ermittler werteten Chats aus dem Kurznachrichtendienst Telegram zwischen Marsalek und R. aus. Dabei soll es unter anderem um die Beschaffung von militärischer Ausrüstung für Russland, die Ausstattung mit Spionagewerkzeugen wie digitalen Geräten, Software und Hacker-Handbüchern, dem Abhören von Kommunikation und der Beschattung von Moskau unliebsamen Personen gegangen sein.

Spionage auch in Deutschland

Ein großer Teil der Spionageaktivitäten soll sich außerhalb Großbritanniens abgespielt haben. Neben der Beschattung von Personen soll Marsalek auch den Auftrag erteilt haben, für Russland relevante Orte wie einen NATO-Stützpunkt in Deutschland auszukundschaften. Auch die kasachische Botschaft in London soll Ziel der Bespitzelung gewesen sein.

Die Ermittler werteten unter anderem Zeugenaussagen von Personen aus, die zum Ziel der mutmaßlichen Beschattung wurden. Bei Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem Fall wurden unter anderem eine große Zahl von gefälschten Reisepässen verschiedener europäischer Länder sichergestellt. Mehrere der Angeklagten müssen sich deswegen auch wegen Dokumentenfälschung verantworten. Gefunden wurde demnach auch "fortgeschrittene elektronische Überwachungsausrüstung".

Marsalek wird in Russland vermutet

Marsalek war früher Vertriebsvorstand des Finanzdienstleisters Wirecard, ist seit Längerem abgetaucht und wird in Russland vermutet. Er gilt als Hauptverdächtiger im Wirecard-Skandal.

Marsalek verantwortete das Geschäft mit sogenannten Drittpartnerfirmen - externen Zahlungsdienstleistern, die im Wirecard-Auftrag Kreditkartenzahlungen überwiegend in Asien abwickelten oder abgewickelt haben sollen. Im Sommer 2020 war der einstige Dax-Konzern zusammengebrochen, weil 1,9 Milliarden Euro angeblicher Erlöse aus diesem Drittpartnergeschäft nicht auffindbar waren.

Marsalek hatte sich daraufhin ins Ausland abgesetzt, als sich der Kollaps des Konzerns abzeichnete.

Imke Köhler, ARD London, tagesschau, 26.09.2023 15:04 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. September 2023 um 14:20 Uhr.