Kinder balancieren auf dem Spielplatz einer Kindertagesstätte im sächsischen Dresden auf einem Brett.
Analyse

Familienpolitik Warum die Kindergrundsicherung hakt

Stand: 07.01.2023 17:27 Uhr

Die Kindergrundsicherung ist das größte sozialpolitische Projekt von Familienministerin Paus. So richtig vorankommen will das Vorhaben aber nicht. Das liegt nicht nur am Koalitionspartner FDP.

Eine Analyse von Sarah Frühauf, ARD Berlin

Am Silvesterabend hat Bundesfamilienministerin Lisa Paus bei Twitter ihren Followern einen gelungenen Start ins neue Jahr gewünscht. Die Reaktionen fielen mau aus: Kaum mehr als ein Dutzend Menschen reagierten mit "Gefällt-Mir". Paus dürfte das nicht neu sein: Im vergangenen Jahr musste die Ministerin häufig erleben, dass ihre gut gemeinten Botschaften kaum durchdrangen. Der Krieg gegen die Ukraine, die daraus resultierende Energiekrise: Familienpolitische Themen standen hinten an.

Dabei hatte die Ampelkoalition vor allem in der Sozialpolitik große Reformen angekündigt. Bei ihrem Amtsantritt hatte die grüne Ministerin der Kinderarmut den Kampf angesagt. Doch die eigentlichen Gefechte führt sie nun mit ihren Kabinettskollegen. Am härtesten umkämpft ist dabei das Thema Kindergrundsicherung.

Was soll sich ändern?

Geplant ist, das bisherige Kindergeld und andere Familienleistungen zu bündeln und damit Chancen für Kinder zu verbessern. Es soll einen Garantiebeitrag geben, den alle Eltern nach der Geburt des Kindes bekommen. Daneben ist ein Zusatzbeitrag angedacht, der abhängig vom Einkommen der Familien ausgezahlt wird. Paus verspricht sich davon einen Paradigmenwechsel und hängt die Latte hoch: Es sei das größte sozialpolitische Vorhaben dieser Bundesregierung.

Tatsächlich ist es vor allem ein Prestige-Projekt der Grünen, mit dem sie auch im Wahlkampf geworben haben. Paus wird auch deswegen nicht müde, öffentlich zu betonen, dass die Kindergrundsicherung als Ziel im Koalitionsvertrag verankert ist. Eine Botschaft, die vor allem in Richtung FDP geht. Denn die Liberalen hängen offenbar nicht so sehr an dem Projekt wie ihr Koalitionspartner. Insbesondere im Finanzministerium herrscht wenig Begeisterung: Denn die Kindergrundsicherung könnte teuer werden.

Mit Widerstand der FDP ist zu rechnen

Wie viel zusätzliche Kosten auf den Bundeshaushalt zukommen werden, ist aber noch nicht klar. Das hängt auch davon ab, wie hoch der Garantiebetrag ausfällt, den es für jedes Kind geben soll. Paus wollte sich da zuletzt nicht festlegen. Strategisch könnte das für sie ein Vorteil sein: Denn eine fixe Summe würde die Verhandlungen mit Finanzminister Christian Lindner sicherlich erschweren.

Paus kündigte allerdings an, dass der Betrag sich auf der Höhe des Kindergeldes bewegen werde. Das sind derzeit 250 Euro. Das Konzept zur Kindergrundsicherung, das die Grünen schon vor ein paar Jahren erarbeitet haben, schlägt sogar 290 Euro vor. Demnach sollen für einkommensschwache Familien noch einmal mehrere Hundert Euro draufkommen können, maximal 547 Euro.

Im Finanzministerium geht allerdings die Angst um, dass durch eine hohe Kindergrundsicherung der Anreiz verloren geht, überhaupt noch arbeiten zu gehen. Eine ähnliche Diskussion gab es auch beim Bürgergeld. Darüber hatten Koalition und Opposition im vergangenen Jahr lange gerungen. Die Debatten um die Kindergrundsicherung werden kaum weniger intensiv ausfallen. Der nächste Ampelstreit scheint programmiert.

Fünf Ministerien beteiligt

Fraglich ist, ob der ambitionierte Zeitplan haltbar ist angesichts der Differenzen zwischen Grünen und FDP. Paus will, dass die Kindergrundsicherung ab 2025 ausgezahlt wird. Also noch vor der nächsten Bundestagswahl.

Auch verwaltungstechnisch wird das eine große Herausforderung. Seit fast einem Jahr trifft sich regelmäßig eine interministerielle Arbeitsgruppe, um die Eckpunkte des Projekts zu besprechen. Mit dabei sind Vertreter des Familien-, Finanz-, Arbeits-, Bildungs- und Bauministerium. Letzteres ist vertreten, weil auch die Wohngeldansprüche mit der Kindergrundsicherung berücksichtigt werden sollen. Das bedeutet also, dass sich fünf Ministerien auf einen Gesetzesvorschlag einigen müssen. Bis zum Sommer wollen sie das geschafft haben.

Sozialverbände machen schon Druck: Ihnen kann es nicht schnell genug gehen. Als eine Art Überbrückung hat Paus im vergangenen Sommer einen höheren Kinderzuschlag und ein höheres Kindergeld durchgeboxt. Auch davon war Finanzminister Lindner zunächst nicht überzeugt. Am Ende setzte sich Paus durch: Seit dem ersten Januar gibt es für jedes Kind pro Monat 250 Euro Kindergeld. Und Eltern, deren Einkommen nicht reicht, um die ganze Familie zu ernähren, können einen Kinderzuschlag beantragen, der in einer Höhe von bis zu 250 Euro ausfallen kann. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 22. November 2022 um 21:44 Uhr.