Silhouetten von Delegierte stehen vor dem Schriftzug der Jungen Liberalen.

Bundeskongress in Weimar Der FDP-Nachwuchs teilt aus

Stand: 29.10.2023 17:20 Uhr

Gegen die Grünen, eine SPD-Ministerin - und die eigenen Spitzenleute: Die Jungen Liberalen haben sich bei ihrem Bundeskongress viel Frust von der Seele geredet - und zugleich kämpferisch Richtung Europawahl geschaut.

Von Martin Polansky, ARD Berlin, zzt. Weimar

Die Bühne beim Bundeskongress der Jungen Liberalen im Congress Centrum Weimar leuchtet in Magenta, Gelb und Blau. Franziska Brandmann, die Bundesvorsitzende des FDP-nahen Jugendverbandes setzte den Ton: "Liebe JuLis, die Lage ist ernst." Und die 29-Jährige fuhr fort: "Es ist schwierig, in diesen herausfordernden Zeiten zu regieren."

Gut 500 Jungliberale waren nach Weimar gekommen. Geschätzt zwei von drei sind männlich. Auffallend viele junge Delegierte waren da, manche nicht einmal 18 Jahre alt. Tablets und weiße Turnschuhe prägten das Bild - und auch das eine oder andere Jackett war zu sehen. Die jungen Liberalen als Gegenmodell zur Fridays for Future-Jugend.

Bei der vergangenen Bundestagswahl 2021 war die FDP unter den Erstwählern ausgesprochen erfolgreich, sie teilte sich hier Platz eins zusammen mit den Grünen. Jetzt regiert die FDP zusammen mit SPD und Grünen. Aber nach zwei Jahren steht die Ampel-Koalition in den Umfragen miserabel da - und die FDP schaut schon wieder in den Fünf-Prozent-Abgrund.

Koalitionspartner und Kommunikation

Der 20-jährige Lukas Kamm ist aus Niedersachsen nach Weimar gekommen. "Es ist sicher so, dass einige unserer Wähler unzufrieden sind, mit Dingen, die wir aktuell nicht umsetzen können. Auch aufgrund unserer Koalitionspartner", sagte er. Der 19-jährige Arwed Zill aus Sachsen fand zwar, dass die Ampel einiges vorzuweisen hat. "Aber die Kommunikation ist natürlich extrem schlecht." Und daran sei die FDP auch beteiligt. Ihn nerve vor allem, "dass der Koalitionsvertrag von den Grünen konsequent infrage gestellt wird". Es müsse sich einiges ändern, ist der Jungliberale überzeugt. "Die Ampel wird auf nahe Zeit keine Chance mehr haben, wenn nicht die Themen Wirtschaft und Migration gelöst werden."

Wirtschaft und Migration. Es ging viel um Freihandel, Wachstum und Wettbewerb. Das alles sind liberale Grundüberzeugungen. Den lautesten Applaus gab es aber immer dann, wenn die Grünen aufgefordert wurden, einen konsequenten Kurswechsel in der Asylpolitik nicht zu blockieren. Oder bei deutlicher Kritik an Fridays for Future International wegen deren offen anti-israelischer Haltung.

"Nancy Faeser, treten Sie zurück"

JuLis-Chefin Brandmann kritisierte SPD-Innenministerin Nancy Faeser scharf, weil für die Terrororganisation Hamas in Deutschland immer noch kein Betätigungsverbot gelte, obwohl Kanzler Olaf Scholz dies bereits vor gut zwei Wochen angekündigt habe. "Eine Innenministerin, die das nicht schafft, die sollte ihr Amt für jene zur Verfügung stellen, die das schaffen", so Brandmann. "Nancy Faeser, treten Sie zurück."

Das gab stürmischen Applaus. Aber unter dem liberalen Parteinachwuchs wurde auch Kritik an den eigenen Spitzenleuten laut. So habe Generalsekretär Bijan Djir-Sarai eine Wahlniederlage nach der anderen zu verantworten, rief der bayerische JuLis-Chef in den Saal. Und in den Bereichen Bildung, Digitales und Verkehr müsse deutlich mehr geliefert werden, fordern einige. Das richtete sich mindestens indirekt an FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Volker Wissing, den FDP-Minister für Digitales und Verkehr.

Phil Hackemann will nach Europa ...

Nach zwei Jahren Regierungsbeteiligung sei noch nicht der Eindruck entstanden, dass es bei den liberalen Kernthemen nun richtig vorangehe, sagten manche auf den Gängen. Der in Weimar frisch gekürte Spitzenkandidat der JuLis für die Europawahl im kommenden Juni, Phil Hackemann, formulierte es etwas vorsichtiger: "Die FDP-Minister haben schon einiges angestoßen." Gerade im Bereich Digitalisierung sei unter den vorherigen Bundesregierungen jahrzehntelang fast nichts passiert. Da werde nun vieles angepackt, so der 28-jährige Hackemann. "Aber da müssen wir als Digitalpartei noch mehr liefern." Hier würden sich die Jungen Liberalen mehr erhoffen und das habe man an diesem Wochenende deutlich gemacht.

Hackemann setzt darauf, dass ihn die FDP Ende Januar bei einem Parteitag auf einen aussichtsreichen Platz für die Europawahlliste setzt. Zwei der fünf FDP-Europaabgeordneten sind derzeit im JuLis-Alter, das mit 35 Jahren endet.

... zusammen mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl dürfte voraussichtlich die 65-jährige Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann werden. Auch sie war nach Weimar gekommen, signalisierte Verständnis für manchen Unmut beim liberalen Nachwuchs: "Ich finde es richtig, dass man sich bei einem Parteitag auch mal auskotzt." Aber es gelte einer für alle, alle für einen, so Strack-Zimmermann. "Gewählt wird nur, wer nach vorne geht. Und nicht wer jeden Tag zu Hause sitzt und seine Wunden leckt."

5,4 Prozent hat die FDP bei der Europawahl 2019 geholt. 2024 solle es mehr werden, sagte Strack-Zimmermann. Sie setzte dabei auch auf den Parteinachwuchs als Wahlkampfmotor der Liberalen. Denn die Lage ist derzeit zwar ernst für die FDP. Aber eines hat auch bei den zurückliegenden miserablen Landtagswahlen funktioniert: Bei den Erstwählern ist die FDP immer noch deutlich beliebter als in allen anderen Altersgruppen.

Martin Polansky, ARD Berlin, zzt. Weimar, tagesschau, 29.10.2023 17:41 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. Oktober 2023 um 17:37 Uhr.