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Fünf Jahre "Fridays for Future" Neubauer warnt vor Stillstand bei Klimapolitik

Stand: 17.08.2023 12:50 Uhr

Vor fünf Jahren entstand mit "Fridays for Future" eine weltweite Klimabewegung. Ein Umdenken in der Klimapolitik kann die Sprecherin der deutschen Vereinigung durchaus erkennen. Doch zu oft stehe sich die Politik selbst im Weg, kritisiert Luisa Neubauer.

Seit rund fünf Jahren setzt sich die Bewegung "Fridays for Future" für einen besseren Klimaschutz ein. Viel sei seit den Anfängen passiert, sagt Luisa Neubauer, Sprecherin der Vereinigung, im ARD-Interview. Doch bei Weitem noch nicht genug. Und das liegt in ihren Augen vor allem an einer auf der Stelle tretenden Politik.

An Kritik spart die 27-Jährige nicht - weder an der 2021 abgewählten Großen Koalition noch an deren Nachfolgerin, der Ampelregierung. Dass die Ampelparteien mehr tun wollen in Sachen Klimaschutz sieht Neubauer sehr wohl, doch es hapere deutlich an der Umsetzung. Bei der Klimapolitik drohe Deutschland "holterdipolter" in eine "Stillstandssituation" reinzurutschen, warnt sie.

Es mangele den Politikerinnen und Politikern keinesfalls an Ideen, so Neubauer. Doch deren Umsetzung? "Eine Katastrophe", sagt sie.

Ein Beispiel: das in Aussicht gestellte, aber bisher nicht umgesetzte Klimageld. Der Staat will durch Steuern auf CO2-Ausstoß Einnahmen kassieren und die an die Bevölkerung weitergeben - und zwar für alle zu gleichen Teilen. Doch auf "große Reden und große Absichten" folge in der Ampel oft dasselbe - ein "Kaspertheater", wie Neubauer es nennt. "Olaf Scholz weigert sich, mal ein Machtwort zu sprechen, Minister schlagen sich die Köpfe ein und die Menschen verlieren immer mehr das Vertrauen in die Arbeit der Regierung."

"Mangelt an Bereitschaft", Luisa Neubauer, Umweltorganisation "Fridays for Future", zu fünf Jahre "Fridays for Future"

tagesschau24, 17.08.2023 11:00 Uhr

"Die Ampel muss ihren Kram klar kriegen"

Ein weiteres Beispiel für den Fehlkurs der Ampelparteien ist für Neubauer das Heizungsgesetz. In den Augen der Ampel ein entscheidender Schritt Richtung Energiewende, aus Sicht Neubauers ein "unfertiges und unsauberes" Gesetz, dessen Entwurf "sozial gerechter und durchdachter" hätte sein müssen. Bislang bleibt das Heizungsgesetz nur ein Wunsch der Ampel, denn vor der Sommerpause wurde es vom Bundesverfassungsgericht gestoppt, die Entscheidung auf den Herbst vertagt.

Die Kritik, dass "Fridays for Future" zu leise im Kampf um die Durchsetzung des Gesetzes als Bestandteil der Klimapolitik gewesen sei, lässt Neubauer nicht gelten. "Die Ampel muss ihren Kram klar kriegen", fordert die Sprecherin. Und das könne nicht an der Erwartungshaltung hängen, dass "die Klimabewegung um die Ecke springt" und sich vor ein Gesetz stelle, auf das sich die Ampelparteien formal zwar geeinigt hätten, es dann aber nicht durchsetzen könnten.

"Krisen nicht gegeneinander ausspielen"

Immer wieder betont Neubauer das Ziel einer "sozial gerechten Klimapolitik", auch gemünzt auf die Sorge, dass Klimaschutz teuer sein muss und damit vor allem diejenigen finanziell stärker belaste, die bereits wenig verdienen - und das vor dem Hintergrund einer derzeit schwächelnden Wirtschaft und hohen Inflation. Doch Neubauer warnt allerdings davor, "Krisen von Menschen gegeneinander auszuspielen". Die 27-Jährige räumt durchaus ein, dass "Stand jetzt" eine Klimapolitik drohe, "die konzernfreundlich ist, die die Reichsten weiter privilegiert und die sozial Benachteiligte weiter benachteiligt". Neubauer warnt:

Wenn Klimapolitik nicht sozial gerecht ist, wenn sie die Ärmsten nicht mitdenkt, die Benachteiligten nicht mitdenkt und die Minderheiten nicht mitdenkt, dann wird sie nicht nachhaltig sein können.

Stattdessen drohe eine solche Klimapolitik weiter Konflikte und bei den Menschen Ressentiments zu schüren.

Nicht immer nur "dagegen sein"

Der Kampf von "Fridays for Future" um mehr Engagement in Klimafragen habe sich seit dem Entstehen der Bewegung aber durchaus gewandelt. Heute müssten deren Mitglieder "nicht mehr nur dagegen sein", sagt Neubauer weiter. Sondern auch mal dafür, wie etwa für die Wärmewende oder für die jüngst beschlossenen Erleichterungen für die Nutzung von privaten Solaranlagen. "Wir müssen nicht mehr fundamentale Konflikte austragen", sagt Neubauer.

Das sei 2018 noch ganz anders gewesen. Es sei aber "spektakulär" gewesen, "mitzuerleben, wie wir ein Momentum kreieren, das so schnell wächst", sagt Neubauer. "So viele wollten richtig mitmachen und laut werden." Doch gerade in ihren Anfangszeiten stieß die Bewegung auch auf viel Kritik. Neubauer erinnert sich an eine "frenetische Suche" einiger Menschen "nach Fehlern, die bei uns liegen und nicht in der Klimapolitik".

Und auch die Politik stand "Fridays for Future" nicht immer offen gegenüber. FDP-Chef Christian Lindner nannte Klimaschutz eine "Sache für Profis", nicht für eine Schülerbewegung. Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier bezeichnete seinen Auftritt bei einer Demonstration einst als "Scheißidee". Mit der "Häme" und "Herablassung", welche "Fridays for Future" teilweise von demokratischen Einrichtungen entgegengeschlagen seien, habe sie nicht gerechnet, so Neubauer. Das sei erschreckend gewesen.

Und doch zieht die 27-Jährige ein positives Fazit nach fünf Jahren "Fridays for Future". Wichtiger, als die Gesetze, die vielleicht auch durch den Druck infolge des Protests vorangetrieben worden seien, sei das "Lebensgefühl", das mit der Bewegung erreicht wurde. "Wir müssen nicht ohnmächtig vor Krisen stehen" - dieses Bewusstsein sei ein "riesengroßes Gut, das wir geschaffen haben", so Neubauer. Das Bewusstsein, "spürbare Veränderungen" einfordern zu können - und das auch von der jungen Generation, "die so lange nicht gehört und ignoriert wurde".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 17. August 2023 um 11:00 Uhr.