FDP Bundesparteitag
Analyse

Parteitag Zurück zu FDP pur

Stand: 21.04.2023 05:41 Uhr

Beim Parteitag will die FDP zurück zu ihrem Markenkern, etwa in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Doch es gibt auch Unmut über schlechte Wahlergebnisse - und Ampel-Frust.

Eine Analyse von Martin Polansky, ARD Berlin

"Machen, was wichtig wird" - unter dieses Motto stellt die FDP ihren Bundesparteitag in Berlin. Nach vorne richten will sie den Blick, und dabei möglichst viel FDP pur formulieren. Das ist das Bedürfnis der Partei nach anderthalb Jahren Ampelkoalition und zuletzt vielen Wahlniederlagen in den Ländern. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai formuliert es kämpferisch: "Es ist ein Parteitag der FDP, es ist kein Parteitag der Ampelkoalition."

FDP pur heißt diesmal vor allem FDP classic: Die Partei will insbesondere ihre Überzeugungen in der Wirtschafts- und der Finanzpolitik betonen. Es geht im Leitantrag des Parteivorstands um die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland, den Ausbau der Infrastruktur auch im Straßenverkehr, um die Energiepolitik und natürlich die FDP-Klassiker schlechthin: keine Steuererhöhungen und solide Staatsfinanzen. Was auch Parteichef und Finanzminister Christian Lindner derzeit in schwierigen Haushaltsverhandlungen immer wieder betont: "Wir müssen lernen, dass der Wohlstand erst erwirtschaftet werden muss, bevor er danach von uns mit edlen Motiven verteilt werden kann."

"Die FDP ist nicht für Selbstzerfleischung bekannt", Alfred Schmit, ARD Berlin, zum Bundesparteitag in Berlin

tagesschau 11:00 Uhr

Die Kernwählerschaft wieder zufrieden stellen

Die Partei will zurück zum Markenkern. Noch im Bundestagswahlkampf hatte die FDP bewusst versucht, sich breiter aufzustellen und damit insbesondere auch ganz junge Wähler für sich gewonnen. Mit der Betonung der individuellen Freiheit, der klaren Abgrenzung von einem Weltbild, das auf den regulierenden Staat in möglichst vielen Lebensbereichen setzt. Ein Weltbild, das viele Liberale insbesondere den Grünen zuschreiben.

Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Uwe Jun von der Universität Trier ist der FDP-Führung bewusst, dass sie ihre frühere Kernwählerschaft im Augenblick nur unzureichend anspricht. "Es sind die traditionellen Wählerinnen und Wähler, die derzeit grimmig sind. Das sind diejenigen, die mehr Marktwirtschaft sehen wollen, mehr finanzpolitische Solidität", so Jun.

Diese Wählergruppen würden sich derzeit zum Teil der Stimme enthalten oder auch zur CDU gehen. "Die will die FDP auf jeden Fall wieder gewinnen, die will sie erreichen", sagt der Politikwissenschaftler.

Hoffen auf die Trendwende

Die FDP hat eine Reihe von Wahlniederlagen in den Ländern hinter sich. In Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein verlor sie wegen ihrer schwachen Wahlergebnisse die Regierungsbeteiligungen. In Niedersachsen und zuletzt in Berlin flog sie ganz aus den jeweiligen Landtagen.

Im Mai steht die Bürgerschaftswahl im kleinsten Bundesland Bremen an. Die derzeitigen Umfragen deuten darauf hin, dass es für die FDP wieder knapp werden könnte in puncto Wiedereinzug ins Landesparlament. Auch wenn Spitzenkandidat Thore Schäck hofft, die Landespartei mit den Themen Bildung, Verkehr und innere Sicherheit vom Negativtrend abkoppeln zu können.

"Wir konzentrieren uns hier auf Bremen. Berlin oder Niedersachsen sind nicht zu vergleichen mit Bremen", sagt Schäck. Man mache einen eigenen Wahlkampf mit Bremer Themen. "Und dafür wollen wir auch gewählt werden."

Manche in der FDP hoffen auch auf eine gewisse Trendwende im Bund. Die Umfragen zeigen tendenziell eher nach oben. Und spätestens seit dem Koalitionsausschuss Ende März sieht sich die FDP auch innerhalb der Ampelkoalition gestärkt - vor allem gegenüber den Grünen. Ob bei E-Fuels, dem Klimaschutzgesetz oder dem Autobahnausbau: Die FDP konnte zuletzt einige Kernanliegen durchsetzen und dabei gleichzeitig die Unterschiede zu den Grünen herausstellen.

Bei Streitthemen hat die FDP oft Scholz hinter sich

Für die Parteiseele der Liberalen ist das wichtig. Und in der harten Auseinandersetzung um die Haushaltsaufstellung 2024 zeigt sich Finanzminister Lindner wenig kompromissbereit, er hat überraschend sogar auf die üblichen Eckwerte verzichtet, weil er den Ausgabewünschen aus den Ministerien nicht nachgeben will. Das Signal macht deutlich, dass sich Lindner nicht scheut, seine Schlüsselfunktion als Finanzminister auszuspielen.

Die FDP kann sich auch deshalb hartleibig zeigen, weil sie bei vielen dieser Streitthemen SPD-Kanzler Olaf Scholz hinter sich haben dürfte. Derzeit wirken im komplizierten Dreier-Geflecht der Ampel eher die Grünen etwas verloren.

Politikwissenschaftler Jun verweist darauf, dass Scholz selbst Finanzminister war: "Er kann es eher verstehen, wenn ein Finanzminister auf bestimmte finanzpolitische Aspekte schaut, als wenn ein Wirtschaftsminister klimapolitische Aspekte in den Vordergrund stellt."

Außerdem brauche Scholz insbesondere die FDP für das Gelingen dieser Koalition. "Er hat erkannt, dass die FDP nur dann gut eingebunden werden kann, wenn auch dort eine gewisse Zufriedenheit da ist und wenn die Partei nicht um ihre Existenz bangen muss", so Jun.

Angestauter Unmut in der Partei

Auf dem Parteitag muss sich Lindner turnusmäßig der Wiederwahl stellen. Bei der vergangenen Wahl im Mai 2021 bekam er 93 Prozent der Delegierten-Stimmen. Ein Gegenkandidat ist nicht in Sicht, ebenso wenig für die Wahl der drei Vize-Posten. Dabei soll Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger die Europa-Politikerin Nicola Beer ablösen, die zur Europäischen Investitionsbank wechseln dürfte.

Fraktionsgeschäftsführer Johannes Vogel will als Partei-Vize bestätigt werden. Ebenso wie Wolfgang Kubicki, der zwar häufig polarisiert und bereits 71 Jahre alt ist. Aber vereinzelten Forderungen, Jüngeren Platz zu machen, möchte Kubicki nicht nachkommen - zumal er vielen in der Partei als die vernehmbarste Stimme grundliberaler Überzeugungen gilt.

Trotzdem könnte sich auf dem Parteitag an der einen oder anderen Stelle angestauter Unmut über die schlechten Landtagswahlergebnisse und manchen Ampel-Frust ein Ventil suchen. Etwa bei den Wahlen der anderen Präsidiums- und Vorstandsmitglieder. Oder auch bei einzelnen Sachthemen wie der Energie- oder der Atompolitik.

Mögliches Ziel für "Letzte Generation"

Und dann sind da noch zwei Unwägbarkeiten, die den dreitägigen Parteitag ebenfalls beschäftigen könnten: Zum einen müssen die Delegierten sehen, wie sie trotz des Bahnstreiks nach Berlin kommen. Zum anderen ist es mindestens denkbar, dass sich die radikalen Klimaaktivisten der "Letzten Generation" den Parteitag als Ziel aussuchen werden. Erklärtermaßen wollen sie in diesen Tagen Berlin lahmlegen - und die FDP ist für sie so etwas wie der Lieblingsfeind.

Immerhin ist die Abneigung gegenseitig. Was zu machen ist und was wichtig wird - da haben Klimaaktivisten und FDP-Delegierte ganz unterschiedliche Vorstellungen.

Martin Polansky, Martin Polasky, ARD Berlin, 21.04.2023 06:31 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 21. April 2023 um 08:21 Uhr.