"Reichsbürger" in Brandenburg Ein Dorf kämpft gegen das "Königreich"
In der Uckermark versuchen "Reichsbürger" Fuß zu fassen. Ein selbsternannter "König von Deutschland" will mit seinem Gefolge einen Hof kaufen. Die Einwohner wehren sich.
"Rutenberg - Dorfgemeinschaft seit 1300 frei und demokratisch" steht auf dem Plakat. Es hängt neben der Bushaltestelle unweit der mittelalterlichen Kirche. Auf "frei und demokratisch" kommt es Marita Berckner dabei besonders an. Sie ist hier aufgewachsen und lebt zusammen mit ihrer Familie im elterlichen Haus in dem rund 200-Seelen-Ort in der Uckermark, der heute zur Stadt Lychen gehört.
"Ich mache mir große Sorgen darüber, was für ein Dorf ich mal meinen Kindern und Enkeln hinterlasse, wenn sich solche Strukturen hier ausbreiten", sagt Berckner. Sie ist eine Frau in den Fünfzigern mit kurzen, graumelierten Haaren. "Ich mache mir Sorgen, dass dieses 'Königreich Deutschland' irgendwann einmal Rutenberg zu seinem Hoheitsgebiet erklären könnte und das Image unseres Ortes kaputt macht."
Marita Berckner macht sich Sorgen darüber, dass "Reichsbürger" in ihrem Dorf Fuß fassen wollen.
"Gemeinwohldörfer" statt Bundesrepublik
Dieses sogenannte "Königreich Deutschland", das viele Rutenberger auf die Barrikaden treibt, ist ein Gebilde, das in der Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt seinen Ursprung hat. 2012 hat es Peter Fitzek gegründet. Der Verfassungsschutz zählt ihn und seine Gruppierung zur "Reichsbürger"- und "Selbstverwalter"-Szene. Das sind nach der Definition der Behörde Menschen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneinen und deren Rechtsordnung ablehnen, oft begründet mit diversen Verschwörungserzählungen oder einem selbstdefinierten Naturrecht.
Nach Einschätzung des Brandenburger Verfassungsschutzes gilt "König" Fitzek innerhalb der extremistischen "Reichsbürger"-Szene als besonders umtriebiger Milieumanager, der sich offen im Umgang mit rechtsextremistischen Akteuren zeige, antisemitischen Verschwörungserzählungen zugeneigt und sehr am Geld seiner Anhänger interessiert sei. In seinem Internetauftritt wirbt das "Königreich Deutschland" unter anderem mit Steuerfreiheit, bietet teure "Systemausstieg"-Seminare und wirbt für sogenannte "Gemeinwohldörfer".
Im vergangenen Jahr hat der ehemalige Koch und Karatelehrer Fitzek auch in Sachsen in Eibenstock und Bärwalde zwei Immobilien erworben. Dort sollen ein "Seminar- und Gesundheitszentrum" beziehungsweise eines der sogenannten "Gemeinwohldörfer" entstehen. Dafür hat Fitzek laut Brandenburger Verfassungsschutz eigens verschiedene Vereine ins Leben gerufen, die Immobilien und Land suchen. So solle bei Anfragen das Wirken des "Königreichs" verschleiert werden.
So ist es offenbar auch in Rutenberg gewesen. Hier haben die Abgesandten des "Königreichs" und Fitzek selbst im vergangenen Jahr den Kontakt zu einer Gruppe gesucht, die in der "Naturscheune" im Ort ansässig ist, nach eigenen Aussagen gemeinsam lebt und wirtschaftet im Einklang mit der Natur.
Bürgerinitiative und mobiles Beratungsteam
Markus Klein steht vor dem geschlossenen und etwas heruntergekommenen Rutenberger "Dorfkrug" gleich gegenüber der "Naturscheune". Klein ist Geschäftsführer des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung. Mit seinen mobilen Beratungsteams unterstützt er vornehmlich den Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und auch Bürgerinnen und Bürger, die in ihrem Ort die Demokratie in Gefahr sehen - so wie die Rutenberger es tun.
"Was wir gehört haben, ist dass das 'Königreich Deutschland' in Kombination mit der 'Naturscheune' hier diese Immobilie kaufen wollte", sagt Klein und weist auf den "Dorfkrug". So nah beieinander, das habe eine große Attraktivität für Veranstaltungen, die sich hier durchführen ließen. Allerdings sei das Geschäft nicht zustande gekommen, nachdem der Erbengemeinschaft klar geworden sei, mit wem sie es da zu tun habe.
Das "Königreich Deutschland" hatte offenbar auch Interesse an der Immobilie des "Dorfkrugs".
Seit diese Pläne des "Königsreichs" Ende 2022 in Rutenberg bekannt wurden, sind die Rutenberger alarmiert. Sie haben eine Bürgerinitiative gegründet, der sich schnell rund 40 Einheimische angeschlossen haben. Seither hängen nicht nur neben der Bushaltestelle Plakate. "Kehrt um! Reichsbürger euer 'Königsweg' ist eine Sackgasse" steht auf einem neben der Dorfkirche und "Der Kronsee braucht keinen König! Demokratie bewahren!" auf einem anderen.
Im Januar haben die Mitglieder der Initiative sogar eine Veranstaltung mit dem Brandenburger Verfassungsschutz organisiert, der dort seine Erkenntnisse zum "Königreich Deutschland" mit den Dorfbewohnern geteilt hat. Dazu haben sie auch die Bewohner der "Naturscheune" eingeladen.
Derzeit gebe es keine direkten Gespräche, nur schriftlichen Kontakt, sagt Karl Heinrich Deppe, der ebenfalls in der Bürgerinitiative aktiv ist. "Der Moment für ein unbefangenes, offenes Aufeinanderzugehen, der ist vorbei und mittlerweile haben wir so viele Erkenntnisse und Erlebnisse, dass für mich persönlich gesprochen da einfach kein Vertrauensverhältnis da ist", sagt der 56-Jährige zur Begründung. Der Potsdamer kommt seit zehn Jahren regelmäßig nach Rutenberg und hat hier seit 2021 zusammen mit seiner Frau ein Haus.
Karl Heinrich Deppe hat kein Vertrauen zu den neuen Bewohnern von Rutenberg.
Kontakte zum "Königreich Deutschland"
Die "Naturscheune" liegt mitten im Ort, umgeben von Gemüse- und Blumenbeeten. Neben und hinter dem Haus stapeln sich Bretter und Baumaterial, im Hof stehen Fahrräder und Wohnwagen. Ab und zu lässt sich jemand im Garten blicken. Eine junge Frau, die sich Cathy nennt, sagt, sie sei zurzeit mit ihrer Tochter hier und suche ein Leben im Einklang mit der Natur. Dass die Stimmung im Dorf so gegen sie sei, findet sie "superschade". Sie habe das Gefühl, dass da immer so viel verdreht werde.
Fragen zu etwaigen Verbindungen der "Naturscheune" zum "Königreich Deutschland" will sie zuerst nicht beantworten, sagt dann aber: "Es gibt in der Naturscheune ein Projekt, das WaGaBau heißt. Dieses WaGaBau-Projekt hatte eine Kooperation mit dem 'Königreich' für eine gewisse Zeit, die jetzt ausgesetzt ist, weil gewisse Absprachen nicht eingehalten wurden."
In der Bürgerinitiative hegen sie an Aussagen wie diesen ihre Zweifel. Sie wollen weiter wachsam sein.