Spitze eines Glockturms mit Kreuz.

Katholische Bischöfe und AfD Wie soll die Kirche mit Ehrenamtlichen umgehen?

Stand: 17.04.2024 12:38 Uhr

Für die katholischen Bischöfe ist klar: Völkisch-nationalistisches Gedankengut passt nicht zu ihrer Kirche. Im Saarland hat eine Gemeinde heute einen AfD-Politiker vom Kirchenamt ausgeschlossen.

Von Kristin Becker und Owusu Künzel, SWR

Christoph Schaufert ist raus - der Trierer Generalvikar Ulrich von Plettenberg hat den AfD-Politiker aus dem Verwaltungsrat der Kirchengemeinde St. Marien Neunkirchen im Saarland entlassen. So hat es heute das zuständige Bistum Trier verkündet.

Demnach sei die Mitgliedschaft in einem kirchlichen Gremium "nicht vereinbar mit einer die Partei 'Alternative für Deutschland' (AfD) repräsentierenden Funktion". Schaufert sitzt für die AfD im saarländischen Landtag und ist dort auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Den Ausschluss hatte die Pfarrei beantragt, der Generalvikar hatte nach eigenen Angaben ausführlich geprüft, "sowohl formal und juristisch wie auch inhaltlich", mit Experten und Expertinnen in und außerhalb der Diözese beraten und auch mit Schaufert selbst gesprochen.

Deutliches Urteil im Fall Schaufert

Inhaltlich sei vor allem die Erklärung der deutschen Bischöfe "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" vom Februar 2024 maßgeblich gewesen. Die Gemeinde hatte um den Ausschluss gebeten, weil es sich bei Schaufert "um einen hohen Funktions- und Mandatsträger" der AfD handele und er sich von extremistischen AfD-Positionen nicht öffentlich distanziere und dadurch der Ruf der Gemeinde Schaden erleide.

Das Urteil des Bistums fällt deutlich aus: Wer eine Partei vertritt, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Sprache, Religion oder Kultur diffamiere, beleidige, beschimpfe oder ihnen das Recht auf ein faires Asylverfahren verweigere und dadurch deren Menschenwürde angreife, sei im kirchlichen Dienst oder in einem Ehrenamt nicht mehr tragbar.

Fall in Baden-Württemberg

Der Umgang mit Ehrenamtlichen aus dem Umfeld der AfD ist ein schwieriges Terrain. Auch die Entscheidung von Gerd Möller, katholischer Pfarrer im baden-württembergischen Weil am Rhein, hat kürzlich Schlagzeilen gemacht.

Es geht um eine ehrenamtliche Helferin, Edith Tucci, die ab und an in örtlichen katholischen Kindergärten zum Puppenspiel vorbeikam. Der Pfarrer und die Kitaleitung wollen das nun nicht mehr. Der Grund: Tucci kandidiert für den Gemeinderat, und zwar auf der Wahlliste der AfD.

Christliches Menschenbild als Orientierung

Möller hält das für nicht vereinbar mit den Werten der katholischen Kirche - das christliche Menschenbild und das Bekenntnis zur Menschenwürde seien für ihn das "Leitbild". Die AfD mit ihren "völkisch-nationalistischen Tendenzen" und einem "ausgrenzenden Menschenbild" stünde dagegen. Auch Möller orientiert sich dabei an der Erklärung der deutschen Bischöfe.

Kerngeschäft Seelsorge und nicht Politik

Edith Tucci zeigt sich sehr enttäuscht über den Ausschluss von der ehrenamtlichen Mitarbeit, "weil ich in dem einen Kindergarten über 20 Jahre gearbeitet habe, die Kolleginnen sehr gut kenne und mir etwas mehr Rückgrat erwartet hätte". Das sagt die Rentnerin in einem Interview mit dem SWR kurz vor Ostern.

Sauer ist sie aber vor allem auf Pfarrer Möller. Für sie seien das "Kerngeschäft" der Kirchen die Seelsorge und das Verkünden des Evangeliums: "Ich finde es schwierig, wenn eine Kirche sich in politische Geschichten einmischt."

Evangelium in Gefahr?

Möller sieht das anders: "Wenn man sich positioniert, wird man angreifbar. Aber es wäre falsch, sich nicht zu positionieren, wenn das Evangelium in Gefahr ist." Die Bestrebungen von Parteien wie der AfD sieht der Geistliche als eine solche Gefahr. Teile der Partei werden vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Wenn jemand öffentlich für eine solche Partei antrete, passe das nicht zu seiner Kirche, findet der Pfarrer. Deshalb sei die Zusammenarbeit mit Tucci "ausgesetzt".

AfD-Kandidatur auch ohne Mitgliedschaft ein Problem

Edith Tucci ist nicht Mitglied der AfD. Aber ihre Kandidatur für die Wahlliste der AfD ist "ein klares Bekenntnis zu den Werten und Anliegen" der Partei, findet Pfarrer Möller. Sie stehe Parteien grundsätzlich skeptisch gegenüber, lässt Tucci wissen, aber die "traditionelle Familie" sei ihr sehr wichtig, da fühle sie sich von der AfD am Besten verstanden. Die Klima- und Verkehrspolitik der Regierung empfindet sie als "gängelnd" wie auch die Coronamaßnahmen der vergangenen Jahre.

Vor allem aber geht es ihr um das Thema Zuwanderung. Sie habe viele Jahre Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund gemacht, betont die ehemalige Erzieherin, aber es sei "ein Problem, wenn ein Land immer mehr überfremdet. Dann ist eine Integration, eine Assimilation überhaupt nicht mehr möglich - und wir sind ja in Deutschland schon an dem Punkt."

Auschluss vom Ehrenamt schwierig

Beim österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner sieht sie "vernünftige Ansätze", die Recherchen von Correctiv zum Treffen in Potsdam, bei dem Pläne zur massenhaften Ausweisung besprochen worden sein sollen, bezeichnet sie als "Riesenspektakel und Farce". Mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk will sie inzwischen nicht mehr reden.

Menschen vom Ehrenamt in der Kirche auszuschließen, ist ein schwieriger Vorgang, sagt Thomas Schüller. Vieles sei dabei - anders als etwa beim Umgang mit hauptamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen - bislang nicht geregelt, erläutert der Kirchenrechtler von der Universität Münster.

Rechtsgrundlage von Bischöfen gefordert

Die Erklärung der Bischofskonferenz sei erst einmal nur eine politische Positionierung gewesen. Wichtig sei das gewesen, aber es müssten nun auch klare Ansagen folgen, wie die Gemeinden damit umgehen sollen.

Schüller sieht die Bischöfe in der Pflicht, entsprechende Regeln aufzustellen, statt solche Entscheidungen auf die einzelnen Pfarreien abzuwälzen. Aktuell fehle in den meisten Diözesen eine "saubere Rechtsgrundlage". Lediglich die Bistümer Würzburg und Berlin hätten in ihren Satzungen Regelungen dazu.

Der Kirchenrechtler hält dabei nicht viel davon, explizit eine Partei zu benennen. Vielmehr sollte es bei der Frage, wen man ausschließt, um nachweisbare Äußerungen oder Verhalten gehen. Wenn sich jemand rassistisch, antisemitisch oder demokratieverachtend gebärde, sei die Parteizugehörigkeit egal.

Allerdings stehe jemand, der eine Kandidatur oder ein Mandat für eine bestimmte Partei übernehme, eben auch für eine "Identifikation mit der Partei als Ganzes" und deren Inhalten und könne sich dann nicht rausreden, wenn diese problematisch seien.

Konkrete Regelungen fehlen

Die Kirche könne Bedingungen stellen, wer ehrenamtlich mitarbeite, betont Schüller. Wenn man jemanden von einem Gremium ausschließe, sei aber wichtig, dass es für Betroffene einen Rechtsweg gebe, um sich gegen eine Entscheidung wehren zu können. Er kritisiert, dass viele Bischöfe sich um konkretere Regelungen drückten, weil sie den Konflikt scheuten.

Anders als im Fall Tucci, die selbst übrigens formell keiner Kirche mehr angehört, geht es bei Chistoph Schaufert um ein katholisches Ehrenamt, in das er gewählt wurde. Wie das Bistum Trier mitteilte, hat der AfD-Politiker das Recht gegen die Entscheidung innerhalb von zehn Tagen Beschwerde beim Bischof von Trier als Ordinarius einzulegen. Anschließend könne er sich zudem an die zuständige Behörde im Vatikan wenden.