Bätzing zum Fall Hengsbach "Alles muss auf den Tisch"
Es ist der erste deutsche Kardinal, dem Missbrauch vorgeworfen wird: Die Vorwürfe gegen Hengsbach sorgen für Entsetzen - auch in der Katholischen Kirche. Bischof Bätzing spricht von einer "neuen Qualität". Die Verunsicherung bei Gläubigen sei groß.
Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen den früheren Kardinal Franz Hengsbach sieht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, die katholische Kirche insgesamt in einer sehr schwierigen Situation. "Alles muss auf den Tisch", sagte der Limburger Bischof in Wiesbaden zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Bischöfe. "Nur so werden die Betroffenen zu ihrem Recht kommen."
Dem 1991 verstorbenen Hengsbach wird als erstem deutschen Kardinal sexualisierte Gewalt in mehreren Fällen in 1950er- und 1960er-Jahren vorgeworfen. Er soll minderjährige Jugendliche sexuell missbraucht haben - darunter eine damals 16-Jährige. Das Bistum Essen und das Erzbistum Paderborn, aus dem Hengsbach stammt, veröffentlichten vorige Woche die Anschuldigungen, die aus den Jahren 2022 und 2011 stammen.
Skulptur am Essener Dom abgebaut
Der bis heute populäre Gründerbischof des Bistums Essen hatte sich über drei Jahrzehnte vor allem als Anwalt der Bergleute im Ruhrgebiet profiliert. Heute wurde in Essen als Reaktion auf die Enthüllungen eine Skulptur des Kardinals vor dem Dom entfernt. Anstelle der Skulptur soll nun eine Gedenkstätte für Missbrauchsbetroffene entstehen.
Dass es die Vorwürfe gegen den "von den Menschen hochgeschätzten" und mit Statuen und Plätzen geehrten Kardinal Hengsbach gebe, sei eine neue Qualität, sagte Bätzing. Die Verunsicherung für Gläubige in diesem Bistum sei mit nichts zu vergleichen. Generationen von Menschen seien "durch ein verbrecherisches Verhalten eines solchen Bischofs" geprägt worden. "Das hat für mich eine Qualität, die wir bisher nicht hatten", erklärte der Vorsitzende der Konferenz.
Entschädigungen für Opfer "weiterhin geeignet"
Bätzing machte deutlich, dass er das bestehende kirchliche System der freiwilligen Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer weiterhin für geeignet hält. Das bestehende System biete viele Chancen, weil es sich an Urteilen der Gerichte orientiere, Widerspruchsmöglichkeiten für Betroffene biete und es zugleich ermögliche, Fälle ganz neu aufzurollen.
Allerdings sei durch ein Urteil des Landgerichts Köln zu Schmerzensgeldzahlungen für einen Betroffenen eine neue Situation entstanden. Das Landgericht Köln hatte im Juni das Erzbistum Köln zur Zahlung von 300.000 Euro an den ehemaligen Ministranten Georg Menne verurteilt.
Vor rund einer Woche hatte der Betroffenenbeirat bei der Bischofskonferenz die Bischöfe aufgefordert, das Entschädigungssystem zu reformieren. Sie müssten Rahmenbedingungen schaffen, die Zivilklagen von Betroffenen unnötig machten.
Trennung zwischen Kirche und AfD
Der Limburger Bischof ging während der Versammlung auch auf das Verhältnis zwischen Kirche und AfD ein. Ein Engagement in Kirche und AfD sei unvereinbar, sagte er. Das passe mit Blick auf das christliche Menschenbild nicht zusammen. Menschenverachtende oder demokratiefeindliche Positionen müsse die Kirche brandmarken. Ihre Aufgabe sei es, sich für ein weltoffenes, Europa zugewandtes und demokratisches Deutschland einzusetzen, so der Limburger Bischof.
Bätzing warnte angesichts wachsender Flüchtlingszahlen vor Abschottung. "Willkommenskultur hat sich nicht erledigt", sagte er. Es gelte, neu dafür zu werben, "dass die Fremden, die in unser Land kommen, nicht als Gefährdung oder Bedrohung angesehen werden". Für Christinnen und Christen sei es Pflicht, ihnen die Türen und die Herzen zu öffnen, fügte er hinzu.
Bis Donnerstag tagt die Bischofskonferenz in Wiesbaden-Naurod - eine Woche vor Beginn der in Rom tagenden Weltsynode. Die Vollversammlung der insgesamt 65 Diözesan- und Weihbischöfe startet mit einem Eröffnungsgottesdienst in der Wiesbadener Kirche St. Bonifatius. Vor dem Eröffnungsgottesdienst wollten Frauenverbände, Reformgruppen und Betroffenen-Initiativen mit einer Mahnwache für ihre Forderungen demonstrieren.