Menschenmenge

Studie zu Kommunen und Städten Wie gut integriert Deutschland?

Stand: 27.09.2023 10:14 Uhr

In Deutschland wird eine Wende in der Migrationspolitik diskutiert. Eine Studie hat jetzt untersucht, wie es mit der Integration und Teilhabe vor Ort läuft. Sie zeigt deutliche Unterschiede auf.

Die Studie des Mercator-Instituts und des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung kommt zu einem interessanten Zeitpunkt: In Deutschland wird gerade eine Wende in der Migrationspolitik diskutiert. Im Gespräch sind wieder Obergrenzen, auch von Integrationsgrenzen ist die Rede. Die Zeichen stehen auf mehr Abschottung und Steuerung als bislang. Gleichzeitig diskutiert Deutschland über die dringend benötigte Gewinnung von Fachkräften im Ausland. Ob Geflüchteter oder Fachkraft, am Ende müssen beide integriert werden.

Wie die Landkreise und Städte das umsetzen, hat eine Integrationsstudie unter der Überschrift "Alle sollen teilhaben. Wie Kreise und Städte Integration neu denken" untersucht. Dabei geht es um eine teilhabeorientierte Integrationspolitik. Eine Politik, die am Ende die Situation aller Beteiligten verbessern soll - die der Zugewanderten genauso wie die der Alteingesessenen und der Wirtschaft.

BDI: "Brauchen eine Willkommenskultur"

Die Studie zeigt, dass immer mehr Städte und Kreise das Thema ernst nehmen. Ernster als noch in den vergangenen Jahren. Zuwanderung und ein konstruktiver Umgang damit können nämlich dabei helfen, die demografischen Herausforderungen zu meistern, so das Fazit der Autoren. Da ist der Dorfladen oder die Apotheke, die schließen müssen, weil es nicht genügend Kunden gibt. Da ist der Bus, der nur noch zweimal am Tag kommt oder die Arztpraxis, die keine Nachwuchs findet.

"Das erfordert ein Umdenken, denn gerade strukturschwache Regionen sind bei Zuwandernden bislang wenig beliebt", so die Autoren. "Dabei müssten gerade die Regionen sich um neue Mitbürger aus dem Ausland bemühen."

Ein Umdenken hält auch BDI-Präsident Siegfried Russwurm im tageschau24-Interview für nötig. Der Manager schaut besorgt auf die derzeit in Deutschland laufende Debatte. Er weiß um den Arbeitskräftemangel und was er für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeutet. "Wir müssen als Land attraktiver werden, wir brauchen eine Willkommenskultur. Das fängt schon bei den Botschaften im Ausland an, die anders als bislang um die Zuwanderung von Arbeitskräften werden müssen."

Wie gelingt Teilhabe und Integration?

Von den 400 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland verfügen laut der Studie 221 bereits über ein Integrationskonzept. Auch der Landkreis Lippe in Nordrhein-Westfalen hat eines. Es geht den Verantwortlichen hier um die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, nicht nur einzelner Zielgruppen.

Deutlich wird das beim sogenannten "Wohnungsführerschein für ALLE in Lippe." Ein Projekt, das sich an Menschen widmet, die vor dem Umzug in die (erste) eigene Wohnung stehen und oft viele Fragen haben: Wie finde ich überhaupt eine Wohnung? Was muss ich beim Mietvertrag und den Versicherungen beachten? Wie vermeide ich hohe Nebenkosten? Und wie funktioniert das gleich mit der Mülltrennung?

Der Kreis hat Seminare organisiert, in denen all diese Fragen beantwortet werden. Bei Bedarf kommt ein Übersetzer hinzu. Die Fäden zieht in Lippe das örtliche "Kommunale Integrationszentrum", das von Alexandra Steeger geleitet wird. "Diese Integrationszentren gibt es so nur in NRW", sagt sie. "Wir haben im Jahr 2013 mit sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angefangen, mittlerweile sind wir 26."

Konzepte: In der Stadt die Regel, auf dem Land seltener

So wie im Kreis Lippe hat sich in den vergangenen Jahren vor allem in den ländlichen Regionen viel getan beim Thema Integration und Teilhabe - einfach weil sich die Situation geändert hat. Auch das zeigt die Studie: "Lange sahen Landkreise und Gemeinden in entlegenen Regionen keinen Bedarf für Integrationskonzepte oder es fehlte der politische Wille."

Mit dem wachsenden Anteil von Zugewanderten auch in diese Regionen habe sich das geändert. Noch immer sei es aber so, dass in urbanen Regionen deutlich mehr Integrationskonzepte vorliegen als in ländlichen Regionen.

Unterschiede zwischen den Ländern

Deutliche Unterschiede gibt es aber nicht allein zwischen Stadt und Land. Auch die einzelnen Bundesländer gehen das Thema höchst unterschiedlich an. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg hatten 2021 mehr als zwei Drittel der Kreise und kreisfreien Städte ein Integrationskonzept erarbeitet. In den südlichen Ländern Bayern und Baden-Württemberg sowie in Rheinland-Pfalz und dem Saarland war der Anteil dagegen deutlich geringer. "Die Landespolitik im Freistaat Bayern hat bislang keine Anreize oder gar Verpflichtungen geschaffen, um für mehr Integrationskonzepte zu sorgen."

Besondere Erwähnung in der Studie findet Nordrhein-Westfalen. Dort haben alle Landkreise und kreisfreien Städte mit der Einführung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes im Jahr 2012 neue Konzepte oder ähnliche Dokumente entwickelt. Diese werden vom Land finanziell gefördert.

Weil andere Bundesländer weniger weit sind, fordert Catherina Hinz vom Berlin-Institut Landräte und Oberbürgermeister auf, ebenfalls Integrationskonzepte zu entwickeln und dann auch umzusetzen. "Sie sollten Zuwanderung als Chance begreifen und teilhabeorientierte Integrationspolitik als Instrument verstehen, das Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft zu gestalten."