Olaf Scholz

Holocaust-Gedenktag Scholz ruft zum Kampf gegen Antisemitismus auf

Stand: 27.01.2024 08:52 Uhr

Bundesweit wird heute an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Kanzler Scholz sowie Vertreter von Verbänden und Kirchen nahmen den Gedenktag zum Anlass, für mehr Entschlossenheit im Kampf gegen rechten Hass und Hetze zu werben.

Anlässlich des Holocaust-Gedenktags hat Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem entschlosseneren Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus aufgerufen. In seiner Videobotschaft "Kanzler kompakt" erinnerte der SPD-Politiker an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 79 Jahren und an die Millionen Opfer des Nationalsozialismus.

Die Demokratie resultiere aus der Verantwortung, die sich aus der deutschen Geschichte ergebe und aus dem Bekenntnis "Nie Wieder". "Nie wieder Ausgrenzung und Entrechtung, nie wieder Rassenideologie und Entmenschlichung, nie wieder Diktatur. Dafür zu sorgen ist die zentrale Aufgabe unseres Staates", so Scholz. Deswegen müsse der Staat "jede Form von Antisemitismus, Terrorpropaganda und Menschenfeindlichkeit" bekämpfen.

Olaf Scholz, SPD/Bundeskanzler, ruft am heutigen Holocaust-Gedenktag zum Kampf gegen Antisemitismus auf

tagesschau, 27.01.2024 13:45 Uhr

"Unser Land ist gerade auf den Beinen"

Doch der Grundsatz "Nie wieder" richte sich nicht nur an den Staat, sagte Scholz weiter: "'Nie wieder'  fordert die Wachsamkeit aller. Unsere Demokratie ist nicht gottgegeben. Sie ist menschengemacht." In diesem Zusammenhang würdigte der Kanzler erneut den bundesweiten Protest Hunderttausender Menschen gegen rechts in den vergangenen Wochen. "Unser Land ist gerade auf den Beinen. Millionen Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Straße - für Demokratie, für Respekt und Menschlichkeit", sagte Scholz in seiner Videobotschaft weiter.

Gerade angesichts des EU-weiten Zulaufs für Rechtspopulisten, "die Angst schüren und Hass säen" und angesichts von Berichten über "Neonazis und ihre dunklen Netzwerke" sei es umso wichtiger, die Demokratie zu verteidigen. Darum müssten die Menschen sichtbar und hörbar bleiben - "gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Menschenhass und für unsere Demokratie", forderte Scholz.

Auschwitz Komitee fordert härteres Vorgehen

Ebenso wie Scholz haben weitere Politiker sowie Vertreter von Religionsgemeinschaften und Verbänden den Gedenktag zum Anlass genommen, die Bedeutung der Erinnerungskultur hervorzuheben und vor einem Erstarken rechtsextremer Kräfte zu warnen.

Außenministerin Annalena Baerbock rief dazu auf, Lehren aus den Gräueltaten der Nationalsozialisten zu ziehen. "Nazi-Deutschland hat alle Wunder erstickt und die Welt in den Abgrund der Menschlichkeit schauen lassen. Es ist an uns Lebenden, aus der Verantwortung für unsere Vergangenheit heraus unsere Gegenwart zu gestalten", erklärte Baerbock im Onlinedienst X, ehemals Twitter. "Nie wieder ist jetzt." 

"Anfänge des Nationalsozialismus nicht vergessen"

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nutzte den bevorstehenden Gedenktag um vor einer Zunahme judenfeindlicher Haltungen zu warnen. "In Deutschland und auch in Niedersachsen erleben wir leider einen wieder deutlich zunehmenden Antisemitismus", sagte Weil. Umso wichtiger sei es, die Erinnerung wach zu halten. "Wir dürfen die Anfänge des Nationalsozialismus nicht vergessen."

Diese Auffassung teilt auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und erklärte, "eine Erinnerung ohne die Verpflichtung im Hier und Jetzt zu handeln und alles dafür zu tun, dass solches Unrecht nie wieder geschieht", bleibe "unvollkommen".

"Gerade jetzt, wo manche dieses Menschheitsverbrechen verharmlosen oder vergessen wollen, müssen wir die Erinnerung wachhalten. Wir müssen weitertragen, was uns die letzten noch lebenden Zeitzeugen mitgegeben haben", erklärte auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die an der Gedenkstunde im ehemaligen Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück teilnehmen wird. Sie ordnete am Morgen Trauerbeflaggung an den Dienstgebäuden des Bundes an.

Zentralrat der Juden betont Bedeutung der Gedenkstätten

Das Internationale Auschwitz Komitee forderte unterdessen ein härteres Vorgehen gegen rechtsextreme Strukturen in Deutschland und Europa. Netzwerke von Verschwörungslügnern und Hetzern habe man viel zu lange gewähren lassen, kritisierte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner. Die damit verbundene Bedrohung des Rechtsstaates habe man unterschätzt. Erneut wuchere "menschenfeindlicher und antisemitischer Hass in vielen Ländern Europas", so Heubner. Gerade deshalb seien die Überlebenden den Hunderttausenden Menschen dankbar, die sich in diesen Tagen dem Vergessen entgegenstellten.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hob indes die wichtige Rolle der Gedenkstätten und ehemaligen Vernichtungslager hervor, die einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Erinnerung an den Holocaust leisteten. Die Stätten stärkten "unsere lebendige Demokratie", betonte Präsident Josef Schuster und forderte eine angemessene Förderung der Institutionen.

"Diese pädagogische Arbeit muss von Bund und Ländern ausreichend finanziell ausgestattet werden, um den hohen Anspruch an Gedenkstättenbesuche gerecht zu werden", sagte Schuster. Mit den schwindenden Zeugen des Holocausts rückten die Gedenkstätten noch stärker in den Fokus. "Sie sind für das Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft unentbehrlich."

Kirchenvertreter: Soziales Klima vergiftet

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erklärte, die Erinnerung an den Holocaust sei nicht nur ein Rückblick, sondern mache deutlich, dass Würde und Rechte jedes Menschen zu achten seien.

Bätzing sagte, die rechtspopulistische Propaganda habe zuletzt wesentlich zur Vergiftung des sozialen Klimas beigetragen: "Manche Beiträge zur Debatte um Migration und Integration sind von Fremdenfeindlichkeit, wenn nicht gar Rassismus geprägt." Es sei für ihn aber eine ermutigende Erfahrung, dass in den vergangenen Wochen Hunderttausende Personen auf die Straßen gegangen seien, um gegen die soziale Ausgrenzung von Menschen und für den demokratischen Rechtsstaat einzutreten, erklärte der Limburger Bischof.

Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus

Am Samstag wird international der Opfer des Holocaust gedacht. In Deutschland ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus seit 1996 ein gesetzlich verankerter Gedenktag. Er erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau vor 79 Jahren, am 27. Januar 1945. In der Bundesrepublik sind zahlreiche Kranzniederlegungen und Gedenkveranstaltungen geplant.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 27.01.2024 09:59 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 26. Januar 2024 um21:45 Uhr.