Förderung für Schulen läuft aus Bund und Länder ringen um zweiten Digitalpakt
Tablets, digitale Tafeln, WLAN in Schulen: Der Digitalpakt zwischen Bund und Ländern wurde gut angenommen, heute läuft er aus. Ein neuer Pakt soll kommen, aber Bund und Länder sind sich nicht einig.
Der 11-jährige Liam geht gerne zur Schule. Der Unterricht in der vierten Klasse an der Berliner Grundschule in Friedrichshain ist jetzt digitaler: "Bei uns ist das mit Whiteboard." Aber auch Laptops kommen zum Einsatz. Liam findet das "cool".
Mit dazu beigetragen hat auch der "Digitalpakt Schule 1.0" zwischen Bund und Ländern, ein Förderprogramm aus dem Jahr 2019. Denn nicht erst seit der Pandemie ist bekannt, dass die Digitalisierung an Schulen hinterherhinkt. Mit dem Pakt wurden 6,5 Milliarden Euro bis jetzt bereitgestellt: für WLAN in den Schulen oder Tablets statt Tafeln. 90 Prozent der Mittel wurden vom Bund finanziert, zehn Prozent von den Ländern.
Digitale Tafeln und Tablets ...
Heute läuft der erste Digitalpakt aus. Vom Bundesbildungsministerium heißt es auf Nachfrage: Mehr als 90 Prozent des Geldes ist inzwischen fast vollständig abgerufen worden, also bereits verplant oder ausgegeben. Eine stichprobenartige ARD-Abfrage bei den Bundesländern ergab zudem: Das Geld wurde größtenteils für die Anschaffung digitaler Geräte verwendet. Ihr Fazit: Der Digitalpakt hat zum Digitalisierungsschub an Schulen geführt.
... aber mancherorts fehlt das WLAN
Die Lage ist je nach Bundesland oder Kommune aber sehr unterschiedlich. Immer noch gibt es Schulen, die nicht über WLAN verfügen. "Denn der Digitalpakt sorgt für das schnelle Internet ab der Bordsteinkante. Wenn aber bis zur Bordsteinkante kein schnelles Internet oder gar keins vorhanden ist, dann läuft da nichts", so der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, im Interview mit tagesschau.de.
Bund und Länder streiten über zweiten Digitalpakt
Es braucht einen zweiten Digitalpakt - darin sind sich Bund und Länder einig. Doch seit Monaten wird darüber gestritten, wie dieser auszusehen hat. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat konkrete Vorstellungen in einem Entwurf festgehalten, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Darin heißt es, dass sich der Bund nicht mehr wie bisher mit 90 Prozent an der Finanzierung beteiligen will, sondern dass sich Bund und Länder die Kosten je mit 50 Prozent aufteilen.
Wie viel Geld für den zweiten Digitalpakt bereitliegt, bleibt offen. Starten soll er 2025, doch er hat auch ein Enddatum: 2030. Im Entwurf ist die Rede von einer "letztmalige[n] Unterstützung des Bundes".
Lehrerfortbildung soll verpflichtend werden
Hinzu kommt: Der Bund will den Ländern beim nächsten Digitalpakt mehr Vorgaben machen als bisher. Die digitale Ausstattung der Schulen sei das eine, digitale Kompetenzen von Lehrern das andere. Daher nennt der Entwurf des Ministeriums als Voraussetzung für den nächsten Pakt auch eine digitale Qualifizierung von Lehrern: 30 Stunden Fortbildungen sollen verpflichtend sein. Gegenüber tagesschau.de meint Stark-Watzinger: "Der Digitalpakt 2.0 darf nicht zu einer reinen Bestellliste für Endgeräte werden. Lehrkräfte sind für gute digitale Bildung zentral und brauchen entsprechende Fortbildung."
Das stößt bei den Bundesländern auf Kritik. In einem Positionspapier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, fordern die Länder genau das Gegenteil: Sie wollen unter anderem die bisherige Finanzaufteilung (90:10) beibehalten. Mit der Pflicht zu Fortbildungen überschreite der Bund seine Kompetenzen. Dass der Digitalpakt zudem ein Enddatum hat, wollen die Länder nicht hinnehmen. In dem Papier heißt es, die digitale Transformation sei eine gesamtstaatliche und dauerhafte Aufgabe, die "partnerschaftlich anzuerkennen" sei.
Vertrauensverhältnis zerrüttet
Im Interview mit tagesschau.de betont Christine Streichert-Clivot (SPD), saarländische Kultusministerin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK): Es bestehe vor allem über das Budget Gesprächsbedarf. Sie macht sich Sorgen um den Digitalpakt, denn Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat allen Ministerien einen Sparkurs vorgegeben.
Die weit auseinanderliegenden Vorstellungen von Bund und Ländern verdeutlichen: Das Vertrauensverhältnis bei der Bildung ist tief zerrüttet. Streichert-Clivot sagt: "Ich habe die Bundesministerin eingeladen in die KMK, die im Saarland stattfindet im Juni, sie hat die Einladung leider abgelehnt, was ich sehr bedauere."
Im Kern dreht sich alles um den Bildungsföderalismus: Der Bund will nicht nur als Geldgeber fungieren, mehr Mitspracherecht haben. Die Länder hingegen wehren sich, Kompetenzen abzugeben.
Lehrerpräsident fordert andere Finanzaufteilung
Daher fordert Lehrerpräsident Stefan Düll: Es müsse darüber nachgedacht werden, die Finanzaufteilung generell zu ändern. Wenn der Bund immer mehr in Länderaufgaben mit seinem Geld eingreife, zeige das: Die Länder und Kommunen hätten zu wenig. "Es wäre vielleicht doch vernünftiger, das Geld gleich bei den Kommunen zu belassen und nicht erst an den Bund abzuführen." Denn es sind letztlich die Kommunen, die als Schulträger für die Beschaffung digitaler Geräte verantwortlich sind.
"Schule darf kein analoger Kosmos bleiben“
Für Ralph Müller-Eiselt, Vorstand des gemeinnützigen Vereins "Forum Bildung Digitalisierung", darf die Digitalisierung an Schulen nicht unter dem Bund-Länder-Kampf leiden. In Zeiten digitaler Desinformation sei es wichtig, auf eine digital vernetzte Welt vorbereitet zu sein. "Wenn sich die Lebenswelt verändert, darf Schule kein analoger Kosmos bleiben, sondern muss sich mit den digitalen Entwicklungen und Phänomen aktiv auseinandersetzen."
Sich damit auseinandersetzen will auch Viertklässler Liam in Berlin. Er will später einmal Autoerfinder werden, denn für ihn steht fest: Seine Zukunft ist digital.