Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Finanzminister Olaf Scholz in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Analyse

Kanzlerkandidat Scholz Die Fehler der Anderen

Stand: 21.07.2021 11:47 Uhr

Während sich Baerbock und Laschet im Wahlkampf Schwächen leisten, hält sich Kanzlerkandidat Scholz unbeschadet. Plötzlich sind für die SPD die Grünen wieder in Reichweite - und damit zumindest eine theoretische Machtoption.

Eine Analyse von Nils Crauser, ARD-Hauptstadtstudio

Im Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit galt Kanzlerkandidat Olaf Scholz zuletzt als abgeschlagen. Der Dreikampf ums Kanzleramt war mehr ein Zweikampf. Fast alles konzentrierte sich auf seine beiden Widersacher: die grüne Konkurrentin Annalena Baerbock und Unions-Kandidat Armin Laschet. Nicht alles davon waren positiv Berichte, im Gegenteil - aber Scholz kam medial fast gar nicht vor.

Doch spätestens seit seinem letzten großen Auftritt auf internationaler Bühne vor der Bundestagswahl ist Scholz wieder da. Beim G20-Treffen in Venedig vergangene Woche konnte er sich auch ein wenig selbst auf die Schulter klopfen, die geplante globale Steuerreform entscheidend mitvorangetrieben zu haben.

Im Rennen um das Kanzleramt will Scholz vor allem mit seiner Regierungserfahrung punkten und so den noch immer großen Rückstand aufholen. Was lange als hoffnungsloses Unterfangen gewertet wurde, ist zuletzt angesichts der Schwächen der Anderen wieder realistischer geworden - und es keimt ein wenig Hoffnung in der SPD auf.

Finanzminister Olaf Scholz beim G20-Treffen in Venedig.

Finanzminister Olaf Scholz beim G20-Treffen in Venedig.

Scholz als Krisenmanager

Die Flutkatastrophe bot Scholz die Chance, als besonnener Krisenmanager aufzutreten. Bewusst präsentierte er sich nicht als Kanzlerkandidat, als er am vergangenen Donnerstag gemeinsam mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer Ahrweiler besuchte. Er kam als Vizekanzler und Finanzminister in die Krisenregion, in Vertretung für Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu dem Zeitpunkt in den USA war.

Scholz sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus, den Menschen vor Ort sagt er schnelle und unbürokratische Hilfe zu. Als erste Soforthilfe sollen 400 Millionen Euro fließen. Heute legte der Finanzminister die Pläne für die Soforthilfe im Kabinett vor. Möglichst noch im Juli sollten die ersten Hilfen an die Betroffenen gehen.

"Scholz kommen jetzt seine Ruhe und Sachlichkeit zugute", sagt der Politikwissenschaftler und Redakteur der "Blätter für deutsche und internationale Politik", Albrecht von Lucke. "Das ist in der Krise offensichtlich auch schon ein Qualitätsmerkmal."

Am meisten profitiere Scholz aber von der schwachen Performance seiner Konkurrenz. Laschets Agieren sei schon in der Corona-Krise oft unglücklich gewesen, die Bilder vom im Hintergrund lachenden Laschet im Hochwassergebiet nennt von Lucke "desaströs". Schon vorher sei seine Autorität angekratzt gewesen. "All das wird nun in fataler Weise durch Laschets Lachanfall wieder hervorgeholt, der für die rheinische Frohnatur, aber nicht für die erforderliche Ernsthaftigkeit und Kanzlertauglichkeit spricht", so von Lucke.

Der lachende Dritte?

Die Grünen-Kandidatin Baerbock hat sich in der Flutkatastrophe nach Auffassung von Luckes hingegen eigentlich geschickt verhalten: "Sie widerstand der Versuchung, Profit aus der Krise zu schlagen und zu offensiv einen kausalen Zusammenhang zwischen der Flut und dem Klimawandel herzustellen." Nur bringe ihr das nichts.

Ohne Exekutivmacht, ohne ein entsprechendes Amt, habe sie nicht die Möglichkeit gehabt, so aufzutreten, wie speziell Laschet als Landesvater das eigentlich könnte. So aber würden das Frisieren ihres Lebenslaufs und der Wirbel um die abgeschriebenen Buchpassagen nicht in Vergessenheit geraten, sondern den Wahlkampf der Grünen weiter belasten.

Verbesserte Umfragewerte

Scholz' eigene Umfragewerte waren für ihn schon bisher nicht das größte Problem, haben sich im Vergleich zu Laschet und Baerbock aber weiter verbessert. Aber selbst wenn Scholz gestärkt aus der Krise hervorgeht, bleiben die schlechten Werte der SPD. Trotzdem gibt es eine Machtoption. Dabei gehe es jetzt um das Rennen um Platz zwei, so von Lucke. Die CDU werde sehr wahrscheinlich am Ende klar vorne liegen. Aber nach den jetzigen Entwicklungen sei es nicht ausgeschlossen, dass die SPD an den Grünen noch vorbeiziehe.

Sollte es Scholz tatsächlich gelingen, mit der SPD über 20 Prozent zu klettern und die Grünen zu überholen, dann käme - neben Schwarz-Grün - auch eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP in Frage. Die FDP lehnt dieses Bündnis bisher zwar ab. Allerdings primär aus wahltaktischen Gründen, so von Lucke. Nach der Wahl könne die Versuchung der Macht Christian Lindner und seine Partei durchaus noch zur Beteiligung an der Ampel veranlassen.

Bis zum Wahltag und den anschließenden Koalitionsverhandlungen kann also noch viel passieren. Und für Scholz bleibt die vage Hoffnung, am Ende doch noch mit Ruhe und Gelassenheit ins Kanzleramt einzuziehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. Juli 2021 um 12:26 Uhr.