Jan Böhmermann bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises.

Böhmermann kritisiert Kanzlerin "Sie hat mich Erdogan zum Tee serviert"

Stand: 03.05.2016 14:57 Uhr

Erst war das "Schmähgedicht" von ZDF-Moderator Böhmermann über den türkischen Präsidenten Erdogan. Dann kam das große Schweigen von Böhmermann und Merkels "Ja" zu Ermittlungen gegen den Satiriker. Jetzt kritisiert er die Kanzlerin: "Sie hat mich Erdogan zum Tee serviert".

ZDF-Moderator Jan Böhmermann hat sein wochenlanges Schweigen zur "Schmähgedicht"-Affäre gebrochen. In einem "Zeit"-Interview kritisiert er nun die Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihr Verhalten nach der Veröffentlichung seines Textes über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie dürfe nicht wackeln, wenn es um Meinungsfreiheit gehe "Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai WeiWei aus mir gemacht", sagte der ZDF-Moderator und Grimmepreisträger in einem Interview mit der Wochenzeitung "Zeit".

Böhmermann hatte Ende März in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" auf ZDF neo ein "Schmähgedicht" vorgetragen. Die türkische Regierung verlangte von der Bundesregierung die Strafverfolgung auf Grundlage des Paragrafen 103 im Strafgesetzbuch. Bundeskanzlerin Merkel wertete das Gedicht zunächst als "bewusst verletzend". Später sagte sie, sie ärgere sich, dass sie Böhmermanns Text früh so bewertet habe. Dadurch sei der Eindruck entstanden, sie verteidige die Meinungs- und Pressefreiheit nicht mehr so wie früher. Das sei nicht der Fall. Die Bundesregierung genehmigte die Strafverfolgung. Erdogan wählte zusätzlich einen weiteren Weg, gegen Böhmermann vorzugehen und stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

Aus dem Strafgesetzbuch (StGB)

§ 103 Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten
(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen.
[...]

§ 104a Voraussetzungen der Strafverfolgung
Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.

Anmerkung zu § 103 von ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam: "Beim Lesen von § 103 StGB könnte man über die Formulierung 'im Inland aufhält' stolpern und denken: Erdogan war doch gar nicht in Deutschland, die Vorschrift passt gar nicht. Sie passt aber doch. In den juristischen Kommentaren zum Strafgesetzbuch ist ausdrücklich klargestellt: Der Aufenthalt im Inland bezieht sich nur auf die zweite Alternative 'Mitglied einer ausländischen Regierung', nicht auf das zuerst genannte 'ausländische Staatsoberhaupt'."

Satirische Nummer mit dramatischen Konsequenzen

Im "Zeit"-Interview erklärte Böhmermann weiter, er habe versucht, seinen Zuschauern "anhand einer knapp vierminütigen satirischen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert". Das Gedicht sei "nur ein Teil der Nummer und sollte nicht aus dem Zusammenhang gerissen und einzeln betrachtet werden", betonte der Satiriker.

Nach wie vor hält Böhmermann "die Nummer" für "wahnsinnig gut". Es wäre aber besser gewesen, wenn sie nicht von ihm gewesen wäre, so seine Einschätzung heute. Denn der Fall habe für ihn und seine Familie "dramatische und ganz reale Konsequenzen" gehabt.

Mehrere Wochen lang hatte er keine öffentlichen Auftritte. Am 11. Mai will er die nächste Ausgabe seiner Sendung "Neo Magazin Royale" aufzeichnen. Sie soll einen Tag später ausgestrahlt werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandradio Wissen am 03. Mai 2016 um 19:41 Uhr