Interview

Umweltminister Altmaier bei Weltklimakonferenz in Doha "Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis"

Stand: 06.12.2012 14:35 Uhr

Heftige Kritik an der Weltklimakonferenz hatte Bundesumweltminister Peter Altmaier bereits vor seiner Reise nach Doha geübt. Jetzt stellt er im Interview mit tagesschau.de den UN-Prozess zum Klimaschutz infrage. Er fordet neue Diskussionsstrukturen und Entscheidungswege.

tagesschau.de: Sie hatten vor Antritt Ihrer Reise nach Doha kritisiert, dass es hier bislang "allerorten an politischem Willen" fehle. Haben Sie jetzt, wo Sie hier sind, mehr politischen Willen entdecken können?

Peter Altmaier: Nein, ich habe bislang keinen Grund, meine Einschätzung zu revidieren. Es gibt Gespräche auf allen Ebenen, um wenigstens bei den Arbeitsdokumenten voranzukommen, aber es gibt bisher an keiner Stelle einen Durchbruch.

tagesschau.de: Ein besonders unwilliges Land ist Polen. Polen weigert sich zuzustimmen, dass sich die EU ein höheres Ziel zur Reduktion von Emissionen setzt, nämlich 30 statt 20 Prozent bis 2020. Sie hatten gesagt, "wir als Europäer sind auch ohne Polen imstande, uns in Doha zu den 30 Prozent zu bekennen". Wie soll dieses Bekenntnis aussehen?

Altmaier: Wir möchten erreichen, dass die Europäische Union wesentlich ehrgeiziger als bisher an den Klimaschutz herangeht. Wir haben die 20 Prozent, die wir zugesagt haben, fast schon erreicht und deshalb brauchen wir für die nächsten acht Jahre ein neues Ziel. Wann wir das schaffen und wie wir das schaffen, das steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest.

tagesschau.de: Sie haben das Tempo des internationalen Klimaschutzes als "absolut unzureichend" kritisiert. Aber ist es nicht auch schlicht unmöglich, in so einem Rahmen mit 194 Ländern am Tisch etwas zu erreichen?

Altmaier: Es wird jedenfalls von Jahr zu Jahr schwieriger. Der Aufwand für diese Konferenzen ist sehr groß und steht nicht immer in einem Verhältnis zum Ertrag. Deshalb brauchen wir neue Diskussionsstrukturen und neue Wege der Entscheidungsfindung. Ich habe dazu schon Vorschläge gemacht, mit dem Club der Erneuerbare-Energien-Staaten. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass wir stärker dazu kommen, dass einzelne Gruppen von Staaten Beauftragte benennen, die im Vorfeld dann untereinander diese Fragen so klären, dass nicht jedes einzelne Land dabei sein muss, aber trotzdem seine Interessen gewahrt sind.

"Wir brauchen politischen Willen, die Energiewende weltweit umzusetzen"

tagesschau.de: Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Klimaschutz im Rahmen der Gruppe der acht größten Industrienationen, G8, der G20 als Gruppe der zwanzig größten Industrie- und Schwellenländer oder dem von den USA initiierten Major Economies Forum zu behandeln?

Altmaier: Ich glaube, dass wir den Klimaschutz im internationalen Bereich generell stärker zur Kenntnis nehmen müssen. Deshalb gehört er auf die Tagesordnung all dieser Gremien, der G8 genau wie der G20.

tagesschau.de: Die von Ihnen angesprochen neue Allianz von Ländern, die jeweils in ihrem Land eine Energiewende vorantreiben, soll neue politische Akzente setzen – also eine Akzentverlagerung weg von den UN-Klimakonferenzen?

Altmaier: Bei den erneuerbaren Energien ist es so, dass es dafür keinen vernünftigen UN-Rahmen gibt. Mit der internationalen Organisation für erneuerbare Energien IRENA haben wir eine Agentur, die ordentliche Arbeit leistet, aber wir brauchen politischen Willen, die Energiewende weltweit umzusetzen. Und das kann nur gelingen, wenn eine Gruppe von Staaten vorangeht.

tagesschau.de: Sie hatten beklagt, dass während in Doha geredet wird, der Meeresspiegel weiter steigt. Steigt er durch eine Einigung in Doha auch nur einen Millimeter weniger?

Altmaier: Das wäre zu wünschen, aber überzeugt bin ich davon noch nicht.

Das Interview führte Andrea Rönsberg, Deutsche Welle.