G7 berät über Epidemie Wann kommt der Ebola-Impfstoff?

Stand: 05.06.2015 16:26 Uhr

Fast eineinhalb Jahre liegt der Ausbruch der Ebola-Epidemie zurück. Und noch immer gibt es weder ein wirksames Medikament noch einen Impfstoff. Beim G7-Gipfel soll das Thema deshalb im Fokus stehen. tagesschau.de mit einem Überblick zum Stand der Forschung.

Von Sandra Stalinski, tagesschau.de

Mindestens 11.000 Menschen sind dem Ebola-Virus seit dem Ausbruch in Westafrika Ende 2013 zum Opfer gefallen. Etwa 27.000 Krankheitsfälle hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bislang registriert. Weil nicht jede Erkrankung gemeldet wird, dürften die tatsächlichen Zahlen jedoch noch weitaus höher liegen. Zwar sinkt die Zahl der Neuinfektionen inzwischen, Liberia wurde Anfang Mai für Ebola-frei erklärt. Doch in Guinea und Sierra Leone stecken sich nach wie vor zahlreiche Menschen an.

Wie weit ist die Suche nach einem Impfstoff?

Derzeit laufen Studien zur Wirksamkeit von Impfstoffen in den betroffenen afrikanischen Staaten, aber auch etwa in Deutschland, der Schweiz und den USA. Zehntausende Menschen in Liberia und Sierra Leone sind Probanden. Zwei große dieser Studien befinden sich bereits in der letzten Testphase vor dem Zulassungsantrag (Phase III-Studien). Das heißt, die Wirksamkeit des Impfstoffs wird am Menschen getestet. Regierungsinstitutionen arbeiten dabei eng mit Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen und Pharmaunternehmen zusammen.

Erfolg versprechen derzeit vor allem zwei mögliche Impfstoffe: ChAd2-ZEBOV vom Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline und rVSV-ZEBOV von NewLink Genetics, das ursprünglich von der kanadischen Gesundheitsbehörde entwickelt wurde. Ersterer ist ein sogenannter Vektorimpfstoff, bei dem ein Schimpansen-Adenovirus abgeschwächt und mit Antigenen des Ebola-Virus ausgestattet wurde. Der kanadische Wirkstoff ist ein abgeschwächtes, dem Tollwuterreger verwandtes Virus, das mit speziellen Oberflächen-Proteinen von Ebola versehen wurde. Beide Mittel sollen bei den Geimpften eine vorbeugende Immunreaktion auslösen. Infizieren sie sich später mit dem Ebola-Virus, kann der Körper es wesentlich besser abwehren.

Wie weit ist die Forschung bei Medikamenten gegen Ebola?

Die umfangreichste Studie läuft zur Zeit in Guinea mit dem Grippe-Medikament Favipiravir. Es wirkt nach bisherigen Erkenntnissen von Ärzte ohne Grenzen jedoch nur eingeschränkt: Je höher die sogenannte Viruslast bei den Patienten ist, desto geringer sind die Heilungschancen. Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen würden zudem kaum profitieren.

Auch an Forschungen mit Blutplasma von Überlebenden ist Ärzte ohne Grenzen in Guinea beteiligt. Das Blutplasma wird Infizierten gespritzt, weil man sich erhofft, dass darin enthaltene Antikörper das Ebola-Virus bekämpfen könnten. Bislang gibt es aber noch keine abschließenden Erkenntnisse, ob das funktioniert, sagt Philipp Frisch von Ärzte ohne Grenzen im Gespräch mit tagesschau.de.

Größere Hoffnungen setzen die Mediziner auf ZMapp, einen Mix aus drei Antikörpern. Eine umfangreiche Studie war bisher allerdings nicht möglich, weil die Produktion von ZMapp - die Antikörper werden aus Tabakpflanzen gewonnen - langwierig ist und es bislang zu wenige Dosen gab.

Warum kommt die Forschung nur so langsam voran?

Ein Grund ist, dass die Forschung zu Ebola in der Vergangenheit extrem vernachlässigt wurde, weil sie sich für die Pharmaindustrie nicht lohnte. Da Ebola eine vergleichsweise seltene Krankheit ist, die vor allem in ärmeren Ländern vorkommt, sind hier keine großen Gewinne zu erzielen. "Zwar wurde schon seit vielen Jahren in öffentlichen Institutionen an einem Ebola-Impfstoff geforscht", sagt der Marburger Ebola-Forscher Stephan Becker. Allerdings sei es nie zu klinischen Studien gekommen, weil niemand mit einem solchen Ausbruch wie in Westafrika gerechnet hatte.

Zum anderen behindert paradoxerweise das Abebben der Epidemie die Forschung. Denn die Wirksamkeit am Menschen kann man nur während eines Ebola-Ausbruchs testen, weil sich sonst nicht mehr genügend Probanden finden, um die Studien zu abzuschließen.

Wann könnten Impfstoff oder Medikamente zur Verfügung stehen?

Bis zum Herbst hoffen die Mediziner auf erste belastbare Ergebnisse einzelner Studien. Insbesondere bei den beiden erfolgversprechenden Impfstoffen könnte es bald einen Durchbruch geben. Im Gespräch sind beschleunigte Zulassungsverfahren, bei denen die Wirksamkeit des Impfstoffes an Tieren getestet wird. Zumindest die US-Zulassungsbehörde erlaubt eine solche Ausnahmeregelung. Dann könnte der Impfstoff auf den Markt kommen, und die Studien zur Wirksamkeit müssten bei einer erneuten Ebola-Welle weitergeführt werden. Vertreter von Ärzte ohne Grenzen hoffen, dass bereits in der zweiten Jahreshälfte zu einer Zulassung kommen könnte.

Bis dahin dürfte die Ebola-Welle allerdings vorbei sein, so dass sich die Frage stellt, wer sich dann noch impfen lässt. Zwar könnte es laut dem Virologen Becker irgendwann zu einer erneuten Ebola-Epidemie kommen. Es ist aber nicht gesagt, dass es sich dann um den gleichen Subtyp der Krankheit handeln wird, so dass der jetzt entwickelte Impfstoff dann wirkungslos wäre. Beim aktuellen Ausbruch handelt es sich um den Subtyp Zaire. "Falls es in Zukunft eine Ebola-Welle eines anderen Subtyps geben sollte, könnte man aber den jetzigen Impfstoff rasch weiterentwickeln, um schnell impfen zu können", sagt Becker. "Am besten wäre es aber, auch Impfstoffe für andere Subtypen jetzt schon herzustellen, damit wir beim nächsten Mal gut vorbereitet sind."

Werden die Wirkstoffe der breiten Bevölkerung zur Verfügung stehen?

Zumindest fordert das Philipp Frisch von Ärzte ohne Grenzen: "Egal, welches Produkt als erstes zur Verfügung steht: Das Wichtigste ist, dass es dann möglichst schnell möglichst vielen Menschen unabhängig von ihrer Kaufkraft zur Verfügung steht." Zwar seien an allen Studien derzeit öffentliche Geldgeber wie die WHO, einzelne Staaten, NGOs oder Stiftungen beteiligt, dennoch werde häufig zu wenig darauf geachtet, dass neue Medikamente auch bezahlbar bleiben. Daher gelte besondere Wachsamkeit.

Als Beispiel nennt Frisch das Medikament Sofosbuvir, das kürzlich auf den Markt kam und in Kombination mit anderen Medikamenten zur Behandlung von Hepatitis C dient. "Auch hier wurde ein großer Teil der Grundlagenforschung - wie üblich - an öffentlichen Institutionen durchgeführt", sagt Frisch. Dennoch sein das Medikament in Industrieländern mit einem Einstiegspreis von 1000 US-Dollar pro Tablette auf den Markt gekommen. Und auch in ärmeren Ländern sei es verhältnismäßig teuer. Zum Vergleich: Eine Behandlung mit Sofosbuvir, die zwölf Wochen dauert, kostete zunächst um die 80.000 US-Dollar. Die Produktionskosten liegen laut Frisch aber bei etwa 60 bis 100 US-Dollar.

Im Falle der Ebola-Impfstoffe sieht der Virologe Becker diese Gefahr allerdings nicht. Die internationale Impfallianz Gavi habe bereits angekündigt, dass sie die Kosten für eine Impfung der breiten Bevölkerung übernehmen werde.

Welche Lehren sollten aus der Ebola-Epidemie gezogen werden?

"Deutschland muss sich überlegen, wie wir auf solche Ausbrüche in Zukunft reagieren wollen", sagt der Ebola-Forscher Becker im Gespräch mit tagesschau.de. Dafür müsse es von Anfang an einen nationalen Koordinator geben, es müsse klar sein, wo dieser angesiedelt sei und wer die Hilfen bezahle. "Wer ist qualifiziert bei einer Epidemie vor Ort zu helfen? Welche Infrastruktur wollen wir zur Verfügung stellen? Sind die Fachkräfte geimpft? All diese Fragen müssen vorher geklärt sein, damit man eine Chance hat im Notfall zu reagieren", sagt Becker.

Und auch für andere gefährliche Infektionskrankheiten wie das Marburg- oder das Lasser-Virus müsse Deutschland gewappnet sein. "Wir müssen jetzt in Vorleistung gehen und für die Viren, die wir bereits kennen, Impfstoffe in kleinen Dosen entwickeln", sagt Becker. "Denn ich bin sicher, dass es zu weiteren Epidemien kommen wird."