Fragen und Antworten Erlaubt das Völkerrecht die Angriffe?

Stand: 24.09.2014 18:52 Uhr

Gäbe es ein UN-Mandat, wären die Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten auf den IS vom Völkerrecht gedeckt. Doch ein solches Mandat gibt es nicht - und damit ist die Sache deutlich komplizierter.

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Welche völkerrechtlichen Probleme gibt es?

Die USA fliegen derzeit gemeinsam mit arabischen Alliierten Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Natürlich handelt es sich beim IS - entgegen des selbstgewählten Namens - nicht um einen Staat im völkerrechtlichen Sinne. Die Truppen des IS machen sich vielmehr ihrerseits auf dem Staatsgebiet des Irak und Syriens breit.

Die Angriffe der USA, die dem IS gelten, betreffen also automatisch diese beiden souveränen Staaten. Und das ist das Problem, denn Kampfhandlungen auf fremdem Hoheitsgebiet verletzen zunächst die Souveränität des jeweiligen Staates und sind damit grundsätzlich völkerrechtswidrig.

Wie argumentieren die USA?

Die USA sehen ihre Luftangriffe als gerechtfertigt an. Sie berufen sich dabei auf Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (UN). Diese Vorschrift  gibt jedem Mitgliedsstaat der UN das Recht, sich gegen bewaffnete Angriffe zur Wehr zu setzen. Nichts anderes tue der Irak, denn das gewaltsame Vorrücken der IS-Terroristen sei ein solcher bewaffneter Angriff auf den irakischen Staat. Die irakische Regierung hatte die USA auch offiziell um militärisches Eingreifen gebeten. Nachdem das geschehen sei, könnten auch US-Truppen dieses Selbstverteidigungsrecht für den Irak wahrnehmen.

Auch die Angriffe auf IS-Stellungen und -Truppen, die sich auf dem Gebiet des irakischen Nachbarsstaates Syrien befinden, seien noch vom Selbstverteidigungsrecht des Irak gedeckt. Das Argument hierfür: Der IS bedrohe den Irak auch aus seinen Stellungen in Syrien heraus. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen hat die Kampfhandlungen auch dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon angezeigt und damit eine wichtige formelle Anforderung des Artikels 51 erfüllt.

Gibt es rechtliche Unterschiede zwischen den Angriffen im Irak und denen in Syrien?

Ja, die gibt es. Der Grund ist die unterschiedliche tatsächliche Ausgangslage: Die Angriffe, die auf irakischem Staatsgebiet, bzw. in irakischem Luftraum stattfinden, sind wohl unstreitig gerechtfertigt, da der Irak die USA ausdrücklich um militärisches Eingreifen gebeten hat. Das wird auch in der internationalen Debatte so gesehen. Ein vergleichbares Ersuchen Syriens um militärische Hilfe gibt es allerdings bislang nicht. Darum wirft Russland den USA insoweit einen Bruch des Völkerrechts vor.

Was könnte Rechtssicherheit schaffen?

Die wichtigste Rechtsquelle des Völkerrechts ist die Charta der Vereinten Nationen. Sowohl die USA als auch Syrien und der Irak sind Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen. Ein UN-Mandat wäre darum die wohl sicherste Lösung, um Rechtssicherheit herbeizuführen. So heißt es dort in Artikel 39: "Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschließt, welche Maßnahmen auf Grund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen." Würde also der Sicherheitsrat eine Bedrohung Syriens durch den IS feststellen, könnte er entsprechende Gegenmaßnahmen beschließen. Auch militärisches Eingreifen gehört hier zu den Optionen.

Eine zweite Möglichkeit könnte sein, dass Syrien dem Beispiel Iraks folgt und die USA offiziell um militärische Hilfe gegen die IS-Truppen ersucht. Dann könnten die USA ihr Mandat für Angriffe auf syrischem Gebiet direkt aus diesem "Hilferuf" ableiten.

Wie wahrscheinlich sind diese Möglichkeiten?

Ein UN-Mandat kann nur der Sicherheitsrat erteilen. Ein entsprechender Beschluss des Sicherheitsrates muss zunächst einmal zustande kommen und zwar mit der Zustimmung aller ständigen Mitglieder: USA, Frankreich, Großbritannien, China und Russland. Ob das nun schnell geschieht, ist zumindest fraglich. Bislang gibt es jedenfalls keine Initiative, ein entsprechendes Mandat der Vereinten Nationen herbeizuführen. Auch müsste zunächst ein politischer Konsens hergestellt werden. Daran sind in der Vergangenheit immer wieder vergleichbare Bemühungen gescheitert.

Ein Ersuchen Syriens um militärische Hilfe der USA hat - wie oben erwähnt - es bislang nicht gegeben. Allerdings ließ die syrische Regierung verlautbaren, dass man "jede internationale Bemühungen, die zum Kampf gegen Terroristen beiträgt", unterstütze. Das Problem hierbei ist allerdings, dass in Syrien Bürgerkrieg herrscht und die USA eine Zusammenarbeit mit dem Regime um den syrischen Machthaber Baschar al Assad ablehnen. Selbst wenn ein Hilfeersuchen gestellt werden würde, wäre es also fraglich, ob sich die USA darauf berufen würden.