Proteste in Venezuela dauern an "Wo ich bin, ist auch Chávez"

Stand: 05.03.2014 09:04 Uhr

Ein Jahr nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Chávez in Venezuela kämpft sein Nachfolger Maduro auf allen Fronten: Die Proteste reißen nicht ab, die Inflation steigt. Mit dem Gedenken an Chávez versucht Maduro, das Land zu einen.

Proteste der Opposition in Venezuelas Hauptstadt Caracas. Mitten drin ist die 20-jährige Sairan Rivas, sie ist Studentin für Sozialarbeit. Seit drei Wochen demonstriert sie schon auf den Straßen gegen die sozialistische Regierung. Vor einem Jahr starb deren Volkstribun Hugo Chávez. Rivas hat keine guten Erinnerungen an ihn: "Er ist verantwortlich für die Krise, die wir heute erleben. Die Wirtschaftslage ist schlimm. Aber eines kann man Chávez nicht absprechen: Er hatte Charisma."

Im Viertel "23 de Enero" in Caracas stehen leicht verwitterte Wohnblocks mit 15 Stockwerken und mehr, dazwischen ärmliche Häuser. Es ist eine der Hochburgen der Chávisten. Juan Contreras ist einer ihrer Funktionäre. An den Wänden hängen Bilder des Comandante und von Che Guevara. Contreras bewertet das Chávez-Erbe ganz anders: "Heute sind wir hier organisiert. Wir erhalten Geld, um es zu verteilen. Wir können die Probleme angehen und entsprechend investieren."

Venezuela ist tief gespalten

Fünfzehn Jahre sozialistischer Umbau, erster Todestag von Chávez. Die Bilanz ist tief gespalten - so wie Venezuela. Und die Proteste haben den Riss nun umso deutlicher gemacht. In den Vierteln der Opposition sind die Straßen blockiert, mancherorts sieht man verbrannte Barrikaden. Die Regierung lässt schwer bewaffnete Polizisten und Nationalgardisten patrouillieren. Mindestens 18 Menschen kamen bei den Protesten bisher ums Leben, Hunderte wurden verletzt, Hunderte festgenommen.

Die Situation sei inzwischen sehr gefährlich, sagt Esperenza Hermida von der Menschenrechtsgruppe Provea. "Es gibt bewaffnete Gruppen, die Colectivos, die der Regierung nahe stehen und Bürger attackieren, die ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen", sagt sie. "Sieben Menschen wurden durch Kopfschüsse getötet - das ist kein Versehen. Wir glauben, es ist Teil der Regierungsstrategie."

Maduro warnt vor Staatsstreich, Opposition vor Diktatur

Chávez' Nachfolger, Präsident Nicolas Maduro, steht unter Druck. Er macht die Opposition für die Gewaltausbrüche verantwortlich, warnt vor einem Staatsstreich faschistischer Gruppen, wie er sagt.

In den Hochburgen der Sozialisten gibt es bisher keinen offenen Unmut. Trotz immenser Inflation, Warenknappheit und weit verbreiteter Kriminalität. Die Leute halten still aus Angst, behauptet die Opposition - aus Überzeugung, sagt die Regierung. Klar ist: Maduro will den ersten Todestag von Chávez noch einmal nutzen, um die Anhänger um sich zu scharen. Der wenig charismatische Nachfolger des Comandante hatte die Wahl im vergangenen April nur knapp gewonnen.

Nicolas Maduro

Venezuelas Präsident Maduro will den Todestag von Chávez nutzen, um das Land zu einen.

Umso mehr versucht Maduro immer wieder, sich auf den Verstorbenen zu berufen: "Der Comandante hat mich kurz vor seinem Tod beauftragt, den Weg fortzuführen. Wo ich bin, ist auch Chávez, das Volk Venezuelas und dessen Kampf für das Vaterland."

Mehr denn je sehen sich die Sozialisten im Klassenkampf. Wir oder die - dazwischen ist wenig Platz. Viele Venezolaner haben von der Umverteilung des Ölreichtums profitiert. Gleichzeitig halten die Sozialisten beinahe alle Institutionen Landes fest im Griff. Den staatlichen Ölkonzern mit den enormen Ressourcen, die Justiz, das Fernsehen.

Das Land steuere in Richtung Diktatur, ist die Studentin Rivas überzeugt. Aus ihrer Sicht ist das das eigentliche Erbe von Chávez. Sie will weiter demonstrieren - jetzt oder nie: "Wir haben eine Regierung, die das Volk unterdrückt. Wir können nicht länger abwarten und zusehen, dass die Wirtschaft kollabiert. Wir wollen weiter kämpfen für eine Regierung des Volkes."