Interview

Interview zur TV-Debatte "Duell hat Trumps Schwächen gezeigt"

Stand: 27.09.2016 07:15 Uhr

Die ehemalige US-Außenministerin hat die erste TV-Debatte klar gewonnen, sagt John Kornblum. Im Gespräch mit tagesschau.de analysiert der Ex-Botschafter den Auftritt der beiden Präsidentschaftskandidaten und erklärt die Fehler von Donald Trump.

tagesschau.de: Wer hat aus Ihrer Sicht die Debatte gewonnen?

John Kornblum: Ich glaube, dass Hillary Clinton im Großen und Ganzen sehr klar gewonnen hat. Aber auch Donald Trump hat einige seiner Standpunkte klar machen können. Er wollte die Botschaft rüberbringen, dass es Amerika sehr schlecht geht und dass er die Dinge besser machen kann. Clinton ist es jedoch gelungen, ihn durch einige einfache Bemerkungen aus dem Konzept zu bringen. Ich denke, das hat vielen Wählern gezeigt, dass er leicht zu erschüttern ist.

John Kornblum
Zur Person

John Kornblum begann 1964 seine politische Karriere und war Botschafter unter demokratischen und republikanischen Präsidenten. Von 1997 bis 2001 war er US-Botschafter in Deutschland. Nach Ende seiner Amtszeit wechselte Kornblum in die Wirtschaft zur Investment Bank Lazard Freres und leitete bis 2009 deren strategische Aktivitäten in Deutschland. Er lebt mit seiner Frau in Berlin.

tagesschau.de: Können Sie hierfür ein Beispiel nennen?

Kornblum: Besonders schwach war er, als es um seine Steuererklärung ging. Er war nicht in der Lage zu erklären, warum er sie nicht veröffentlicht. Aber auch bei vielen anderen Fragen kam er schnell auf Abwege. Es wäre für ihn viel besser gewesen, wenn er einfache Antworten auf einfache Fragen gegeben hätte. Aber das hat er nicht getan.

Trump punktet eher bei Stammwählern

tagesschau.de: Trump unterbrach Clinton häufig, verzog bei ihren Antworten regelmäßig das Gesicht. Wie kommt so etwas bei den amerikanischen Wählern an?

Kornblum: Das ist schwer einzuschätzen. Wir befinden uns in einem Wahlkampf, in dem die herkömmlichen Analysen darüber, was beim Wähler ankommt, nicht mehr funktionieren. Meine persönliche Einschätzung ist, dass Trump bei seinen Stammwählern punkten konnte, es aber nicht geschafft hat, andere Wählergruppen anzusprechen.

tagesschau.de: Gegen beide Kandidaten gibt es in der amerikanischen Bevölkerung Vorbehalte. Hillary Clinton gilt beispielsweise als wenig glaubwürdig. Ist es ihr gelungen, diese Zweifel auszuräumen?

Kornblum: Das weiß ich nicht. Aber es war auffällig, dass ihre Glaubwürdigkeit kaum Thema war. Trump hat es nicht geschafft, ihre Schwächen zum Gegenstand der Debatte zu machen. Das hat mich überrascht. Ich hatte erwartet, dass er auf diese Taktik setzen und sie mit Themen wie ihren E-Mails oder der Clinton-Stiftung konfrontieren würde. Er hat es aber nicht getan und ihre Schwachpunkte kaum angegriffen. So konnte Clinton aus der Debatte gehen, ohne Federn zu lassen.

Clinton hatte einen "sehr guten Abend"

tagesschau.de: Clinton wird auch mangelnde Authentizität vorgeworfen. Haben Sie heute die Hillary Clinton auf der Bühne gesehen, die Sie kennen?

Kornblum: Ich habe mit Hillary Clinton zusammengearbeitet und kenne sie ziemlich gut. Sie hatte heute einen wirklich sehr guten Abend. Ich habe bei ihr immer bemängelt, dass sie nicht viel Humor zeigt. Das war heute anders. Sie hat Trumps Angriffe mit einer Leichtigkeit aufgenommen, die für sie vorteilhaft sein dürfte.

Trotzdem hat sie ein Imageproblem. Trump kann besser mit den Medien umgehen als Clinton. Das ist kein Wunder, schließlich hatte er über viele Jahre seine eigene Reality-Fernsehsendung.

Trump bleibt weiterhin unberechenbar

tagesschau.de: Trump galt im Vorfeld der Debatte für viele Beobachter als unberechenbar. Wie bewerten Sie seinen Auftritt?

Kornblum: Ich denke, dass er diesen Punkt nicht aus der Welt schaffen konnte. Vielleicht hat er diese Vorbehalte sogar verstärkt. Das ständige Unterbrechen, die langen Diskussionen über Dinge, die nicht relevant waren - das dürfte eher den Eindruck gestärkt haben, dass er nicht berechenbar ist.

tagesschau.de: Wie haben es die beiden Kandidaten mit der Wahrheit gehalten?

Kornblum: Das kann ich nicht in jedem Fall sagen. Auffällig war allerdings, dass Trump häufig einfach nur sagte: Das stimmt nicht. Das ist eine seiner Taktiken. Er zieht Dinge in Zweifel, von denen bekannt ist, dass sie richtig sind. Das konnte man gut sehen, als der Moderator ihn auf seine Unterstützung für den Irak-Krieg angesprochen hat. Trump hat einfach behauptet, es stimme nicht, obwohl jeder weiß, dass er für die Invasion war. So will er wohl seine Stammwähler ansprechen, die das Politik-Establishment und die Regierung ablehnen.

Rennen ums Weiße Haus geht weiter

tagesschau.de: Die letzten Umfragen sagen ein enges Rennen ums Weiße Haus voraus. Welche Auswirkungen wird der Ausgang der Debatte auf den weiteren Wahlkampf haben?

Kornblum: Ich kann mir kaum vorstellen, dass Trump sein heutiger Auftritt geholfen hat. Aber ich schaue die landesweiten Umfragen kaum an. Sie gehen immer hoch und runter und sind für den Ausgang der Wahl nicht relevant. Der Kampf ums Weiße Haus wird im Electoral College entschieden. Und dort führt Clinton.

Was ist das Electoral College?

Als Electoral College (deutsch: Wahlmännerkollegium) wird in den USA das Gremium bezeichnet, das den Präsidenten und den Vizepräsidenten wählt. Es besteht aus 538 Wahlmännern, die von den 50 Bundesstaaten sowie der Hauptstadt Washington D.C. entsandt werden. Jeder Bundesstaat entsendet so viele Wahlmänner in das Gremium, wie er Vertreter in beiden Häusern des Kongresses stellt. In fast allen Staaten gewinnt der Kandidat alle Wahlmänner, der bei der Präsidentschaftswahl eine einfache Mehrheit der Stimmen im Staat erreicht.

tagesschau.de: Clinton und Trump treffen noch für zweimal zu TV-Debatten aufeinander. Kann es Trump gelingen, das Ruder noch einmal herumzureißen?

Kornblum: Natürlich. Wenn er aus den Fehlern der ersten Debatte lernt und eine andere Haltung einnimmt, ist das durchaus möglich. Aber ich denke, es wird schwer für ihn. Sein Auftritt heute hat seine Schwächen sichtbar gemacht und den Vorwurf bestätigt, dass er unberechenbar und unkontrollierbar ist. Ich denke, das werden auch seine Unterstützer gesehen haben.

Das Interview führte Julian Heißler

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. September 2016 um 09:00 Uhr.