Glencore-Mine im Kongo

Schweizer Rohstoffkonzern Die geheimen Geschäfte eines Rohstoffgiganten

Stand: 06.11.2017 14:37 Uhr

Die "Paradise Papers" enthüllen, wie sich der Schweizer Rohstoffriese Glencore mithilfe eines umstrittenen Geschäftspartners eines der größten Kupfervorkommen im Kongo sicherte. Experten sehen das sehr kritisch.

Von Petra Blum, WDR

Die "Paradise Papers" enthüllen geheime Geschäfte des Rohstoffkonzerns Glencore mit einem umstrittenen israelischen Geschäftsmann namens Dan Gertler. Das riesige Datenleck wurde der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt und gemeinsam mit WDR, NDR und dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten ausgewertet. Es zeigt, wie Gertler hinter den Kulissen einen wichtigen Deal mitverhandelte, bei dem die Minengesellschaft der Demokratischen Republik Kongo am Ende einen Vertrag unterschrieb, in dem sie auf zig Millionen Dollar verzichtete. Experten sehen das sehr kritisch, auch wenn Dan Gertler und Glencore jeden Vorwurf zurückweisen.

Glencore und Gertler sicherten sich in den Jahren 2008 und 2009 eines der lohnendsten Kupfer-Vorkommen des afrikanischen Landes: eine Minengesellschaft namens Katanga. Anfangs hielt der Schweizer Rohstoffmulti nur etwa acht Prozent der Minengesellschaft; am Schluss waren es mehr als 70 Prozent. Beim Einstieg von Glencore im Winter 07/08 hing die Zukunft von Katanga jedoch in der Luft - wichtige Verträge mit dem kongolesischen Staat, die für den Zugang zu den wertvollen Minenlizenzen essentiell waren, mussten neu ausgehandelt werden.

Glencore-Mine im Kongo

In dieser Mine im Kongo baut Glencore Kupfer und Kobalt ab.

Gertler verhandelte Minengeschäft

Die "Paradise Papers" zeigen, dass Katanga mehrmals Dan Gertler mandatierte, um die Gespräche mit den kongolesischen Behörden voranzubringen. Die geheimen Verhandlungen um die Minenlizenzen nahmen mit Dan Gertler immer wieder erstaunliche Wendungen: Immer wenn es stockte, brachte er die Verhandlungen wieder voran. Am Ende unterschrieb die staatliche kongolesische Minengesellschaft einen Vertrag, in dem statt zwischenzeitlich geforderter 585 Millionen US-Dollar nur noch 140 Millionen Dollar von Katanga verlangt wurden. Dies kommt am Ende mehrheitlich den Eigentümern von Katanga zu Gute: Durch eine gemeinsame Übernahme brachten Glencore und Gertler im Sommer 2009 rund 90 Prozent von Katanga unter ihre Kontrolle.

Minen-Expertin Elisabeth Caesens vom Carter Center ist der Meinung, dass Katanga in dem geheim verhandelten Deal um die Minenlizenzen einen immensen Rabatt erhielt: "Katanga bezahlte für die Lizenzen pro Tonne vier Mal weniger als die Mehrheit der anderen Investoren im Kupfer-Sektor damals als Preis akzeptierten", so die Einschätzung der Expertin. Der Kongo war im Jahr 2009 das ärmste Land der Erde.

Glencore und Gertler bestreiten vehement, der Kongo habe in Geschäften mit ihnen verloren. Glencore betont, man investiere Milliarden in das Land, bringe Arbeitsplätze und finanziere Krankenhäuser. Glencore beruft sich außerdem darauf, dass die 140 Millionen US-Dollar, die Katanga letztendlich an den Kongo zahlte, schon einmal vereinbart gewesen seien - vor Gertlers Eingreifen. Die staatliche Minengesellschaft habe eingesehen, dass dies der korrekte Preis sei.

Die "Paradise Papers"

Mehr als ein Jahr haben 381 Journalistinnen und Journalisten von 96 Medienpartnern aus 67 Ländern den Datensatz der sogenannten "Paradise Papers" ausgewertet. Darin haben sie zahlreiche Geschichten entdeckt. Die Daten waren der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt worden. Die Koordination der Recherche übernahm das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ). Insgesamt umfassen die "Paradise Papers" rund 13,4 Millionen einzelne Dateien.

Warnungen vor Geschäften mit Gertler

Dan Gertler stand schon seit Jahren im Verdacht, er könnte sich die Gunst der kongolesischen Regierung durch Bestechung erkauft haben. Nicht nur die Vereinten Nationen warnten 2001 vor ihm, auch andere renommierte Institutionen wie die Weltbank kritisierten Dan Gertlers Geschäftsverhalten im Kongo in der Vergangenheit scharf. Der Schweizer Rechtssexperte Mark Pieth kommt angesichts all dieser Warnsignale zu dem Schluss: "Glencore hat entweder nicht konsequent Due Diligence gemacht oder sie wussten, dass es ein Korruptionsrisiko gab, und haben es bewusst in Kauf genommen." Pieth ist überzeugt, Glencore's Compliance-Abteilung hätte die Geschäftsbeziehung zu Gertler stoppen müssen, weil das Korruptionsrisiko zu hoch war.

Gertlers Anwälte teilten auf Anfrage mit, dass er jegliche Vorwürfe von Bestechung oder illegalem Verhalten in Gänze zurückweist. Glencore sagt, die Prüfung des genannten Geschäftspartners sei "gewissenhaft und ausgiebig" gewesen. Die Geschäfte mit Gertler bereiteten ihnen keinerlei Sorgen und seien auch nirgends Teil einer Untersuchung.

Korruptionsvorwürfe in den USA

Im Frühjahr 2017 gab Glencore bekannt, Gertler die Anteile aus gemeinsamen Minenunternehmen abzukaufen. Nur wenige Monate zuvor hatte es schlechte Nachrichten gegeben. Sie hatten mit einem anderen Geschäft im Kongo zu tun. Ein amerikanischer Hedgefonds schloss 2016 einen Vergleich mit den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden. Fast eine halbe Milliarde Dollar musste der Fond zahlen, vor allem wegen Korruptionsvorwürfen.

Einer seiner Geschäftspartner: Ein israelischer Geschäftsmann mit besten Beziehungen in die allerhöchsten Ebenen der kongolesischen Regierung. Seinen Namen nennen die amerikanischen Behörden in ihren öffentlichen Berichten zu dem Fall nicht. Aber sie erwähnen eine Firma, die jener Geschäftsmann kontrolliere. Und diese Firma gehört nach öffentlich zugänglichen Dokumenten am Ende ganz offensichtlich einem Gertler Familientrust. Der bestätigt nicht, der "israelische Geschäftsmann" zu sein, den die amerikanischen Behörden meinen. Aber streitet es auch nicht ausdrücklich ab.

Die Berichte der US-Behörden wiegen schwer: Zusammen mit anderen soll der israelische Geschäftsmann in den Jahren 2005 bis 2015 rund 100 Millionen Dollar an Schmiergeldern an kongolesische Beamte und Regierungsmitglieder bezahlt haben, um sich günstige Konditionen im Minengeschäft zu sichern. Gertlers Anwälte teilten auf Anfrage mit, dieses Schuldeingeständnis des amerikanischen Hedgefonds sei keine verlässliche Quelle und kein Beweis gegen Dan Gertler, da dieser nicht an dem Verfahren beteiligt gewesen sei und sich nie dazu habe äußern können. Seine Anwälte versichern, die US-Behörden hätten falsche Angaben erhalten. Darauf angesprochen bestätigte ein Sprecher der obersten US-Staatsanwaltschaft: "Das US Justizministerium bleibt bei seinen Aussagen." Gertler ist weder angeklagt noch verurteilt.

Ohne Kenntnis der jetzt veröffentlichten Berichte, haben Glencore und Dan Gertler bereits vor Veröffentlichung folgende Stellungnahmen übermittelt, die wir hier gerne in voller Länge wiedergeben:

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 06. November 2017 um 14:00 Uhr.