25 Jahre nach Fund der Mumie Ötzi-Krimi - jeden Tag neu erzählt
Eine wissenschaftliche Sensation, die Südtirol-Besucher bis heute begeistert: Vor 25 Jahren stießen Bergsteiger auf Ötzi. Der Hype um den "Mann aus dem Eis" ist ungebrochen - auch in Form von Schokolade oder dem Wunsch, ein Ötzi-Kind zu gebären.
Es war ein Zufallsfund. Hätte das Nürnberger Ehepaar Simon beim Bergsteigen keine Abkürzung genommen, dann wäre der Mann aus dem Eis möglicherweise nie geborgen worden. Die Welt wäre dann um eine wissenschaftliche Sensation ärmer - und um einen Krimi, der Tag für Tag im Südtiroler Archäologiemuseum erzählt wird.
"Er ist heruntergefallen, mit dem Kopf aufgeschlagen, war gleich bewusstlos. Er hat verschiedene Frakturen - etwa am Jochbein oder am Kiefer, die von diesem Aufprall stammen. Es könnte aber auch sehr gut sein, dass ein Angreifer auf Nummer sicher gehen wollte, dass der nicht mehr aufsteht", sagt Museumsdirektorin Angelika Fleckinger.
Wobei am Anfang keineswegs klar war, um wen es sich bei dem Toten eigentlich handelt. Die ersten Mutmaßungen gingen in Richtung verunglückter Bergsteiger oder Skifahrer - bis Reinhold Messner bei einem zufälligen Besuch auf der Similaun-Hütte von dem damals noch nicht geborgenen Leichenfund erfuhr und diesen sofort in Augenschein nahm.
Messner: "Historischer Fund"
Wenige Tage später erzählte er im Bayerischen Rundfunk: "Ich habe sofort gesagt, dass das kein Bergsteiger ist und natürlich auch kein Kriegstoter. Denn da oben hat nie Krieg stattgefunden in den letzten 100 Jahren. Das muss ein historischer Fund sein." Dies zeige unter anderem ein dort entdecktes Steinbeil. "Die Handschuhe aus Birkenrinde waren mit Gras ausgestopft - ähnlich wie es die Lappen tragen - das hat mich zur spontanen Äußerung gebracht: Das ist der Übergang Steinzeit, Eisenzeit - also Bronzezeit."
Womit er gar nicht so falsch lag. Am Ende wurde das Alter der Leiche auf etwa 5300 Jahre fixiert. Anfangs war noch wenig elegant von der Gletscher-Mumie die Rede. Ein österreichischer Journalist taufte diese dann erstmals in der Wiener Arbeiterzeitung auf den Namen Ötzi oder Otzi, wie er bei vielen Italienern heißt.
Streitpunkt Herkunft
Und je mehr über den Mann bekannt wird, desto mehr bewegt er die Gemüter. "Er war nicht italienisch, nicht deutsch, laut DNA-Test sehr nah am ladinischen Volk", erzählt ein Reiseleiter. "Es ist schön, mit ihm in Kontakt zu sein, auch wenn Glas dazwischen ist. Es scheint so, als wäre er unter uns", sagt eine Besucherin.
Ein archäologischer Fund, der emotional berührt, ist für die Museumsdirektorin Fleckinger das Besondere an ihrem Schützling. Und weil das so ist, muss die Wissenschaftlerin auch mit außergewöhnlichen Phänomenen leben, die der Ötzi-Kult mit sich bringt: "Es gibt Menschen, die glauben, eine Reinkarnation von Ötzi zu sein oder die denken, dass Ötzi ein Botschafter aus dem Jenseits ist, der uns eben Wichtiges mitteilen muss. Wir haben Briefe gefunden, von Frauen, die unbedingt ein Kind von Ötzi haben möchten, wenn es denn noch möglich sei. Das gehört zum Phänomen Ötzi mit dazu."
"Mit seriöser Forschungsarbeit punkten"
Ebenso dazu gehört der gar nicht appetitliche Schokoladenabguss der prähistorischen Leiche oder der sinnfreie Ötzi-Eisbecher. "Deshalb ist es unsere Strategie, mit seriöser Forschungsarbeit zu punkten, die zum Glück weltweit dann auch aufgenommen wird. Wir können sehen, wenn wir eine neue Mitteilung zu irgendwelchen wissenschaftlichen Details herausschicken, dann arbeitet sich diese über das Internet innerhalb von 24 Stunden um die ganze Welt."
Mit großem Erfolg: 250.000 Menschen kommen jedes Jahr zu Ötzi ins Museum. Allein kürzlich am Tag der offenen Tür waren es 2000 Besucher.
"Wir haben festgestellt, dass sich seit 1998, als das Museum eröffnet wurde, das Profil der Südtirol-Urlauber verändert hat. Es ist viel internationaler geworden und diese Menschen nehmen natürlich neben dem Mann aus dem Eis auch sonst noch Erlebnisse in Südtirol mit, so dass das Museum auch den Tourismus im Allgemeinen mit beeinflusst", sagt Fleckinger.
Und ein Ende ist nicht absehbar. Zum Jahrestag sollen in Bozen neue Forschungserkenntnisse präsentiert werden - unter anderem von einem professionellen Fallanalytiker der Münchner Kriminalpolizei. Wäre doch gelacht, wenn sich dieser Mord nicht auch noch aufklären ließe. Falls nicht, wird ein Spielfilm weiterhelfen, der zurzeit in Südtirol gedreht wird. Die Hauptrolle des Ötzi hat Jürgen Vogel übernommen.