Forscher planen Rekonstruktion Eine Stimme für Ötzi
Aussehen, Essgewohnheiten, Krankheiten: Über die Eismumie Ötzi ist bereits vieles bekannt. Wie seine Stimme klang, allerdings nicht. Forscher wollen sich nun an eine Rekonstruktion wagen - und das dürfte schwierig werden.
Die Eismumie Ötzi gilt als eines der am besten erforschten Mordopfer der Welt - doch wie seine Stimme klang, das ist bis heute nicht bekannt. Eine Gruppe von Wissenschaftlern will das nun ändern. Der Stimmkanal soll rekonstruiert werden: "Also die Gesamtheit des Hohlraums zwischen den Stimmlippen und den Lippen des Mundes", erklärt der Projektleiter Francesco Avanzini, Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Verantwortlicher des Ambulatoriums für Phoniatrie im Südtiroler Sanitätsbetrieb. Er will gemeinsam mit anderen Experten Ötzi wieder zum Sprechen bringen.
Das Ganze soll jedoch nur virtuell geschehen. Denn der legendäre Eismann, der in der späten Jungsteinzeit lebte und 1991 im Grenzgebiet zwischen Österreich und Italien gefunden wurde, bleibt in seiner gekühlten Igluzelle im Südtiroler Archäologiemuseum. Man arbeite nur auf der Basis der CT-Bilder, sagte Avanzini der Nachrichtenagentur dpa. Die Mumie bleibe intakt. Der Knochenapparat lässt sich offenbar relativ gut in 3D rekonstruieren. Schwieriger wird es dann wohl bei anderen Komponenten. "Muskeln und Schleimhäute sind bei Ötzi natürlich geschrumpft. Von ihrer originalen Beschaffenheit hängt es aber ab, wie der Ton klingt", erklärt Elektroingenieur Piero Cosi, der an der Universität Padua an Spracherkennungssystemen arbeitet und dafür verantwortlich ist, die Stimme mit Hilfe von Software wiederherzustellen.
Eher eine hohe Stimme
Einen Klang aus einem CT abzuleiten - das könnte schwierig werden. Denn ein Vokaltrakt ist kein starres Gebilde, sondern er verändert ständig seine Form und dadurch den Klang. Ein weiteres Hindernis für die Ärzte ist Ötzis linker Arm, der über seinem Hals und damit auch über dem Stimmkanal liegt. Denn der Arm verhindere, dass die richtige Haltung des Zungenbeins, eines wichtigen Knochens im Hals, gemessen werden kann", erläutert Avanzini weiter. Die Forscher warnen deshalb vor zu hohen Erwartungen.
Schon in einigen Monaten hoffen die Forscher auf erste Ergebnisse ihres nach eigenen Angaben bislang weltweit einmaligen Projektes. Sie vermuten aufgrund von Ötzis geringer Körpergröße, dass er eher eine hohe Stimme hatte. Entscheidend sei aber ohnehin, wie der Eismensch seine Stimme verwendet habe.
Töne und Laute statt Sätze
Jedes Jahr werfen 250.000 Besucher im Südtiroler Archäologiemuseum einen Blick auf den berühmten Gletschermann in seiner Igluzelle. Ob auch irgendwann Ötzis Stimme zu hören sein wird, ist noch unklar. Das soll erst nach dem Ende des Projektes entschieden werden. Ganze Sätze soll der Gletscherbewohner aber ohnehin nicht sprechen - denn die Sprache von Ötzi wird man nicht rekonstrieren können. Also läuft es vielleicht auf Töne und Laute hinaus - wie den Schmerzensschrei, den er vermutlich in den letzten Minuten seines Lebens ausgestoßen haben könnte.