Hintergrund

EU-Grundlagenvertrag Lange Themenliste wartet auf den Feinschliff

Stand: 23.06.2007 09:58 Uhr

Am 18. und 19. Oktober sollen die Staats- und Regierungschefs den neuen Grundlagenvertrag für die EU abgesegnen. Den Kompromiss, der dem Vertragsentwurf zugrunde liegt, hatte Bundeskanzlerin Merkel im Juni dieses Jahres unter Mühen ausgehandelt. Sollte der Vertrag eines Tages in Kraft treten, wird er zentrale Bereiche im EU- Gefüge neu regeln. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Änderungen.

Nach der Einigung der Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel auf die Grundzüge für einen neuen EU-Vertrag am 23. Juni 2007 beginnt nun der Feinschliff. Die Beschlüsse müssen umgesetzt und in Form eines Vertrages aufgeschrieben weden. Dieser Vertrag soll auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 18. und 19. Oktober ratifiziert werden. Zu den geplanten Veränderungen gehören:

- Der Europäische Rat (EU-Gipfel) soll für jeweils zweieinhalb Jahre von einem Präsidenten geleitet werden. Die Präsidentschaft des normalen Ministerrates rotiert weiterhin alle sechs Monate zwischen den Mitgliedsstaaten.

- Die neue "doppelte Mehrheit" bei Abstimmungen im Ministerrat gilt ab 2014. Bis 2017 können sich Staaten, die dies wünschen, in Streitfällen noch auf den jetzt geltenden Vertrag von Nizza berufen. Bei der "doppelten Mehrheit" werden die Stimmen nicht mehr "gewichtet". Die qualifizierte Mehrheit gilt mit 55 Prozent der Staaten als erreicht, wenn diese mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

- Staaten wie etwa Großbritannien können aus EU-Beschlüssen über engere Zusammenarbeit in Fragen der Justiz- und Polizeizusammenarbeit aussteigen. Auch in der Sozialpolitik können Staaten aus der gemeinsamen Politik ausscheren. Wenn innerhalb von vier Monaten keine Einigung erreicht wird, können jene Staaten, die das wollen, vorangehen.

- Die Außen- und Sicherheitspolitik soll "Gegenstand besonderer Verfahrensweisen" sein. EU-Kommission und EU-Parlament bekommen keine erweiterten Zuständigkeiten in der Außenpolitik. Der "Außenminister" der EU, der im Einvernehmen mit den Regierungen arbeitet, heißt offiziell "Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik". Er ist auch Vizepräsident der EU-Kommission. Damit wird die Doppelzuständigkeit von Ministerrat oder Kommission in der Außenpolitik beseitigt.

- Die Zahl der EU-Kommissare wird von derzeit 27 auf 15 im Jahr 2014 reduziert.

- Innerhalb von acht Wochen können nationale Parlamente gegen beabsichtigte Rechtsakte der EU Einspruch erheben, falls sie meinen, dass diese nationale Zuständigkeit verletzen. Das Europaparlament entscheidet künftig gleichberechtigt mit dem Ministerrat über den EU-Haushalt.

- Erstmals regelt der EU-Vertrag auch den freiwilligen Austritt eines Staates. Beitrittswillige Staaten müssen die "Werte" der EU respektieren und sich verpflichten, diese zu fördern. Mit diesen Formulierungen wird Forderungen aus Frankreich und den Niederlanden nach strikteren Beitrittskriterien entsprochen.

- Die Grundrechtecharta ist nicht mehr Teil der Verträge. Durch einen Verweis wird sie jedoch für ebenso bindend erklärt wie der Vertrag selbst - allerdings wird Großbritannien ausgenommen.

- Die im Verfassungsentwurf vorgesehenen Symbole der EU-Fahne und Hymne - tauchen in den Verträgen nicht mehr auf, werden aber de facto beibehalten. Das Wort "Verfassung" ist ebenfalls gestrichen. Auch "Gesetze" erlässt die EU nicht, sondern weiterhin Richtlinien und Verordnungen.