EU einig bei Telekom-Reformen Internet-Zugang darf nicht willkürlich verweigert werden

Stand: 05.11.2009 16:32 Uhr

Durch klare Regeln bei der Sperrung von Internet-Anschlüssen will die EU ihre Bürger schützen. Willkürliches Vorgehen gegen mutmaßliche Raubkopierer wird somit erschwert. Auf diesen Kompromiss einigten sich die Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Regierungen.

Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel

EU-Kommissarin Viviane Reding geizte nicht mit Superlativen: "Sie müssen wissen, dass dies weltweit beispielos ist", glaubt die Luxemburgerin, die in der Kommission für den Bereich Telekommunkation zuständig ist: "Nirgendwo gibt es ein vergleichbares Gesetz. Europa zeigt hier wirklich, wo es langgeht!"

Kompromiss nach zwei Jahren erzielt

Seit zwei Jahren verhandelt Reding mit EU-Staaten und Parlament über ein Gesetzespaket, dass den Telekommarkt weiter öffnen soll. Im Frühjahr schien die Einigung nahe, da brachte das Parlament alles zu Fall. Aufgeschreckt von einem französischen Vorstoß gegen Internet-Piraterie forderten die Abgeordneten, dass niemand willkürlich vom Internet ausgeschlossen werden dürfe. Das müsse im Gesetz festgeschrieben werden. Die Regierungen lehnten ab, ein Vermittlungsverfahren wurde nötig. "Das war ein schwieriges Projekt, das viel Zeit und Kraft gekostet hat", sagt der CDU-Mann Herbert Reul, der als Vorsitzender des Industrieausschusses mit am Tisch saß - zuletzt bis heute Nacht um ein Uhr. Er sei manchmal nicht sicher gewesen, "ob wir es wirklich hinbekommen".

Vieviana Reding

EU-Kommissarin Viviane Reding zufrieden mit dem Kompromiss

Bei Terror schnelle Sperrung vorgesehen

Mit dem heute Nacht erzielten Kompromiss kann das Parlament nach Auffassung seiner Verhandlungsführer sehr gut leben. Demnach kann künftig einem Internet-Nutzer, der zum Beispiel mehrfach illegal Musik heruntergeladen hat, nicht einfach der Zugang verweigert werden. Stattdessen wird es vorher ein ordentliches Verfahren geben müssen, in dem der Betroffene gehört wird. Geht es um die Abwehr einer Terrorgefahr, soll ein Verdächtiger allerdings schneller gesperrt werden.

"Ausverkauf der Bürgerrechte"

Das umstrittene französische Gesetz ermöglicht es, Internet-Piraten nach drei Verstößen aus dem Netz zu werfen. Eine ähnliche Regelung wird auch in Großbritannien geplant. Das sei nicht aufzuhalten, räumten die Abgeordneten in Brüssel ein. Die vom Ausschluß Bedrohten könnten sich in Zukunft jedoch auf dem Rechtsweg wehren.

Internet-Sperren

Inbestimmten Fällen soll eine schnelle Sperrung möglich sein

Der Verzicht auf dieses vorgeschaltete Verfahren wäre einem Ausverkauf der Bürgerrechte gleichgekommen, meint Alexander Alvaro von der FDP. Für Rebecca Harms, die Fraktionschefin der Grünen hingegen zeigt der nächtliche Kompromiss in erster Linie, "wie viel wir noch zu tun haben - nicht nur in Brüssel, sondern auch in den Mitgliedsstaaten, um einen umfassenden Grundrechtsschutz auch im Internet zu erreichen."

Kompromiss noch nicht ganz unter Dach und Fach

Allerdings müssen EU-Parlament und EU-Regierungen dem Kompromiss ihrer Verhandlungsführer noch zustimmen, damit es Anfang nächsten Jahres in Kraft treten kann. Das Gesetz soll unter anderem den Ausbau von Breitbandnetzen vereinfachen. Große Anbieter können kleinere dann an den Kosten beteiligen. Auch die Rechte der Verbraucher werden gestärkt. Unter anderem dürfen Kunden, die den Anbieter wechseln wollen, nicht durch lange Wartezeiten entmutigt werden, ihre alte Telefonnummer zu behalten.