EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Von der Leyen 100 Tage im Amt Jetzt kommt der schwierige Teil

Stand: 09.03.2020 10:27 Uhr

Sie wünscht sich ein soziales, digitales und vor allem klimaneutrales Europa: EU-Kommissionschefin von der Leyen hat in ihren ersten 100 Tagen viel angeschoben. Beobachter sprechen von einer positiven Lernkurve.

Im Brüsseler Kommissionsgebäude brennt seit ein paar Monaten länger das Licht. Hat sich doch die neue Präsidentin Ursula von der Leyen entschieden, hier nicht nur zu arbeiten, sondern auch gleich zu wohnen. Es ist nicht der einzige Unterschied zu ihrem Vorgänger, dem gerne alle umarmenden Jean-Claude Juncker.

Von der Leyen hat einen gänzlich anderen Stil, manche sagen: weniger schillernd. Das mag an ihrer disziplinierten Art liegen, an ihrem Auftreten in den ersten Monaten. Dabei hat sie mit großen Worten nicht gespart: "Es ist das Kostbarste, was wir haben. Es lebe Europa! Vive l'Europe ! Long live Europe!"

Vorzeigeprojekt "Green Deal"

Sie hat vieles angekündigt und angestoßen: Europa soll bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. So steht es in ihrem "Green Deal", ihrem Vorzeigeprojekt. Den Klimaschutz verglich von der Leyen mit der ersten Mondlandung: "Heute beginnt eine Reise. Es ist Europas 'Mann-auf-den-Mond-Moment'".

In den "Green Deal" habe sie viel politisches Kapital gesteckt, findet der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, Philippe Lamberts. Nun müsse sie liefern. Geliefert hat sie in ihren ersten 100 Tagen ein europäisches Klimagesetz, das die Erwartungen vieler aber längst nicht erfüllt.

Das Europa, das von der Leyen sich vorstellt, soll auch sozialer und digitaler werden, erste Projekte hat sie ebenfalls auf den Weg gebracht. Und die EU soll außenpolitisch eine größere Rolle spielen. Eine geopolitische Kommission wünscht sich die 61-Jährige: Europa brauche dringend eine solche Kommission, sagt sie.

Hier der Anspruch, da die Realität

Der Anspruch ist groß, die Realität eine andere - wie sich etwa in Syrien und Libyen gut beobachten lässt. In ihren ersten 100 Tagen musste von der Leyen auch mit Krisen umgehen und der schlimmen Situation an der griechisch-türkischen Grenze, wo Flüchtlinge hoffen, nach Europa zu kommen. Den schon langen währenden Asylstreit in der EU will sie mit einem neuen "Pakt für Migration und Asyl" lösen, doch der lässt noch auf sich warten.

Der Pakt steht aber in ihrem Sechs-Punkte-Arbeitsprogramm. Und das lobt Janis Emmanouilidis von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Center: "Das hat sie ganz gut gemacht. Die sechs Prioritäten, die definiert wurden, reflektieren tatsächlich die zentralen Herausforderungen. Aber jetzt geht es darum, das umsetzen."

Alle müssen mitziehen

Mit der Umsetzung ist das so eine Sache. Die Projekte - gerade auch der "Green Deal" - kosten viel Geld. Und es müssen auch alle mitziehen: die Mitgliedstaaten, die derzeit darüber streiten, ob sie künftig überhaupt mehr Mittel für die EU ausgeben wollen, und auch das Parlament. Dort hatte es von der Leyen anfangs nicht leicht. Wegen ihrer Nominierung stieß sie auf viel Widerstand.

Mittlerweile aber scheint sie auch viele Skeptiker überzeugt zu haben, sie hat sich Respekt erworben. Die Europaabgeordnete Katharina Barley von der SPD fasst zusammen: "Meine Einschätzung ist, sie ist da mit sehr viel Engagement rangegangen, hat sich auch hohe Ziele gesteckt. Jetzt muss sich aber bewahrheiten, was davon auch wirklich machbar und realistisch ist."

Politikwissenschaftler Emmanouilidis bescheinigt von der Leyen für die ersten 100 Tage auf europäischem Parkett eine Lernkurve, die nach oben zeigt. Er betont aber auch: Ob sie am Ende mit ihren Projekten Erfolg hat, hängt nicht von ihr alleine ab.

Astrid Corall, Astrid Corall, ARD Brüssel, 09.03.2020 09:26 Uhr