Informationspolitik im Konfliktgebiet Propagandaschlacht im Kaukasus

Stand: 13.08.2008 10:49 Uhr

Nicht erst seit Beginn des Krieges in Georgien wurde auch ein Kampf um Informationen ausgefochten. Dabei war den Beteiligten jedes Mittel recht: Falschinformationen, Manipulationen, Hackerangriffe im Netz und sogar ein inszenierter Anschlag, bei dem in Kauf genommen wurde, dass Menschen verletzt wurden.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Der Krieg in Georgien ist nicht nur eine militärische Auseinandersetzung. Er ist auch ein Kampf um die Frage, wer das Recht auf seiner Seite hat: Georgiens Präsident Michail Saakaschwili begründete den Einmarsch in Südossetien damit, dass die konstitutionelle Ordnung wieder hergestellt werden müsse. Russland spricht von einer humanitären Intervention, um ethnische Säuberungen zu stoppen.

Das russische Führungsduo Wladimir Putin und Dimitri Medwedjew benutzt diese Worte, um Assoziationen zum Kosovo-Konflikt heraufzubeschwören. Die Formulierungen der georgischen Seite erinnern – wohl eher unbedacht – an den Einmarsch der russischen Armee in Tschetschenien. Sie dienen jedenfalls dazu, das eigene brutale Vorgehen zu rechtfertigen, wenn es nicht von vorn herein bestritten wird. Da es kaum unabhängige Berichte aus den Kampfgebieten gibt, können alle Seiten ihre Behauptungen ungeprüft verbreiten. Diese Gelegenheit wird weidlich genutzt.

Von Russland aus werden Informationen verbreitet, die den militärisch weit unterlegenen Gegner stärker erscheinen lassen, freilich ohne es zu belegen: Der russische Militär-Aufklärungsdienst ließ über die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti verkünden, tausende Söldner aus Osteuropa kämpften gegen die russischen "Friedenssoldaten" und würden dabei von 1000 US-Militärexperten in Georgien geleitet. Die russische Zeitung "Prawda" berichtet, georgische Panzer und Infanterie würden von israelischen Beratern unterstützt – dies sei ein Beleg, dass der Konflikt von äußeren Kräften angestiftet worden sei. Zugleich wirft Russland dem Westen eine einseitige und politisch motivierte Berichterstattung vor: Die georgische Aggression sei verschwiegen worden. Das russische Vorgehen stehe jedoch in der Kritik.

Anschlag inszeniert?

Fehlmeldungen und Manipulationen sind indes schon lange an der Tagesordnung: Die abchasische Führung behauptete in den vergangenen Wochen, Georgien rücke mit Truppen an die Trennlinie zu Abchasien vor. Dies konnten die Beobachter der UN-Beobachtermission UNOMIG jedoch nicht bestätigen. Andererseits wird im Abchasien-Report für den UN-Sicherheitsrat von Ende Juli eine Darstellung der georgischen Seite bezweifelt, wonach bei den Parlamentswahlen am 21. Mai georgische Wähler an der Waffenstillstandslinie von Abchasen angegriffen worden seien. Sie sollten mit Bussen zu den Wahlurnen im nahe gelegenen Sugdidi gebracht werden. Aufnahmen georgischer Medien sollten belegen, dass die Georgier beschossen und die leeren Busse mit Granaten angegriffen wurden. Vier Menschen wurden dabei verletzt.  

Doch die Untersuchungen der UNOMIG ergaben Ungereimtheiten. So waren die Schüsse von georgischer Seite aus abgegeben worden. Die Fernsehbilder von der Explosion der Busse waren nicht verwackelt – die Kameras hatten offenbar auf Stativen gestanden. Das veranlasste die Beobachter zu der Vermutung, dass die Ereignisse erwartet worden waren. Unabhängige georgische Journalisten wurden in einer Dokumentation noch deutlicher: Sie nannten den Anschlag eine Inszenierung.

Kritische Stimmen werden unterdrückt

Nur selten gelingt es kritischen Journalisten und Experten in Georgien, über die Konfliktregionen zu berichten. Der Dokumentarfilmer und Menschenrechtler Mamuka Kuparadze beklagte schon im vergangenen Jahr, dass kein Sender seine Reportage über Abchasien ausstrahlen wollte. Gegen den Politikwissenschaftler und Oppositionspolitiker Paata Zakareischwili wurde eine regelrechte Medienkampagne der regierungsnahen Fernsehsender geführt. Er hatte mit anderen Experten einen Plan zur Lösung des Abchasien-Konflikts ausgearbeitet, der der Regierung jedoch zu weit ging. Vor den Parlamentswahlen im Mai konnte Zakareischwili kaum noch öffentlich auftreten: Eine Filmveranstaltung in Telavi wurde abgesagt, weil er dabei einen Vortrag halten wollte. Die Stadt weigerte sich, den Kinosaal zur Verfügung zu stellen, wenn er auftreten würde.

Verfälschte Informationen

Je näher die Eskalation des Konfliktes in den vergangenen Tagen rückte, desto aggressiver wurden unliebsame Informationen unterdrückt oder verfälscht. Als die Führung Südossetiens am ersten Augustwochenende begann, Frauen und Kinder in das benachbarte Nordossetien auf der russischen Seite zu bringen, bezeichnete der für die abtrünnigen Regionen Georgiens zuständige Minister Temur Jakobaschwili dies als Transporte in Ferienlager.

Krieg im Internet

Sehr schnell verlagerte sich der Kampf um die Informationshoheit in den vergangenen Tagen ins Internet. Als eine der ersten wurde die Webseite südossetischen Rundfunks angegriffen. Dort hatte eine Meldung gestanden, dass 29 georgische Soldaten bei der Detonation einer Mine getötet worden seien. In den georgischen Medien war nur über den Tod von sechs Südosseten berichtet worden. Am Freitag wurde dann der international renommierte georgische Nachrichtendienst Civil, der unter anderem von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt wird, lahm gelegt. Die Nachrichten werden inzwischen über eine Mailingliste verteilt. Wer genau wen stört, ist nicht leicht zu klären.

Das georgische Außenministerium bloggt

Auch die Seiten des regierungsnahen Fernsehsenders Rustawi 2 und des Georgischen Staatsfernsehens wurden gehackt. Das georgische Außenamt verbreitet seine Meldungen nach mehreren Angriffen als Blog. Das Ministerium veröffentlicht im Minutentakt Informationen über die militärischen Auseinandersetzungen – und steht dabei im "Wettstreit" mit dem russischen Fernsehsender Russia Today. Präsident Michail Saakaschwili erhielt nach einem Hackerangriff auf seine Homepage inzwischen von seinem polnischen Amtskollegen Lech Kaczynski die Möglichkeit, dessen Webseite zu nutzen.

Für die Menschen in Georgien wird es indes immer schwieriger, Informationen von verschiedenen Seiten zu erhalten. Nicht nur die Webseiten mit dem Domain-Namen .ru sind offenbar gesperrt. Am Samstag erklärte Parlamentspräsident David Bakradse, in Georgien seien die russischen Fernsehsender abgeschaltet worden, da sie nur Falschinformationen über die Lage in Südossetien verbreiteten. Da gleich zu Beginn der Angriffe die Telekommunikationsmasten zerstört wurden, gibt es auch keine Telefonverbindungen mehr in die Region.

Ende Juli war noch eine Nachricht an die Georgier durchgedrungen, die man allerdings kaum glauben und schon gar nicht wahrhaben wollte: In einem Interview mit der unabhängigen Wochenzeitung "Kwiris Palitra" hatte der russische Militärexperte und Journalist Pawel Felgenhauer gewarnt, er befürchte im August den Ausbruch eines Krieges. Nun ist er da - und die Propagandaschlacht auf ihrem Höhepunkt angelangt.