Streit um Verteilung von Flüchtlingen Weniger EU-Geld für Verweigerer?

Stand: 31.08.2015 16:31 Uhr

Bei der Flüchtlingspolitik endet die Solidarität innerhalb Europas. Vor allem die osteuropäischen Länder weigern sich, Flüchtlinge aufzunehmen. Für EU-Parlamentspräsident Schulz ist das "Egoismus pur". Aus Österreich kommt nun ein radikaler Vorschlag.

Eigentlich sollte es eine feste Quote für die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen innerhalb der EU geben. Doch daraus wurde nichts, die Quote scheiterte am Widerstand einiger nationaler Regierungen. Vor allem die osteuropäischen Länder, aber auch Großbritannien, Irland und Dänemark stehlen sich aus der Verantwortung. Inzwischen müssen Hunderttausende Flüchtlinge in der EU verteilt werden, doch von einer gemeinsamen Asyl- und Flüchtlingspolitik ist die EU weit entfernt.

Als eines der am stärksten von der steigenden Zahl von Flüchtlingen betroffenen Länder der EU erhöhte Deutschland am Wochenende den Druck auf die anderen Staaten, mehr Asylsuchende aufzunehmen. Vor allem die südlichen Grenzstaaten Italien und Griechenland, aber auch Deutschland bräuchten Entlastung bei den Flüchtlingszahlen, mahnte Kanzlerin Angela Merkel. Vizekanzler Sigmar Gabriel bezeichnete es als Schande, dass Europa zu keiner gemeinsamen Asyl- und Flüchtlingspolitik finde.

Egoismus pur

Deutlicher wurde EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: "Wir erleben gerade nationalen Egoismus in reinster Form", kritisierte er im Deutschlandfunk. Derzeit würden 90 Prozent aller Flüchtlinge von gerade einmal neun der insgesamt 28 EU-Staaten aufgenommen. "Das geht so nicht." Es handle sich um ein globales Problem, das national nicht gelöst werden könne. Nötig sei eine europäische Flüchtlings- und Einwanderungspolitik.

Radikaler Vorschlag aus Österreich

Aus Österreich kommt nun der Vorschlag, eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen zu erzwingen. EU-Mitgliedsländer, die sich querstellen, sollten Gelder aus dem EU-Haushalt gestrichen werden, schlug Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor. Der Druck auf die Regierungen müsse erhöht werden, sagte die konservative Politikerin im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Eine Möglichkeit sei, dass "Förderungen reduziert werden, wenn eben keine solidarische Verantwortung übernommen wird".

"Man kann sich in einer europäischen Gemeinschaft nicht nur die Rosinen herauspicken", sagte Mikl-Leitner mit Blick auf die Blockierer. In einer schwierigen Situation wie derzeit "heißt es auch, Verantwortung zu übernehmen". Druck auf die Staaten "kann man durch finanzielle Unterstützung, die gestrichen oder gekürzt wird, aufbauen".

Die hohe Zahl der Einwanderer stelle die EU vor eine existenzielle Herausforderung, sagte die Österreicherin weiter: Eine Sperranlage wie in Ungarn an der Grenze zu Serbien sei keine Lösung. Zu glauben, der Zaun werde Flüchtlinge abhalten, sei eine "Illusion".

EU-Sondertreffen Mitte September

Auf Druck Deutschlands, Frankreichs und Großbritannien soll es am 14. September ein Sondertreffen der Innen- und Justizminister der Europäischen Union zur Flüchtlingskrise geben. Die Lage innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft sei beispiellos, erklärte die luxemburgische Regierung zur Begründung. Das Land sitzt zurzeit dem EU-Rat vor.

Besuch in Calais

Unterdessen informierte sich Frankreichs Regierungschef Manuel Valls in Calais über die Situation der Flüchtlinge und die Sicherheitslage in der nordfranzösischen Stadt. Mit dabei waren Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sowie die EU-Kommissare Frans Timmermans und Dimitris Avramopoulos. Bei dem Vor-Ort-Besuch forderte Valls eine entschlossene Haltung Europas gegen Schleuser. Illegale Einwanderung dürfe nicht mit dem Recht auf Asyl verwechselt werden.

Timmermanns sagte Frankreich 5,2 Millionen Euro an Soforthilfen zu. Damit soll unter anderem ein neues Zeltlager mit Platz für bis zu 1500 Menschen gebaut werden. Das Lager mit 120 Zelten für jeweils zwölf Flüchtlinge solle "Anfang 2016" entstehen, sagte Valls in Calais.

In Calais sammeln sich seit Jahren Migranten, die in der Hoffnung auf bessere Asyl- und Arbeitsbedingungen nach Großbritannien wollen. Zeitweise kampierten dort nach Schätzungen bis zu 3000 Flüchtlinge. Viele versuchen, auf Zügen durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal illegal nach Großbritannien zu gelangen. Es gab bereits mehrere Tote.