Iren lehnen EU-Vertrag ab Nein der Iren hat ernsthafte Folgen

Stand: 13.06.2008 16:29 Uhr

Nach dem Nein der Iren kann der Vertrag von Lissabon nicht wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten. Wie wird es nun weitergehen in der EU? Folgt ein totaler Stillstand oder ein Europa der zwei Geschwindigkeiten?

Das Nein aus Irland ist für die EU ein schwerer Rückschlag. Denn mit der Einigung auf den Reformvertrag hatte die Gemeinschaft der 27 Staaten erst im vergangenen Jahr die lähmende Krise beendet, die mit der Ablehnung der EU-Verfassung im Jahr 2005 in Frankreich und den Niederlanden begann. EU-Diplomaten befürchten nun ernsthafte Folgen.

Muss Kroatien draußen bleiben?

So kann der EU-Vertrag nicht wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten, denn dieser muss die Zustimmung aller EU-Länder finden. Die EU muss auf der Grundlage des Vertrages von Nizza weiterarbeiten. Doch dieser Vertrag gilt wegen seiner komplizierten Abstimmungsregeln als untauglich für eine Gemeinschaft von 27 Staaten. Der Vertrag von Lissabon sieht ein deutlich einfacheres Abstimmungsverfahren mit häufigeren Mehrheitsentscheidungen vor. Auch die neue Führungsstruktur mit einem dauerhaften EU-Ratspräsidenten und einem stärkeren Repräsentanten für die Außenpolitik kann vorerst nicht eingeführt werden.

Der Nizza-Vertrag legt vor allem fest, dass bereits 2009 die EU-Kommission verkleinert werden muss. Bislang konnte jede der 27 Regierungen einen Vertreter in die Kommission entsenden. Die Zahl der künftigen Kommissionsmitglieder muss nun vom Rat einstimmig festgelegt werden, ebenso die Einzelheiten einer "gleichberechtigten Rotation". Der Reformvertrag hatte vorgesehen, dass eine Verkleinerung auf zwei Drittel der bisherigen Größe erst 2014 erfolgen soll. Da der Vertrag von Nizza ausdrücklich auf 27 Mitgliedsstaaten ausgelegt ist, fragen sich nun nicht nur die EU-Juristen, ob der für 2009 angestrebte Beitritt Kroatiens überhaupt noch möglich ist.

Irland fehlt ein Plan-B

Großbritannien, Deutschland und Frankreich werden voraussichtlich die Devise ausgeben, die Ratifizierung in den noch ausstehenden acht Ländern fortzuführen. Entsprechende Signale gibt es auch aus eher skeptischen Ländern wie der Tschechischen Republik und Schweden. Irland würde damit unter Druck stehen, einen Ausweg aus der Krise zu finden.

Vor sieben Jahren, als der Vertrag von Nizza bei dem Referendum in Irland durchfiel, fand sich eine Lösung: Nach einigen Zusagen und Ausnahmeregelungen wurde der Vertrag den Wählern 2002 erneut vorgelegt und bekam grünes Licht. Dieses "juristische Arrangement" ist zwar auch beim Lissabon-Vertrag denkbar, aber unklar ist, mit welchen Änderungen die Iren besänftigt werden können. Denn wesentliche Kritikpunkte wie die mangelnde Absicherung der militärischen Neutralität wurden in der Vergangenheit längst geklärt.

Dublin hatte vor dem Referendum mehrfach erklärt, es gebe keinen Plan-B, wie es nach einem Nein weitergehen soll. Irland könnte auch nur dann ein zweites Mal über den EU-Vertrag abstimmen lassen, wenn alle 26 anderen Staaten den Vertrag ratifiziert haben. Bislang haben dies 18 Länder getan.

Als sehr unwahrscheinlich gilt ein dritter Anlauf für einen komplett neuen EU-Vertrag. Schon der Vertrag von Lissabon war nur zu Stande gekommen unter größten Anstrengungen, nach zähen Verhandlungen und zahlreichen Zugeständnissen an einzelne Länder wie Polen und Großbritannien. Wahrscheinlicher ist daher ein so genanntes Europa der zwei Geschwindigkeiten. Bereits die jetzt geltenden EU-Verträge sehen eine "verstärkte Zusammenarbeit" vor, an der nicht alle EU-Länder Teil haben müssen. Beispiele dafür sind der Euro und das Abkommen von Schengen.

Klar ist, dass Europa eine Lösung gemeinsam mit Irland finden muss. Ein Austritt Irlands aus der EU wäre erst mit dem Vertrag von Lissabon möglich geworden.