Eine "Iskander-M"-Rakete ist in Kubinka (Russland) zu sehen.

SIPRI-Bericht Atommächte treiben Aufrüstung voran

Stand: 12.06.2023 02:27 Uhr

Die Atommächte stärken dem Friedensforschungsinstitut SIPRI zufolge ihre nuklearen Arsenale. Nach Kriegsbeginn gegen die Ukraine habe auch die Transparenz abgenommen. Ein deutlicher Zuwachs der Sprengköpfe wurde in China verzeichnet.

Alle Atomwaffenstaaten haben laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI ihre nukleare Aufrüstung forciert. In ihrem Jahresbericht warnen die Forscherinnen und Forscher vor der steigenden Zahl einsatzfähiger Atomwaffen. "Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte", sagte SIPRI-Direktor Dan Smith. Er forderte, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken.

Dem Bericht zufolge modernisieren die neun Atommächte - die USA, Russland, das Vereinigte Königreich, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel - ihre Kernwaffenarsenale weiter. Zwar ging der globale Bestand an Atomsprengköpfen nach SIPRI-Schätzungen von Anfang 2022 bis Anfang 2023 um knapp 200 auf schätzungsweise 12.512 weiter zurück. Dafür steige die Zahl der einsatzfähigen Atomwaffen, und zwar um 86 auf schätzungsweise 9576.

SIPRI unterscheidet bei seinen Recherchen zwischen einsatzbereitem Lagerbestand und Gesamtbestand. Zu letzterem gehören auch ältere Atomwaffen und solche, die für den Rückbau bestimmt sind.

Weniger Transparenz über Anzahl

Rund 2000 Sprengköpfe würden vor allem durch Russland und die USA in hoher Alarmbereitschaft gehalten. Diese lagerten entweder in Raketen montiert oder auf Luftwaffenstützpunkten, auf denen auch Atombomber stationiert seien. Laut den Friedensforschern besitzen Russland und die USA zusammen fast 90 Prozent aller Atomwaffen. Ihre Arsenale seien 2022 stabil geblieben, allerdings habe die Transparenz nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine deutlich abgenommen. Auch die britische Regierung gab die Zahl der Atomwaffen 2022 nicht mehr öffentlich bekannt.

SIPRI-Direktor Smith verwies darauf, dass die steigenden Lagerbestände nicht mit dem Krieg in der Ukraine erklärt werden könnten, weil es länger dauere, neue Sprengköpfe zu entwickeln. Zudem seien die Länder mit den größten Erhöhungen nicht direkt vom Krieg betroffen.

Deutlicher Anstieg bei China

Der Großteil der aktuellen Steigerung ist auf China zurückzuführen, das seinen Lagerbestand von 350 auf 410 Atomwaffensprengköpfe erhöhte. Die Forscher erwarten, dass das chinesische Arsenal weiter wächst, sodass das Land bis Ende des Jahrzehnts über mindestens so viele ballistische Interkontinentalraketen verfügen könnte wie die USA oder Russland.

Auch Indien und Pakistan hätten 2022 neue Arten von nuklearen Trägersystemen eingeführt und weiterentwickelt. Die indischen Waffen seien nun auf größere Reichweiten ausgelegt, einschließlich solcher, die Ziele in ganz China erreichen könnten, vermuten die Forscher.

Mit Sorge verweist SIPRI auf die allgemein verschärfte Rhetorik der Staaten in Bezug auf die Bedeutung von Atomwaffen. Auch Nordkorea betrachte sein militärisches Nuklearprogramm weiterhin als zentrales Element seiner Sicherheitsstrategie. Die Forscher schätzen, dass das Land inzwischen etwa 30 Sprengköpfe zusammengebaut hat und über genügend spaltbares Material für bis zu 70 Sprengköpfe verfügt.

Sofie Donges, NDR, tagesschau, 12.06.2023 06:43 Uhr