Überschwemmung in Orsk, Russland

Hochwasserkatastrophe Kritik an Behörden in Kasachstan und Russland

Stand: 10.04.2024 14:57 Uhr

Die Hochwasserlage in Kasachstan und im Süden Russlands hat sich weiter verschärft. Mittlerweile sind mehr als 96.000 Menschen in Sicherheit gebracht worden. In beiden Ländern wird den Behörden vorgeworfen, schlecht gewappnet zu sein.

Die Hochwasserkatastrophe in Russland und Kasachstan betrifft immer mehr Menschen. Seit Beginn der Überschwemmungen vergangenen Monat seien bereits 96.472 Menschen "gerettet und evakuiert" worden, teilte das kasachische Katastrophenschutzministerium mit.

In der nordkasachischen Stadt Petropawlowsk wurde eine Zwangsevakuierung gestartet. "Eine riesige Wassermenge bewegt sich auf Petropawlowsk zu", zitierten Staatsmedien den örtlichen Regierungschef Gaues Nurmuchambetow. "Ich betone: riesig."

In der russischen Großstadt Orenburg stand der Fluss Ural mehr als zehn Meter hoch, wie Gebietsgouverneur Denis Pasler mitteilte. Damit wurde die kritische Marke von 9,30 Meter deutlich überschritten. Mehrere Stadtteile standen dort bereits unter Wasser. Die Stadtverwaltung rechnete mit einem weiteren Anstieg um 30 bis 70 Zentimeter. Der Bürgermeister der Stadt, Sergej Salmin, warnte, das Hochwasser werde voraussichtlich heute seinen Höhepunkt erreichen und "beispiellos" sein.

Menschen kämpfen seit Tagen in Teilen von Russland und Kasachstan mit einer Flutkatastrophe

Norbert Hahn, WDR, tagesschau, 10.04.2024 12:00 Uhr

"Jahrhundertflut mit apokalyptischen Ausmaßen"

Pasler forderte die Menschen auf, sich in sichere Teile der Stadt zu retten. In der Region Orenburg gilt der Ausnahmezustand. Knapp 13.000 Häuser sind überschwemmt, mehr als 7.000 Menschen mussten sich in Sicherheit bringen und ihr Hab und Gut zurücklassen. Russische Staatsmedien sprechen von einer "Jahrhundertflut mit apokalyptischen Ausmaßen".

Karte: Russland mit der Stadt Orenburg und Kasachstan mit dem Fluss Ural

Die Wassermassen führten dazu, dass in mehreren Dörfern die Umspannwerke abgeschaltet werden mussten und es keinen Strom gab. Gerichte stellten ihre Arbeit ein, Museen brachten ihre Schätze in Sicherheit.

Auch die Stadt Tjumen rechnet mit Rekord-Pegelständen. Die gleichnamige Region Tjumen sowie die Region Kurgan hatten bereits den Notstand ausgerufen. In der 300.000-Einwohner-Stadt Kurgan drohte laut Stadtverwaltung eine Überflutung des Flughafens.

Menschen riefen "Putin hilf!"

Besonders betroffen im Gebiet Orenburg ist die Stadt Orsk, wo Dämme gebrochen waren. Am Mittwoch teilte die Stadtverwaltung nun aber mit, dass der Pegelstand um 29 Zentimeter gesunken sei. In der weiter östlich gelegenen Region Kurgan wurden nach Angaben von Einsatzkräften vorsorglich 1.600 Menschen in Sicherheit gebracht. Auf Fotos und Videos waren riesige überflutete Flächen zu sehen. Teils ragten von den Häusern nur Dächer aus dem Wasser.

Russlands Präsident Wladimir Putin, der laut Kreml fortlaufend über die Lage informiert wird, ordnete einen größeren Einsatz von Polizeipatrouillen an. Plünderungen sollen so verhindern werden. Auf einem Video war zu sehen, wie Menschen auf einem Platz "Putin hilf!" riefen. Bisher schickt der Kremlchef Regierungsmitglieder in die Katastrophenregion, wo die Wasserstände durch die massive Schnee- und Eisschmelze im Uralgebirge begleitet von Dauerregen schnell angestiegen waren.

Kritik an Behörden in Kasachstan und Russland

Der kasachische Staatschef Kassym-Schomart Tokajew hatte bereits vergangene Woche "mit Blick auf Ausmaß und Konsequenzen" von der vielleicht "größten Naturkatastrophe der vergangenen 80 Jahren" gesprochen und den örtlichen Behörden vorgeworfen, keine ausreichenden Vorkehrungen für das Hochwasser getroffen zu haben.

Mittlerweile sind an den Rettungseinsätzen in Kasachstan 23.000 Mitarbeiter der Ministerien für Katastrophenschutz, Inneres und Verteidigung sowie der Geheimdienste beteiligt.

Auch in Russland bemängeln Kritiker, dass seit Jahren zu wenig getan werde, um sich gegen das Frühjahrshochwasser zu rüsten. "In Russland gibt es eine Katastrophe nach der anderen", sagte die Putin-Kritikerin Julia Nawalnaja, Witwe des im Februar gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny. Die Machthaber seien wie immer nicht vorbereitet. "Im Winter sind sie nicht auf Frost und Schneefall vorbereitet, im Sommer nicht auf die Waldbrände, im Frühjahr nicht auf das Hochwasser", sagte sie. Es stünden mehr als 18.000 bewohnte Grundstücke unter Wasser. "Aber Putins Beamte beeilen sich nicht, den Menschen zu helfen." Sie seien nur mit sich selbst beschäftigt.

Björn Blaschke, ARD Moskau, zzt. Tiflis, tagesschau, 10.04.2024 17:40 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 09. April 2024 um 22:40 Uhr.