Jeffrey Donaldson, Vorsitzender der DUP, spricht neben seinen Parteikolleginnen und -kollegen im Parlamentsgebäudes in Belfast, Nordirland.

Protest gegen Brexit-Regeln DUP blockiert Parlament in Nordirland

Stand: 13.05.2022 19:44 Uhr

Gerade gewählt und schon arbeitsunfähig: Der Streit um den Brexit-Sonderstatus für Nordirland lähmt das Regionalparlament. Die pro-britische Partei DUP blockiert aus Protest gegen Handelsvorschriften die Wahl des Parlamentspräsidenten.

Das neu gewählte Parlament in Nordirland ist arbeitsunfähig. Die wichtigste protestantische Partei in dem britischen Landesteil, die Democratic Unionist Party (DUP), verweigerte die Wahl eines Parlamentspräsidenten. Sie protestierte damit gegen die mit der EU vereinbarten Brexit-Regeln für Nordirland. Die DUP habe entschieden, weder für einen Parlamentspräsidenten zu stimmen noch einen eigenen Kandidaten aufzustellen, sagte Parteichef Jeffrey Donaldson in der ersten Sitzung der neu gewählten National Assembly.

"Wir müssen eine klare Botschaft an die Europäische Union und unsere Regierung senden, dass wir es ernst meinen damit, das Protokoll anzupacken, wegen des Schadens, das es anrichtet", so Donaldson.

Protest gegen Brexit-Regelungen

Die DUP fordert, dass die britische Regierung die Vereinbarung aufhebt, die sie im Zuge des Brexit-Abkommens mit der EU vereinbart hatte. Die Regelung soll Kontrollen an der Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland vermeiden und damit verhindern, dass der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern einer Vereinigung der britischen Provinz Nordirland mit der Republik Irland wieder aufflammt.

Stattdessen ist aber eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs entstanden. Die britische Regierung und Anhänger der Union wie die DUP befürchten deshalb eine Entfremdung von London.

Boykott auf unbestimmte Zeit

Der Boykott werde solange aufrechterhalten, bis die Handelsvorschriften aufgehoben würden, teilte die DUP. Parteichef Donaldson sagte, die Kritik der Partei an den neuen Handelsregeln - auch als Nordirland-Protokoll bekannt - sei nicht nur ein politischer Zank. "Das Protokoll ist eine direkte Infragestellung der Grundsätze, die in den letzten 25 Jahren jedes Abkommen in Nordirland untermauert haben", sagte er. "Es untergräbt die Grundlagen, auf denen die Dezentralisierung aufgebaut wurde."

Die Vizepräsidentin der katholisch-republikanischen Partei Sinn-Fein, Michelle O'Neill, warf der DUP daraufhin vor, die Menschen in Nordirland mit ihrer Blockadehaltung für ihre verfehlte Brexit-Politik in Geiselhaft zu nehmen. Sinn Fein hatte die Regionalwahl für sich entschieden. Die Chefin der konfessionsübergreifenden Alliance Party, Naomi Long, bezeichnete die Haltung der DUP als "unglaublich frustrierend".

Auch der irische Premierminister Micheal Martin forderte die DUP auf, ihre Blockadehaltung zu beenden. "Ja, es gibt Probleme, auf die uns Unionisten im Hinblick auf das Protokoll hingewiesen haben", sagte Martin. "Aber diese Probleme sollten uns nicht die Konstitution der Regionalversammlung und die Bildung einer Regierung verhindern."

Regionalparlament derzeit arbeitsunfähig

Bei der Wahl zum nordirischen Regionalparlament in der vergangenen Woche kam die protestantische DUP auf den zweiten Rang. Wahlsieger war die katholische Partei Sinn Fein, die eine Union mit Irland anstrebt. Nach einem Abkommen darf Sinn Fein nun das Amt der Ersten Ministerin besetzen, während die DUP den Posten des Stellvertreters übernimmt. Eine Regierung kann nur gebildet werden, wenn beide Ämter besetzt sind.

Die DUP stellt die Bedingung, das Nordirland-Protokoll aufzuheben und die Grenzkontrollen für Waren abzuschaffen, die aus den anderen britischen Landesteilen nach Nordirland eingeführt werden.

Beim Brexit-Referendum im Jahr 2016 hatte sich die DUP für den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs eingesetzt und später gemeinsam mit Brexit-Hardlinern der Tory-Partei eine als "Backstop" bezeichnete Kompromisslösung der damaligen britischen Premierministerin Theresa May blockiert. Das Nordirland-Protokoll, das die DUP ablehnt, ist daher nicht unerheblich auch auf ihr eigenes Tun zurückzuführen.

Rees-Mogg: EU will London für Brexit bestrafen

Im Streit um die Brexit-Regeln für Nordirland warf ein britisches Regierungsmitglied der EU vor, Großbritannien für den EU-Austritt bestrafen zu wollen. "Ich denke, sie will dem Vereinigten Königreich ein schlechtes Gewissen machen, weil es die EU verlassen hat", sagte der Staatssekretär für Brexit-Chancen, Jacob Rees-Mogg, der BBC. "Das untermauert ihre ganze Politik, und sie kümmert sich nicht wirklich um die Folgen", sagte er über die EU.

Großbritannien dürfe keine Rücksicht nehmen, so Rees-Mogg. "Wir müssen unseren eigenen Weg gehen. Wir sind ein unabhängiges Land, und was die EU will und denkt, ist zweitrangig." Der EU warf er vor, in böser Absicht zu handeln. Der Vertrag sehe eine Überarbeitung vor, behauptete er. Diese sei aber bisher nicht erfolgt.

Die britische Regierung in London dringt auf eine Neuverhandlung des Abkommens, das Premierminister Boris Johnson selbst unterzeichnet hatte. Sie forderte die EU inzwischen ultimativ auf, Änderungen an dem Vertrag zuzustimmen. Ansonsten wolle man die Regelung einseitig beenden. In diesem Fall könnte ein Handelskrieg drohen.

EU beharrt auf auf Nordirland-Protokoll

EU-Vertreter hatten zuvor angekündigt, dass einseitige Maßnahmen der Regierung in London Folgen für Handelsprivilegien hätten. Brüssel beharrt darauf, dass es sich beim Nordirland-Protokoll um einen völkerrechtlich bindenden, internationalen Vertrag handelt. Die EU hat Änderungen vorgeschlagen, die Großbritannien aber als unzureichend und kontraproduktiv abgelehnt hat.

Der für die Verhandlungen mit der britischen Regierung zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic sagte, es brauche Ehrlichkeit in Bezug auf die Tatsache, dass die EU nicht alle Probleme lösen könne, die durch den Brexit entstanden seien.

Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses des EU-Parlaments, Anna Cavazzini, bezeichnete es als "absurd und unverantwortlich", dass London jetzt einen Streit als Ablenkungsmanöver mit der EU beginne. "Es zeigt: Premierminister Boris Johnson steht innenpolitisch mit dem Rücken zur Wand."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. Mai 2022 um 23:30 Uhr.