Catherine De Bolle

Bericht von Europol Mehr als 800 kriminelle Netzwerke in Europa

Stand: 05.04.2024 14:13 Uhr

Sie sind hauptsächlich im Drogenhandel aktiv, schrecken vor Gewalt nicht zurück und agieren über Grenzen hinweg - erstmals verfügt Europol über Details zu mehr als 800 kriminellen Netzwerken. Diese sind auch in Deutschland tätig.

Der Europol-Bericht soll ein besseres Verständnis darüber ermöglichen, wie die Arbeitsweise der kriminellen Netzwerke in der EU ist. Noch nie habe man eine so tiefgehende Analyse der bedrohlichsten Banden erstellt, schilderte Belgiens Innenministerin Annelies Verlinden.

"Dieser einzigartige Datensatz, der durch die unermüdliche Zusammenarbeit aller EU-Mitgliedsländern und 17 von Europols Partner-Drittstaaten entstanden ist, stellt ein detailliertes Profil von 821 der bedrohlichsten kriminellen Netzwerke dar. Zum ersten Mal haben wir detaillierte Daten über deren Aktivitäten, Nationalitäten, Arbeitsweisen und ihren grenzüberschreitenden Verbindungen zusammengefasst."

Dem Bericht zufolge bestehen die 821 Netzwerke aus rund 25.000 Mitgliedern. Rund die Hälfte von ihnen ist in den Drogenhandel verwickelt, zumeist mit Kokain, synthetischen Drogen und Cannabis, rund zwei Drittel der Banden wenden Gewalt an.

Netzwerke hauptsächlich im Drogenhandel tätig

Die allermeisten dieser Netzwerke konzentrieren sich auf eine kriminelle Aktivität, nur 18 Prozent sind auf verschiedenen Feldern aktiv. Neben dem Drogenhandel begehen die Netzwerke meist Betrugsdelikte. Weitere Verbrechen sind Einbrüche, Diebstähle und Menschenhandel. Ein Drittel der Netzwerke operiert dabei auch langfristig, ist schon seit mehr als zehn Jahren aktiv.

Alle diese Netzwerke seien über Staatsgrenzen hinweg aktiv, erklärte Europol-Geschäftsführerin Catherine de Bolle. "Kein Mitgliedsstaat ist dagegen immun. Unter den 25.000 Verdächtigen finden sich 112 Nationalitäten. Die meisten Gruppen setzen sich aus mehreren Nationalitäten zusammen und nur ein Drittel hat Mitglieder einer einzigen Nationalität."

Multinational strukturiert ist demnach auch die sogenannte "Mocro-Mafia", die vor allem in den Niederlanden und Belgien aktiv ist. Anders als der Name suggeriert, besteht das Netzwerk den Daten zufolge eben nicht ausschließlich aus Mitgliedern mit marokkanischen Wurzeln. Vielmehr handelt es sich um multinationale Banden, die etwa Kontakt zu spanischen Kriminellen halten und vor allem in den Verkauf von Kokain und Cannabis verwickelt sind.

Aktivität über EU-Grenzen hinaus

In Deutschland werden Hunderte Sprengungen von Geldautomaten der "Mocro-Mafia" zugerechnet. Der Europol-Bericht schlüsselt auch auf, in welchen Ländern bestimmte Netzwerke aktiv sind. Deutschland findet sich unter den Staaten, in denen Banden vor allem im Drogenhandel, Menschenhandel oder im Online-Betrug tätig sind.   

"Die meisten Gruppen haben Verbindungen, die über die Grenzen der EU hinausgehen, vor allem in Nachbarländer der EU. Eine große Mehrheit, 76 Prozent der kriminellen Netzwerke, haben einen starken geografischen Fokus. Sie weiten ihr Haupttätigkeitsfelder nicht zu weit aus", sagte de Bolle. Bei Europol würden diese als "glokale" kriminelle Netzwerke bezeichnet.

Oft mit legalen Branchen verwoben

Aus Sicht der Ermittler sind die kriminellen Netzwerke auch deswegen gefährlich, weil sie mit legalen Wirtschaftsbereichen verwoben sind, um ihre kriminellen Handlungen zu verschleiern oder ihre Gewinne zu waschen. Aus Sicht der Ermittlerinnen und Ermittler macht das die Netzwerke beweglich.

In einem Beispiel wird der Anführer eines kriminellen Netzwerks aus dem spanischen Marbella genannt. Er nutzte mehrere Unternehmen, darunter eine Firma, die Bananen aus Ecuador einführt, außerdem Sport-, Einkaufszentren und Restaurants, um Geldwäsche zu verschleiern. 86 Prozent der Netzwerke nutzten demnach legale Geschäftsstrukturen. Ziel der Analyse von Europol soll es sein, das organisierte Verbrechen in der Europäischen Union mithilfe dieser Daten gezielter zu bekämpfen.

Paul Vorreiter, ARD Brüssel, tagesschau, 05.04.2024 14:40 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 05. April 2024 um 14:14 Uhr.