Nach der Festnahme von Mladic Serbien fordert Gegenleistung ein

Stand: 26.05.2011 16:55 Uhr

Die Festnahme von Ex-General Mladic hat Serbien näher an die EU gebracht. In Brüssel war von einem guten Signal, einem Vertrauensbeweis und neuer Dynamik im serbischen Beitrittsprozess die Rede. Doch es gibt noch weitere Hürden auf dem Weg zur Mitgliedschaft.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkkorrespondent Brüssel

Es sei reiner Zufall gewesen, versichern EU-Diplomaten. Aber besser hätte das Timing für die europäische Außenpolitikchefin nicht sein können: Catherin Ashton hatte sich ganz kurzfristig entschlossen, heute nach Serbien zu fliegen. Und als sie in Belgrad landete, war die ganze Geschäftsgrundlage für den Besuch völlig verändert. Statt dem serbischen Präsidenten Boris Tadic ein weiteres Mal ins Gewissen zu reden, endlich mal ernsthaft nach Mladic zu suchen, kann sie ihm gleich persönlich zur Festnahme des meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrechers in Europa gratulieren.

Mit der Gratulation wird sich Tadic aber nicht zufrieden geben. Als er in Belgrad die Festnahme verkündete, schob er gleich eine Forderung nach: Als Gegenleistung erwarte er nun einen zügigen Beitritt Serbiens zur EU.

EU-Beitrittsgesuch Serbien

Serbien beantragt 2009 offiziell die Aufnahme in die Europäische Union.

Haupthindernis aus dem Weg geräumt

In der Tat war der mangelnde Eifer Belgrads, den ehemaligen Kommandeur der bosnischen Serben vor den Kadi zu bringen, über Jahre das Haupthindernis für eine Annäherung zwischen Serbien und der EU.

EU-Kommissionspräsident Barroso bezeichnete die Verhaftung Mladics denn auch als gute Nachricht, als gutes Signal in Richtung EU. Er sei gerade vor einer Woche in Serbien gewesen, und da habe ihm Präsident Tadic versprochen, dass man alles tun würde, um Mladic festzunehmen. Da dies nun geschehen sei, stellte Barroso fest, heiße das, Tadic halte sein Wort. Und daher sollte die EU jetzt auch auf Serbiens Entschlossenheit vertrauen, der EU näher zu kommen. Ähnlich äußerte sich EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek: Die Festnahme Mladics verleihe dem serbischen Beitrittsprozesses eine neue Dynamik.

Bedingung erfüllt, aber...

Der Aufnahmeantrag des Landes liegt seit Ende 2009 in Brüssel. Im Oktober 2010 beschlossen die EU-Außenminister dann, den Beitrittsprozess formell in Gang zu setzen. Die Entscheidung war heiß umstritten. Besonders die Niederländer hielten dagegen. Sie wollten lange nicht davon abrücken, dass die Serben als Vorbedingung erst mal alle gesuchten Kriegsverbrecher an das Jugoslawien-Tribunal in Den Haag ausliefern müssten.

2008 war das bereits mit dem politischen Führer der bosnischen Serben Karadzic geschehen. Jetzt folgt Mladic - die großen Klötze sind damit aus dem Weg geräumt. Aber am Ziel ist Belgrad damit noch lange nicht. So sieht das auch der niederländische Regierungschef Mark Rutte. Ja, sagt Rutte, Mladic sei eine der wichtigen Vorbedingungen gewesen. Aber da gehöre noch mehr dazu. Es sei nicht so, dass die Verhaftung von diesem Mann nun eins zu eins zum Beitritt führe, betont Rutte. "So geht das nicht."

Gesucht wird: Goran Hadzic

So steht Belgrad immer noch in der Pflicht, auch den Anführer der kroatischen Serben Goran Hadzic aufzuspüren und auszuliefern. Außerdem muss Serbien noch erhebliche Anstrengungen unternehmen, was die Unabhängigkeit der Justiz oder die Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität anbetrifft. Und die Beziehungen zum Kosovo, der mittlerweile unabhängigen ehemaligen Provinz Serbiens, müssen normalisiert werden.

Im Herbst will die EU-Kommission eine Stellungnahme zum serbischen Antrag abgeben. Fällt die positiv aus, könnten die EU-Regierungschefs danach die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen beschließen. Die Chancen dafür sind nun erheblich gestiegen. So sieht es auch der EU-Sonderbeauftragte für Bosnien, Valentin Inzko: Die Festnahme sei ein "gewaltiger Schritt" und, so glaube er, "das letzte Hindernis auf dem Weg zum Kandidatenstatus".