EU-Kommission will Frontex umbauen Grenzschutz, der nicht überall willkommen ist

Stand: 17.12.2015 05:19 Uhr

Die Pläne der EU-Kommission zum Umbau der Grenzschutzagentur Frontex stoßen nicht rundum auf Begeisterung. Mancher Staat fürchtet einen Verlust seiner Souveränität. Die EU-Kommission beschwichtigt: Ein Einsatz gegen den Willen eines Landes sei nur ein theoretisches Modell.

Kai Küstner, WDR-Studio Brüssel

Es klingt ein wenig brachial: Wer auch immer in Europa seine Grenze künftig alleine nicht schützen kann, der bekommt Hilfe verordnet. Selbst wenn ein EU-Staat sich also sträubt, können ihm im Notfall europäische Grenzschützer aufgezwungen werden. Es sei denn, eine Mehrheit der EU-Staaten ist dagegen.

Das sehen die neuen Pläne der EU-Kommission vor. EU-Kommissions-Vize Frans Timmermans spricht von einem "Sicherheitsnetz" und einer Art "Notnagel-Maßnahme", die in der Theorie möglich sei. "In der Praxis aber wird das nicht oft passieren - wenn überhaupt", versucht Timmermans zu beschwichtigen.

Unübersehbar aber ist, dass den Plänen zufolge die bislang als Bürokratie-Monstrum verschrieene und eher hinter den Kulissen aktive Grenzschutzagentur mit dem Namen Frontex nicht nur umbenannt, sondern auch umgebaut werden soll: in eine schlagkräftige europäische Grenzpolizei.

Hoheitsrechte ade?

Was sofort die Frage aufwirft, ob die sich nicht damit in die Hoheitsrechte der EU-Einzelstaaten einmischt. Kommissions Vize Timmermans wundert sich darüber. Er höre aus allen Mitglieds-Staaten der EU, dass man beim Schutz unserer Außengrenzen besser werden müsse. Das, so Timmermann, "sind unsere Vorschläge, um das zu erreichen. Wenn die Länder bessere Ideen haben - kein Problem."

Und fügt hinzu: Die griechische Grenze oder die bulgarische seien nun mal gleichzeitig auch europäische Grenzen. Überquerten Menschen diese, dann seien alle EU-Länder davon betroffen. Woraus die Kommission folgert: Ein europäisches Problem braucht eine europäische Antwort.

Kein Geheimnis ist, dass Länder wie Deutschland oder Frankreich die Brüsseler Pläne unterstützen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, jedenfalls erklärt, man sei der Kommission "außerordentlich dankbar", dass sie ambitionierte Vorschläge auf den Tisch gelegt habe. Denn: "Wir brauchen ein bessere, effektivere, gemeinsame Kontrolle der europäischen Außengrenzen."

Polen und Ungarn sind skeptisch

Bei anderen EU-Ländern regt sich Widerstand: Sie haben Probleme damit, Europa im Ernstfall die Kontrolle über die eigene Landesgrenze anzuvertrauen: Polen etwa sieht in dem Vorstoß einen Eingriff in seine Hoheitsrechte. Auch Ungarn äußerte schon Bedenken.

Aus ganz anderen Gründen lehnt die Grüne EU-Parlamentarierin Ska Keller die Pläne ab. Die Kommission, glaubt sie, wolle erreichen, "dass alle Mitgliedsstaaten sich komplett abschotten und niemand mehr Flüchtlinge reinlässt. Das widerspricht europäischem Recht. Und ist aus menschenrechtlicher Sicht komplett unakzeptabel".

Kai Küstner, K. Küstner, ARD Brüssel, 15.12.2015 20:10 Uhr

Einsetzbar innerhalb von drei Tagen

Innerhalb von drei Tagen soll eine Art "Schnelle Eingreiftruppe" der neuen EU-Polizei im Krisenfall einsetzbar sein - sicher nicht nur, um Fingerabdrücke von Flüchtlingen zu nehmen. Wer wolle, dass die Grenzen innerhalb Europas langfristig offen bleiben, müsse dafür sorgen, dass die Grenze nach außen hin dicht genug ist - so lautet die Richtschnur der EU in dieser Frage.

Die Kommission hat dabei auch die wachsende Zahl von Ländern im Blick, die wegen der Flüchtlinge mindestens Kontrollen wieder eingeführt, wenn nicht gar Zäune hochgezogen haben. Und so fragt der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos, ob man sich ein Europa vorstellen könne, in dem man sich Kontrollen unterziehen müsse, um von einem Land ins andere zu reisen?

Seine Botschaft an die Einzelstaaten und das Parlament war klar: Wenn diese das System offener Grenzen innerhalb der EU - Schengen genannt - erhalten wollten, sollten sie dem Vorschlag der Kommission zustimmen.

Mehr Passkontrollen absehbar

Auch die Europäer werden sich allerdings durchaus auf Passkontrollen einstellen müssen, wenn sie die Schengen-Zone verlassen oder in sie hineinwollen. Um mögliche Terroristen eher zu entdecken, will die Kommission künftig genau wissen, wer kommt und wer geht.