Nach der Festnahme Abdeslams Auslieferung könnte Wochen dauern

Stand: 19.03.2016 15:59 Uhr

Salah Abdeslam ist der bislang einzige Terrorverdächtige, dem wegen der Pariser Anschläge der Prozess gemacht werden könnte. Darum drängt Frankreich auf seine Auslieferung aus Belgien. Die könnte aber erst in mehreren Wochen erfolgen. Vor allem, falls Abdeslam mit belgischen Ermittlern kooperiert.

Es sei ein "Sieg gegen den Terrorismus in Europa" und ein "bedeutender Schlag gegen die Terrormiliz Islamischer Staat". Mit diesen Worten lobte der französische Innenminister Bernard Cazeneuve am Vormittag erneut die erfolgreiche Festnahme des mutmaßlichen IS-Terroristen Salah Abdeslam. Der 26-Jährige konnte am Freitag bei einem Großeinsatz in der belgischen Hauptstadt Brüssel gefasst werden.

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve bezeichnete die Festnahme Abdeslams als einen "Sieg gegen den Terrorismus".

Nun pocht Frankreich auf eine zügige Auslieferung des Verdächtigen, um ihm den Prozess machen zu können. Der Nachrichtenagentur AP zufolge könnten französische Richter noch am Wochenende bei der belgischen Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Auslieferung einreichen.

Abdeslam ist bislang der einzige Verdächtige, der wegen der Anschläge von Paris im November vor Gericht gestellt werden könnte. Ermittler gehen davon aus, dass er zu einem der drei Terrorkommandos vom 13. November gehörte. Seine genaue Rolle im Zusammenhang mit den Anschlägen ist bislang nicht bekannt. Die anderen bisher bekannten direkt Beteiligten der Anschläge auf den Musikklub "Bataclan" sowie mehrere Bars und Restaurants und am Stade de France sind tot.

Noch Wochen bis zur Auslieferung?

Auch Hinterbliebene der Menschen, die bei den Pariser Anschlägen getötet worden waren, hatten die sofortige Auslieferung gefordert, um Abdeslam schnellstmöglich zur Verantwortung ziehen zu können.

Doch die Auslieferung könnte erst in einigen Wochen erfolgen. Zwar gebe es keine politischen Einwände, sagte der belgische Premierminister Charles Michel, doch durch rechtliche Verfahren könne sich das Verfahren etwas hinziehen.

Doch auch die Ermittlungen belgischer Behörden könnten eine Auslieferung aus Sicht des belgischen Staatsanwalts Eric Van der Sypt verzögern. Wie die Nachrichtenagentur AP weiter berichtet, soll Abdeslam zunächst von belgischen Ermittlern verhört werden, sobald er aus ärztlicher Sicht dazu in der Lage ist. "Wenn er anfängt zu reden, dann nehme ich an, dass das bedeuten wird, dass er länger in Belgien bleibt", sagte Van der Sypt.

Dass Abdeslam mit der belgischen Justiz kooperieren wolle, gab auch dessen Verteidiger Sven Mary bekannt. Zudem lehne der Festgenommene die Auslieferung nach Frankreich ab.

Kampf gegen Terrorismus soll weitergehen

In einem Punkt sind sich Belgien und Frankreich aber einig - der Kampf gegen den Terrorismus in Europa ist mit der Festnahme Abdeslams noch lange nicht vorbei. Zwar habe man "mehrere Individuen von extremer Gefährlichkeit und Entschlossenheit" außer Gefecht gesetzt, sagte Cazeneuve weiter. Trotzdem bliebe die Gefahr neuer Anschläge "äußerst hoch". Darum beriet am Vormittag der französische Verteidigungsrat über weitere Maßnahmen gegen den Terrorismus.

Bereits am Abend nach der Festnahme hatte Frankreichs Präsident François Hollande betont, dass die Ermittlungen zu den Anschlägen längst noch nicht abgeschlossen seien. "Wir sind mit extrem großen Netzwerken konfrontiert", sagte er und forderte, dass all diejenigen, die an den Vorbereitungen des Massakers beteiligt gewesen seien, identifiziert werden müssten.

Hollande

Hollande: "Wir sind mit extrem großen Netzwerken konfrontiert."

In Belgien gilt nach wie vor zweithöchste Terrorwarnstufe

Auch in Belgien kam einen Tag nach der weiteren Großrazzia der nationale Sicherheitsrat zusammen. Ebenso wie in Frankreich sahen dessen Mitglieder die terroristische Gefahr noch lange nicht als gebannt an, wie die Nachrichtenagentur Belga berichtete. Darum gelte in Belgien weiterhin die zweithöchste Terrorwarnstufe.

Salah Abdeslam hatte als einer der meistgesuchten Terroristen rund vier Monate lang auf den Fahndungslisten Europas gestanden, bis er am Freitag in dem als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Stadtteil Molenbeek festgenommen wurde. Bei dem Zugriff wurde er leicht am Bein verletzt. Die Klinik, in die der 26-Jährige eingeliefert wurde, konnte er mittlerweile aber schon wieder verlassen. Insgesamt nahmen die Ermittler nach eigenen Angaben fünf Verdächtige fest - darunter offenbar eine Familie, die Abdeslam Zuflucht gewährte.

Die Familie des mutmaßlichen Terroristen zeigte sich erleichtert über dessen Festnahme. Das teilte Nathalie Gallant, die Anwältin von Abdeslams Bruder Mohammed, im belgischen Fernsehen mit. Vor allem habe sich die Hoffnung der Angehörigen erfüllt, dass der 26-Jährige lebend gefasst werden kann.

Hausdurchsuchung brachte Erfolg

Abdeslam ist der Bruder eines der Pariser Selbstmordattentäter. Der Franzose nordafrikanischer Herkunft war nach den Anschlägen von Paris nach Belgien entkommen, auf dem Weg dorthin passierte er unbehelligt eine Polizeikontrolle. In Belgien fanden Ermittler dann im Dezember ein mögliches Versteck. Danach verlor sich seine Spur.

Eine Hausdurchsuchung am Dienstag hatte schließlich neue Hinweise geliefert. Während des Einsatzes wurde aus einer Wohnung heraus auf Polizisten geschossen, bei dem anschließenden Zugriff wurde ein Verdächtiger getötet.

Zwei Verdächtige konnten fliehen, ein dritter wurde von einem Scharfschützen getötet. Ob auch Abdeslam zu den Entkommenen gehörte, war zunächst unklar. Ermittler konnten dann aber seine Fingerabdrücke in der Brüsseler Wohnung nachweisen.