Der britische Premierminister Boris Johnson.

Johnson trifft Juncker Gespräche unter Zeitdruck

Stand: 16.09.2019 05:00 Uhr

Für den britischen Premier und den scheidenden EU-Kommissionschef tickt die Uhr. Bis zum 31. Oktober will Johnson den Brexit vollenden und Juncker Schaden von der EU abwenden. Kann das noch gelingen?

Eines eint Jean-Claude Juncker und Boris Johnson: Der 31. Oktober ist ein wichtiges Datum in ihrer beider Kalender. Denn Junckers voraussichtlich letzter Arbeitstag als EU-Kommissionspräsident ist der voraussichtliche letzte Tag der Mitgliedschaft der Briten in der EU.

Doch vielleicht kommt alles anders.

Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass Jean-Claude Juncker im November immer noch Präsident der EU-Kommission ist, wenn nämlich das EU-Parlament das von der Leyen-Team nicht rechtzeitig bestätigt. Und es ist auch nicht völlig ausgeschlossen, dass die Briten im November immer noch in der EU sind. Weil zum Beispiel das britische und das EU-Parlament noch nicht über den neuen Ausstiegsvertrag abgestimmt haben, auf den sich die EU und GB im Oktober rein theoretisch noch einigen können.

Der scheidende EU-Kommissionspräsident Juncker

Junkers Team sieht noch keine Verhandlungsfortschritte.

Kaum Fortschritte bei Gesprächen

"Wir schaffen das", gab sich Johnson bei seinem Antrittsbesuch vor knapp einem Monat in Berlin optimistisch. Eine neue Vertragslösung mit den Briten könne man ja vielleicht auch innerhalb von 30 Tagen finden, meinte die Kanzlerin ermutigend. Doch heute, am Tag des Treffens mit Jean-Claude Juncker, sind bereits 26 Tage seit dem Antrittsbesuch von Johnson in Berlin vergangen.

Zwar behauptet der britische Premier, es gebe gewaltige Verhandlungsfortschritte bei den Brexit-Gesprächen in Brüssel. Doch ein EU-Teilnehmer dieser Gespräche mit dem britischen Brexit-Unterhändler David Frost betonte in Brüssel umgehend, das Gegenteil sei wahr. Die Teilnehmer auf europäischer Seite seien vielmehr ernüchtert. Von Verhandlungen im eigentlichen Sinne könne kaum gesprochen werden.

Noch keine Alternative zur Garantieklausel

Erst am Freitag letzter Woche sei man zum ersten Mal etwas inhaltlicher geworden und habe über Zollfragen gesprochen, die bei einer harten EU-Außengrenze auf der irischen Insel entstehen. Und über Möglichkeiten, wie landwirtschaftliche Produkte aus Nordirland und der Republik Irland auf einer gemeinsamen Basis gemanagt werden könnten. Nach der Devise: Es gibt nur irische Rinder auf der irischen Insel. Genau das ist die Devise der EU: keine harte EU-Außengrenze auf der irischen Insel, keine Wachposten und Zollhäuschen, keine Aufspaltung der gemeinsamen Rinderherden.

Die EU hat in dem vorliegenden Austrittsvertrag auf einer Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland bestanden. Wodurch will der britische Premier diese Garantieklausel ersetzen? Wie sehen seine sogenannten Alternativen Lösungen aus? Wo ist die Zaubertechnik, die physische Grenzkontrollen überflüssig macht? Oder nimmt Boris Johnson eine harte EU-Außengrenze auf der irischen Insel in Kauf und damit möglicherweise einen neuen Bürgerkrieg in Nordirland, weil er zur Not um buchstäblich jeden Preis bis zum 31. Oktober die EU verlassen will?

Asselborn warnt vor harter Grenze in Irland

Das sind die Fragen, denen sich Johnson heute im Gespräch mit Juncker stellen muss. Jean Asselborn, der luxemburgische Außenminister, warnt Johnson davor, durch einen vertragslosen Brexit die EU in die Rolle zu drängen, zum Schutz ihres Binnenmarktes eine harte Grenze auf der irischen Insel zu errichten - also genau jene Grenze, welche die EU eigentlich verhindern will.

"Dann geht es zur Sache", warnt Junckers Landsmann Asselborn den britischen Premier. "Wenn er diese Linie bis zum Schluss fährt, dann ist das Band gerissen zwischen der EU und Großbritannien", betonte der dienstälteste EU-Außenminister in einem Interview mit dem SWR.

Mit anderen Worten: dann werden Verhandlungen über einen Freihandelsvertrag mit der EU für Großbritannien sehr schwer. Johnson sollte sich hüten, durch einen harten Brexit die EU zu einer harten Grenze in Irland zu zwingen. Und damit in die Rolle eines Friedensgefährders in Nordirland - das ist die Botschaft der EU-Kommission an Boris Johnson.

Ralph Sina, Ralph Sina, WDR Brüssel, 15.09.2019 23:22 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 16. September 2019 um 04:48 Uhr.