Rückkehr aus Pakistan Abgeschobene Afghanen verzweifeln im eigenen Land
200.000 Afghanen sind seit Anfang November von Pakistan aus in ihr Heimatland abgeschoben worden. Dort harren sie in Zelten aus - ohne Heizung, ohne Decken und mit großer Angst vor den Taliban, vor denen sie einst geflohen sind.
Kurz hinter der Grenze zu Pakistan, in der afghanischen Provinz Nangarhar: Tausende vollbepackte Lastwagen haben afghanische Familien über die Grenze gefahren. Hier sind sie in einem Nothilfelager untergekommen, das die Taliban errichtet haben.
Auf Videoaufnahmen sind unter anderem Zelte einer chinesischen Entwicklungshilfeorganisation zu sehen. Vor einem Zelt sitzt Khayal Mohammad mit seiner Frau und den Kindern. Aus einer Thermoskanne schüttet er Tee in abgeschnittene Unterteile von Plastikflaschen. Die dienen als Tassen. "Wir bitten die internationale Gemeinschaft, uns mit einem Haus und einer Unterkunft zu helfen", sagt er. "Es gibt Familien, die hier nichts haben, kein Land, kein Haus. Sie leben einfach unter freiem Himmel, niemand hilft ihnen. Wir brauchen Hilfe."
Alles zurück auf Null
17 Jahre lang hat Khayal Mohammad in Peschawar in Pakistan gewohnt, hat sich ein Leben aufgebaut - und jetzt geht alles zurück auf Null. Vor einer Woche hätten ihn die Behörden mit seiner Frau und den fünf Kindern an die Grenze gebracht und abgeschoben. Der Nachrichtenagentur AP erzählt er, er habe keine persönlichen Dinge mitnehmen dürfen. Das bestätigen auch Hilfsorganisationen. Demnach hätten die pakistanischen Behörden vielen afghanischen Flüchtlingen an der Grenze Schmuck und Bargeld abgenommen.
Nachts fallen die Temperaturen auf unter zehn Grad Celsius. Bald wird es Winter. Wärmen können sich die Flüchtlinge nur am offenen Feuer. Khayal Mohammads sieben Jahre alte Tochter Hawa sitzt neben ihm. Sie wischt sich die Tränen mit ihrem Kopftuch weg. Ihr Vater versucht sie zu beruhigen. "Ich weine, weil mir kalt ist. Letzte Nacht war es sehr kalt und wir hatten nichts zum Schlafen - keine Matratze, keine Decke, nichts, keine Kissen, wir haben nichts", sagt Hawa. "Das ist das, was ich zum Frühstück getrunken habe, und das ist alles, womit wir jetzt leben."
"... und niemand kann uns helfen"
Auch für ihre Mutter Wahida ist die Situation unerträglich. "Wir sind jetzt seit fünf Nächten hier, und niemand kann uns helfen. Wir haben das Wenige, das wir hatten, bereits ausgegeben, meine Kinder sind krank von der Kälte, wir wissen nicht, was wir tun sollen."
An einer anderen Stelle im Lager stellen sich die Menschen an einem Tank für Wasser an. Hilfsorganisationen zufolge gibt es für die geflüchteten Afghanen in dem Nothilfelager nur begrenzten Zugang zu Trinkwasser. Es gibt kein Licht und keine Toiletten. Die Vereinten Nationen und weitere Organisationen versuchen jetzt, wenigstens eine gewisse Infrastruktur zu erreichen.
1,7 Millionen Afghanen sollen Pakistan verlassen
Anfang Oktober hatte die pakistanische Übergangsregierung angekündigt, dass alle Flüchtlinge ohne gültigen Aufenthaltsstatus das Land bis Ende Oktober verlassen haben müssen. Das betraf vor allem etwa 1,7 Millionen Afghanen. Doch viele haben Angst, in das Land zurückzukehren, aus dem sie geflohen sind.
So wie die Familie von Asadullah. Seitdem die pakistanische Polizei seit Anfang November Afghanen abschiebt, haben sie sich versteckt. Die Familie ist sicher, dass die Taliban sie töten werden, wenn sie zurückkommen. Zu stark sind noch die Erinnerungen, erzählt Asadullah der AP. "Sie hielten meinem Bruder eine Kalaschnikow an den Kopf. Wir dachten, sie würden uns töten, und sie sagten meinem Vater und meiner Mutter, dass sie sie töten würden. Sie behandelten uns wie Kriminelle."
Auch Asadullahs Frau hat Angst: "Wir können nicht mehr aus dem Haus gehen, nicht einmal unsere Kinder. Wir haben gehört, dass die Polizei die Leute durchsucht und rausschmeißt, ohne Rücksicht auf Dokumente oder sonstiges. Einer meiner Söhne ist in einer psychiatrischen Klinik. Das UN-Flüchtlingswerk hat uns gesucht, aber wenn wir sie anrufen, geht keiner ran."
Künstler in Lebensgefahr
In Peschawar hat eine Gruppe afghanischer Musiker und Künstler inzwischen Einspruch erhoben bei Gericht. Sie protestieren gegen die drohende Abschiebung. Nach der Machtübernahme der Taliban flohen viele Musiker nach Pakistan. Denn unter den Taliban ist Musik weitgehend verboten. Einer der Musiker erzählt einer pakistanischen Nachrichtenseite, dass er vor zwei Jahren aus Afghanistan geflohen ist: "Mein Talent, meine Musik ist verboten, ich kann dort nicht auftreten und arbeiten."
Andere afghanische Musiker haben Angst um ihr Leben, wenn sie ins Land der Taliban zurückkehren. Etwa 300 Familien seien betroffen, berichtet ein anderer. Wegen dieser Anordnung müssen die Künstler Pakistan verlassen. Dabei kamen sie ja gerade in das Land, um Schutz zu suchen, weil ihre Arbeit in Afghanistan verboten wurde. Sie sind in Lebensgefahr.