Menschen inspizieren zerstörte Häuserblocks.

Krieg in Nahost Vorbereitungen für Offensive in Rafah gehen weiter

Stand: 28.03.2024 15:09 Uhr

Trotz Kritik gehen die Vorbereitungen für die umstrittene Bodenoffensive auf Rafah weiter: Die Menschen vor Ort fordern internationale Hilfe. Die UN warnten erneut vor einer Hungersnot.

Es ist das beständige Brummen der israelischen Drohnen, das Tag und Nacht über dem Gazastreifen präsent ist, auch über Rafah. Dort halten sich schätzungsweise rund 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge aus allen übrigen Teilen des abgeriegelten Kriegsgebiets schon seit Wochen überwiegend unter freiem Himmel auf. Die Furcht vor einer israelischen Bodenoffensive auf Rafah ist bei den Flüchtlingen groß.

Nach einem nächtlichen Bombenangriff von Dienstag auf Mittwoch dieser Woche auf mehrere Häuser in Rafah sagt Jamil Abu Houri, der mit seiner Familie aus dem Norden hierher geflohen ist, der Nachrichtenagentur Reuters:

Am Tag, nachdem Israel zu einem Waffenstillstand verpflichtet wurde, sind vier Häuser um uns herum bombardiert worden. Die Bombardierung hat zugenommen und sie haben uns mit einem Einmarsch gedroht. Sie sagen, dass sie grünes Licht für den Einmarsch in Rafah bekommen haben. Wo ist der Sicherheitsrat? Wo sind all die Menschen? Wo sind all die Menschen, wenn es darum geht, was mit uns geschieht?

Die Anzeichen mehren sich

Israels Streitkräfte hätten mit den Vorbereitungen für eine Bodenoffensive auf Rafah begonnen, meldete heute Morgen das Online-Portal des israelischen Fernsehsenders Channel 12. Die Armee habe damit begonnen, die Stadt zu isolieren, um - so wörtlich - "auf ein Szenario vorbereitet zu sein, in dem die Gespräche über das Geiselabkommen scheitern könnten."

Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant habe in Washington bei seinen Gesprächen mit der amerikanischen Regierung die Operation mit seinem amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin koordiniert. Bei Channel 12 gab der Sprecher des amerikanischen Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, das Gespräch Austins mit Gallant so wieder: "Er (Austin) sagte, dass wir eine große Bodenoffensive in Rafah nicht unterstützen können, wenn es keinen Plan gibt, einen realisierbaren, überprüfbaren Plan, um für die Sicherheit der 1,5 Millionen Menschen im Gazastreifen zu sorgen, die dort Zuflucht gesucht haben."

Erneut Warnung vor Hungersnot

Als ein weiteres Anzeichen der Vorbereitungen für eine Bodenoffensive in Rafah werde die Anweisung zum Kauf von 40.000 Zelten aus China gewertet, die Premierminister Benjamin Netanyahu erteilt habe. Die Zelte würden nach ihrer Ankunft in Israel in den Gazastreifen geliefert, berichtet Channel 12 unter Berufung auf seinen eigenen Militärkorrespondenten. Dort sollten klar ausgewiesene Bereiche für das Aufstellen der Zelte festgelegt werden, die von den Binnenflüchtlingen in Rafah genutzt werden sollten.

Das UN-Welternährungsprogramm warnte unterdessen vor einem Ausbreiten der Hungersnot. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte der Regionaldirektor des Welternährungsprogramms Matthew Hollingworth in Gaza-Stadt: "Nirgendwo sonst auf der Welt sind so viele Menschen von einer drohenden Hungersnot bedroht. Hier in Gaza-Stadt befinden wir uns im Epizentrum der Krise, hier im Gazastreifen. Ich habe heute so viele Menschen getroffen, die wütend, müde und verzweifelt sind, weil ihre Kinder jeden Abend hungrig zu Bett gehen."

Im Norden des Gazastreifens halten sich schätzungsweise 300.000 Menschen auf. Israels Regierung weist die Vorwürfe der UN zurück: Die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen seien gescheitert, die humanitäre Hilfe im Gazastreifen zu verteilen.

Clemens Verenkotte, ARD Tel Aviv, tagesschau, 28.03.2024 12:42 Uhr