Pedro Castillo
Hintergrund

Politische Dauerkrise in Peru Castillo sollte eigentlich den Sumpf aufräumen

Stand: 13.12.2022 12:52 Uhr

Stadt gegen Land, arm gegen reich, weiß gegen indigen. Die soziale Ungleichheit in Peru sorgt seit Tagen für Protest. Der des Amtes enthobene linksgerichtete Präsident Castillo wollte dies eigentlich ändern.

"Parlamentarier, ihr seid Kriminelle, ihr müsst gehen!", rufen hunderte Menschen in Sprechchören, die in Abancay in der Region Apurímac auf die Straße gehen. Sie protestieren weiter gegen die Amtsenthebung des linksgerichteten Präsidenten Pedro Castillo. "Wir fordern Neuwahlen, noch diesen Monat", erklärt Jose Zuloaga Candia gegenüber einem Journalisten. Sonst würde sich die Lage weiter zuspitzen, sagt der Protestierende. "Das wollen wir nicht, denn es wird nur noch mehr Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden und der Polizei geben."

Sogar ein Flughafen wurde lahmgelegt

 
Straßen werden blockiert, Autoreifen brennen, der Flughafen der zweitgrößten Stadt Arequipa wurde lahmgelegt, mehrere Menschen verloren bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften bereits ihr Leben. Die Proteste dauern an - obwohl die am vergangenen Mittwoch vereidigte neue Präsidentin, Dina Boluarte, in Teilen auf die Forderungen der Demonstrierenden einging. Sie hatte erklärt, die Wahlen zumindest von 2026 auf 2024 vorziehen zu wollen.

Castillo galt vielen als Hoffnungsträger

Präsident Castillo wurde am Mittwoch wegen sogenannter moralischer Unfähigkeit des Amtes enthoben und wegen Rebellion festgenommen. Zuvor hatte der einstige Dorfschullehrer, der 2021 als Hoffnungsträger der armen Landbevölkerung gewählt wurde, den Kongress aufgelöst - nur wenige Stunden bevor der Kongress das dritte Amtsenthebungsverfahren gegen Castillo abhalten wollte. Boluarte, die bis dahin seine Stellvertreterin war, wurde kurz darauf als erste Frau an der Spitze Perus vereidigt.

Pedro Castillo

Der linksgerichtete Ex-Präsident Pedro Castillo galt vielen als Hoffnungsträger im Kampf gegen Korruption.

Castillo nennt sie nun eine Räuberin seines Amtes, in sozialen Medien warf er dem Kongress außerdem vor, von Beginn an gegen seine Regierung agiert zu haben und erklärte, er werde nicht auf sein Amt verzichten.

Der gescheiterte Staatsstreich eines gescheiterten Präsidenten, so nennt der politische Analyst Fernando Tuesta die Ereignisse. Er lehrt an Perus katholischer Universität. Dass der Kongress ihn nicht regieren ließ, sei ein Teil des Problems, aber nicht das ganze Problem, so Tuesta. "Das Hauptproblem war Castillo selbst, der sich politisch ins Abseits gespielt hat. Jetzt allerdings will der Kongress das Gefühl vermitteln, dass das Problem mit seinem Abgang vorbei ist, doch sie sind selbst auch Teil des Problems."

Soziale Ungleichheit ist die Ursache

Peru steckt seit Jahren in der Krise. Die soziale Ungleichheit in dem Land ist enorm. Dazu gab es seit 1990 keinen Präsidenten, der nicht unter Korruptionsverdacht stand oder wegen Korruption verurteilt wurde. Auch der Kongress gilt als korrupt, genießt aktuell sogar noch weniger Zustimmung als Castillo. Dazu kommt eine tiefe gesellschaftliche Spaltung und ein struktureller Rassismus: Stadt gegen Land, Arm gegen Reich, weiß gegen indigen.

"Ein politisches System ohne professionelle Politiker"

Auch gegen Castillo, der angetreten war, um mit dem Sumpf aufzuräumen und denen einen Stimme zu geben, die nie eine hatten, gab es Korruptionsvorwürfe. Seine versprochenen Reformen hat er nicht umgesetzt.

Das Misstrauen der Bevölkerung in die Politik wird immer tiefer, sagt der politische Kommentator der Zeitung "Comercio", Gonzalo Bando. "Es gibt keine politischen Vertreter, alle Institutionen, die Macht haben, sind völlig diskreditiert. Wir haben ein politisches System ohne professionelle Politiker."

Auch Boluarte, selbst politisch noch wenig erfahren, scheint noch keine Antwort auf die sich zuspitzende Lage im Land gefunden zu haben. Währenddessen sieht sich Peru, das extrem hart von der Pandemie getroffen wurde, auch wirtschaftlichen Problemen ausgesetzt. Hinzu kommt nun eine schwere Dürre, steigende Preise und eine drohende Nahrungsmittelkrise.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. Dezember 2022 um 12:00 Uhr.