13-Jähriger soll Obdachlosen getötet haben: Warum werden Kinder zu Mördern?

Aktuelle Stunde 06.04.2024 35:45 Min. Verfügbar bis 06.04.2026 WDR Von Claudia Weber

Wenn junge Menschen töten: "Tatsächlich eine Veränderung im Täterverhalten"

Stand: 06.04.2024, 19:46 Uhr

In Dortmund soll ein 13-Jähriger einen Obdachlosen erstochen haben. Nehmen solche Fälle zu? Ist nach solchen Tötungen eine Therapie möglich? Die Suche nach Antworten auf schwierige Fragen.

Nach dem gewaltsamen Tod eines Obdachlosen in Dortmund laufen am Wochenende die Ermittlungen zu den Hintergründen weiter. Ein 13-jähriger Junge soll den 31 Jahre alten Mann am Dortmunder Hafen erstochen haben.

Ein Handyvideo zeige, wie der 13-Jährige mit einem Messer auf den Mann eingestochen habe, hatte die Staatsanwaltschaft bereits am Freitag mitgeteilt. Vor der Tat soll es eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Jungen und dem Opfer gegeben haben.

Immer wieder Fälle von Kinder- und Jugendgewalt

Dortmund, Horn-Bad Meinberg, Freudenberg, Moers, Neuss - es werden immer wieder Fälle von tödlicher Gewalt bekannt, die offenbar von Kindern und Jugendlichen ausging.

Laut der am Mittwoch vorgestellten NRW-Kriminalstatistik 2023 gibt es mehr junge Tatverdächtige. Die Kinder- und Jugendkriminalität nahm demnach um 10,8 Prozent auf 95.300 Fälle zu. Bei Gewaltdelikten wurden knapp 3.300 tatverdächtige Kinder erfasst (plus 15,3 Prozent), bei tatverdächtigen Jugendlichen waren es rund 8.200 (ein Anstieg um 9,2 Prozent).

Zunehmende Brutalität der Taten

In der Statistik sind allerdings nicht nur Tötungsdelikte enthalten. Deshalb die Frage: Gibt es auch eine Häufung von Tötungen durch Kinder und Jugendliche? Nein, sagte die Psychologin Julia von Weiler am Samstag dem WDR. "Aus meiner Wahrnehmung hat nicht die Quantität der Taten zugenommen, aber die Qualität der Taten hat sich verändert."

Julia von Weiler von Innocence in Danger

Psychologin Julia von Weiler

Wenn es denn zu solchen Taten komme, seien diese oft brutaler als vor zehn Jahren. Mittlerweile würden die Taten auch gefilmt und über Social Media verbreitet, sagte Julia von Weiler. "Da sehen wir tatsächlich eine Veränderung im Täterverhalten."

Gesteigerte Hemmungslosigkeit in der Gruppe

Verschärfend wirkt offenbar zusätzlich die Gruppendynamik. Auch in Horn-Bad Meinberg und in Moers haben die Angreifer ihre Taten gefilmt. Im Fall Moers sollen die Jugendlichen ihr Video sogar im Internet veröffentlicht haben.

Psychotherapeut Christian Lüdke im schwarzen Anzug im Profil

Psychotherapeut Christian Lüdke

In der Gruppe erlebe die Hemmungslosigkeit eine Steigerung, sagte der Psychotherapeut Christian Lüdke dem WDR bereits im Februar. Durch Videos der Taten, die man mit anderen teile, erlebe man Anerkennung.

Schwieriger und langwieriger Lernprozess

Ist so ein Verhalten, wie es dem 13-Jährigen in Dortmund vorgeworfen wird, überhaupt therapierbar? Für Julia von Weiler müssen dafür einige Voraussetzungen erfüllt sein.

Ein junger Mensch, der eine so schwerwiegende Tat begangen hat, hat in jedem Fall einen sehr, sehr langen Weg vor sich. Julia von Weiler, Psychologin

In jedem Fall habe ein junger Mensch, der so eine Tat begeht, einen langen Weg vor sich: Er müsse lernen, die Verantwortung für diese Tat zu übernehmen und anders mit Aggressionen umzugehen - und zwar "wirklich vollumfänglich". Auch wenn es gelinge, einen guten Therapieplatz für ihn zu finden, "mit Leuten, die wirklich wissen, wie sie mit solchen jungen Menschen umzugehen haben" - auch dann werde dieser Prozess sicherlich einige Jahre in Anspruch nehmen.

Unsere Quellen:

  • dpa
  • Interview mit Julia von Weiler in der "Aktuellen Stunde"
  • Berichterstattung der WDR-Lokalstudios