Auf einer Schultafel steht mit Kreide "ferien"

Was wir uns fürs nächste Schuljahr wünschen

Stand: 19.06.2023, 06:00 Uhr

Weniger Stress, mehr Lehrer, Digital Detox - ein Lehrer, ein Schüler und eine Kulturpädagogin erzählen, was nach den Ferien besser laufen könnte.

Von Berit Riede und Sabine Schmitt

Das eine Schuljahr ist zu Ende. Das nächste hat noch nicht begonnen. Ein guter Zeitpunkt, Dinge Revue passieren zu lassen. Manchmal liegen die Ansichten von Lehrern, Schülern und Kulturpädagogen nicht weit auseinander - nicht überall wird es schnell eine Lösung geben.

Hier sind fünf Wünsche von Menschen, die mit Schule zu tun haben.

#1 "Social Media im Unterricht - das muss doch jemand kontrollieren"

Abiturient Tobias van de Sandt

Abiturient Tobias van de Sandt

Im ersten Moment klingt es cool: ein eigenes Handy oder ein Tablet von der Schule. Das ist Digitalisierung - doch die ist nicht nur cool. Tobias van de Sandt aus Monheim am Rhein hat es selbst erlebt. Als er das erste Gerät bekam, konnte er plötzlich ständig Social Media nutzen. YouTube im Unterricht, TikTok am Nachmittag. Er geriet in den Sog. Zu Hause mahnten die Eltern. Und in der Schule? "Es gibt zwar die Regel, dass Schüler während des Unterrichts nicht ans iPad dürfen - aber kaum einer kümmert sich darum."

Heute ist Tobias 18 Jahre alt. Er hat gerade Abi gemacht. Rückblickend wünscht er sich, dass es in der Schule manches Mal anders gelaufen wäre. "Schüler brauchen mehr Unterstützung im Umgang mit Socialmedia und Kontrolle", sagt er. Und auch heute fällt es ihm manchmal schwer, das Gerät wegzulegen. In Videos schaut er Fremden dabei zu, wie sie etwas erleben und liegt dabei selbst im Bett. "Manchmal speichere ich Videos und denke: Das will ich auch mal machen. Aber bleibe liegen und vergesse es nach fünf Sekunden wieder. Ich glaube, dass es vielen Kinder und Jugendliche so geht: Dass sie sozialen Medien konsumieren und nicht merken, wie sie Zeit für eigene Erlebnisse verlieren."

Matthias Kürten, Vorsitzender VBE Städteregion Aachen

Matthias Kürten, Vorsitzender VBE Städteregion Aachen

Matthias Kürten ist selbst Lehrer und Vorsitzender im Verband Bildung und Erziehung (VBE) für die Städteregion Aachen. Er kennt die Probleme. Für ihn gehören die sozialen Medien zum Leben dazu, was er aber auch sieht:

"Wir haben einen Leitfaden zum Umgang mit Socialmedia für Lehrkräfte, aber noch nicht für Schüler." Matthias Kürten, VBE

#2 "Bitte weniger schlechte Nachrichten!"

Auch Nachrichten sind ein Thema. Oft sind sie Teil des Schulunterrichts. Dann ist es schwer, ihnen zu entkommen. Tobias van de Sandts Klasse hat in Englisch zu Beginn der Stunde immer die Weltnachrichten in einer Minute der BBC geguckt. Das war ein guter Einstieg in die Sprache. Aber dabei sahen die Schüler auch jedes Mal vier oder fünf schlechte Nachrichten, die sie erst mal verarbeiten mussten.

"Manchmal waren wir mit diesen Nachrichten überfordert. Ich habe mir oft einen Filter gewünscht oder dass uns nicht so viel zugemutet wird." Tobias van de Sandt, Abiturient

Natürlich seien Nachrichten wichtig und man müsse auch lernen, welche Nachrichten für einen selbst wichtig sind. Aber nicht jede schlechte Nachricht sei relevant und zwingend notwendig für das eigene Leben.

#3 "Immer dieser Druck - das ist unnötig!"

Anna Lu Masch, Kulturpädagogin

Anna Lu Masch, Kulturpädagogin

Anna Lu Masch ist Choreografin und arbeitet mit 200 Schülerinnen und Schülern von zwei Grundschulen und drei weiterführenden Schulen in Bad Honnef. Als Kulturpädagogin bekommt sie viel mit. Aus ihrer Sicht ist das Lernpensum gestiegen, zugleich - vermutlich auch durch Corona – sei das Leistungsvermögen gesunken. Sie folgert:

"Die Kinder brauchen Zeit für sich. Ich erlebe oft, dass Kinder sich vom Tanzen abmelden müssen, weil sie lernen müssen.“ Anna Lu Masch, Kulturpädagogin

Zum täglichen Pensum kommt der Leistungsdruck, sagt Tobias van de Sandt. "Beim Abi war es gefühlt von jedem das Ziel, einen Schnitt von 1,0 auf dem Abizeugnis als zu haben. Und ich kenne viele - mich persönlich einbezogen - die dann enttäuscht waren." Auch die Schule habe einen Anteil. "Fordern und Fördern sind gut, aber ich hätte mir gewünscht, dass da weniger Druck gewesen wäre, dass am Gymnasium auch mal gesagt wird: Es ist in Ordnung, wenn es am Ende doch nur eine Zwei oder Drei in der einen Klausur wird. Oder auch: Es ist in Ordnung, eine Ausbildung zu machen, auch das kann glücklich machen und viel Geld einbringen."

#4 "Wir brauchen mehr Lehrer - und Verständnis!"

Wie viel Unterricht in diesem Schuljahr ausgefallen ist, ist unklar. Das Schulministerium hat die Erhebung ausgesetzt. Erst nach den Sommerferien werden die Daten wieder erfasst. Wer selbst Kinder hat, weiß aber: Es ist einiges ausgefallen. Ein Grund dafür sind fehlende Lehrer: An den öffentlichen Schulen in NRW fehlen derzeit rund 6.700. Das Schulministerium versucht, das Loch zu stopfen: mit Seiteneinsteigern und mehr Studienplätzen für künftige Lehrerinnen und Lehrer. Bis die an den Schulen angekommen sind, läuft es oft nicht rund: Lehrkräfte am Limit, verärgerte Eltern und frustrierte Schuleiterinnen und Schulleiter, die oft nur Mangel verwalten. Matthias Kürten vom VBE Städteregion Aachen tut das leid.

"Die Kollegen an Schulen bekommen Ärger für Dinge, die die Politik ändern muss." Matthias Kürten, VBE

Laut Kürten können schon jetzt drei von vier Stellen in NRW nicht mehr besetzt werden. Da sei es klar, dass nicht mehr alle Erwartungen erfüllt werden können, die an Schule gestellt werden.

#5 "Schule darf nicht überfrachtet werden"

Kindererziehung, außerschulische Bildung, Berufsvorbereitung - von Schule wird immer mehr erwartet. Der Druck auf Schule sei berechtigt, meint Matthias Kürten. Allerdings gebe es Grenzen des Machbaren.

"Teilweise wird Schule mit Wünschen von außen überfrachtet." Matthias Kürten, VBE

Das sei zum Beispiel die Handwerkskammer, die fordere, dass mehr praktische Dinge im Unterricht gemacht werden sollten. Dann komme eine Vereinigung und sage, Schule müsse noch mehr zum Thema Ernährung machen. "Sobald ein Thema gesellschaftlich relevant ist, soll Schule das lösen - aber wir haben leider nicht die Ressourcen und brauchen Unterstützung."

Über das Thema berichten wir auch im WDR 5 Morgenecho und in der Aktuellen Stunde am Montag, 19.6.2023.

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