Reul: Terrornetzwerke wird es in NRW noch lange geben

Stand: 02.01.2024, 20:41 Uhr

Nach Hinweisen auf einen Terroranschlag in Köln und Angriffen auf Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht hat sich Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstagabend in der Aktuellen Stunde zur Sicherheitslage in NRW geäußert.

Von einer islamistischen Gruppe soll über die Feiertage ein Anschlag auf den Kölner Dom geplant worden sein. Ein 30-jähriger und ein 25-jähriger Tadschike sind nach wie vor im Gewahrsam der Polizei - weitere Verdächtige wurden schnell wieder entlassen. Zudem kam es in der Silvesternacht in Solingen zu Angriffen auf Polizei und Feuerwehr.

Erst heißt es, wir haben drei Leute, die sind Teil eines Terrorgeflechts - und einen Tag später muss man die laufen lassen. Hatten Sie da die Falschen?

Herbert Reul: Das werden wir irgendwann am Ende sehen. Die Polizei hat durch Hinweise aus dem BKA gewusst, dass solche Anschläge in Europa an mehreren Stellen geplant sind. Nachdem für uns klar war, dass auch NRW betroffen war und es einen Hinweis gab auf eine konkrete Person, hat die Polizei entschieden und am Ende auch ein Richter den Segen dazu gegeben, dass er in vorläufiges Gewahrsam genommen wird. Dann hat die Polizei akribisch versucht zu ermitteln, wer könnte da noch mit in Zusammenhängen stehen. Die Netzwerke sind das Entscheidende. Natürlich hat man zu dem Zeitpunkt noch keine Beweisstücke. Wir haben die in Gewahrsam genommen, weil wir sicher sein wollten, dass um die Feiertage herum nichts passieren kann - möglichst nichts passieren kann.

Gibt es ein Terrornetzwerk, dass einen Anschlag auf den Kölner Dom geplant hat oder eben sogar noch plant?

Reul: Wir gehen davon aus - seit Monaten und Jahren im Grunde -, dass es islamistischen Terror und Terroristen in Deutschland und auch in NRW gibt: Manche kennt man ja auch, manche Netzwerke kennt man, manche Informationen hat man. In dem Moment, wenn es gefährlich wird oder wenn sich das so verdichtet, dass wir davon ausgehen müssen, dass etwas passieren kann, steht bei uns in der Priorität der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor allem. Dann muss am Ende ein Richter entscheiden, ob das ausreichend ist oder nicht ausreichend ist. Ich gehe davon aus, diese Netzwerke gibt es. Die wird es auch noch lange Zeit geben.

Zu Krawallen in der Silvesternacht

Ihre Polizei will ein Böllerverbot, und in Umfragen will das auch eine klare Mehrheit der Deutschen. Das würde doch Druck wegnehmen?

Reul: Das glaube ich nicht. Dieses Böllerverbot ist übrigens kein Raketenverbot. Wenn, dann müsste man alles verbieten und überall. Dann müsste man es auch überall kontrollieren. Dafür brauchen sie auch wieder Polizisten. Also ich bin immer vorsichtig mit solchen Forderungen, die sagen, eine Maßnahme und alle Probleme sind gelöst.

Das ganz Jahr über ist das Böllern verboten, und dann ist es erlaubt, wenn die jungen Männer betrunken sind. Ist das sinnvoll?

Reul: Das ist alles nicht sinnvoll. Aber die Frage sind nicht die Böller, sondern die Frage ist das Verhalten der Menschen. Wir sollten mal mehr darüber nachdenken, wie es dazugekommen ist und was wir tun können, damit Menschen mit mehr Respekt miteinander umgehen. Dass die Bereitschaft, Gewalt anzuwenden so gestiegen ist - das sind die Fragen, die gestellt werden müssen. Es sind doch nicht die Böller das Problem, sondern die Menschen, die sich so verhalten. Und ich frage mich, tun wir da eigentlich was, oder lenken wir nicht immer mit solchen Debatten ab, die pauschale Verbote oder Strafverschärfungen und Ähnliches mehr fordern - das wird nicht reichen.

Ist das jetzt das neue Normal, dass tausende Polizistinnen und Polizisten Feiernde in Schach halten und Feuerwehreinsätze absichern?

Reul: Das ist nicht normal. Das darf nicht normal sein. Was wir machen, das ist im Moment Schaden begrenzen, indem wir möglichst viele Polizisten auf die Straßen schicken. Und - das haben wir dieses Mal in NRW erstmalig gemacht - mit mobilen Videoanlagen gearbeitet haben, um Beweise zu sichern. Das Hauptproblem sind die Einstellungen der Menschen, die sich so verhalten. Es ist eine kleine Gruppe, aber die reicht.

Sie haben vor allem die großen Städte geschützt. War für Solingen nicht mehr genug Polizei übrig?

Reul: Wir haben in NRW schon ein System, dass Polizei angefordert werden und nachgeschoben werden kann. Wo die meisten Menschen sind, wo am meisten gefeiert wird, wo die Gefahr am größten ist, stellt man auch die meisten Polizisten hin. Das ist ja logisch. Aber damit kann man - und das kann man übrigens auch an keinem anderen Tag - nie sichern, dass an allen Stellen überall gleichmäßig viele Polizisten sind. Soviel können wir gar nicht einstellen.

Das Interview wurde live in der Aktuellen Stunde geführt - wir haben es für den Online-Text sprachlich leicht bearbeitet.