Lkw fährt Klimaaktivist in Stralsund an | sv

00:33 Min. Verfügbar bis 14.07.2024

"Letzte Generation" auf Flughäfen und vor Lkw: Das Problem mit der Akzeptanz

Stand: 14.07.2023, 10:08 Uhr

Mit ihren Blockaden wollen sie für mehr Klimaschutz sorgen. Doch gelingt das der "Letzten Generation"? Große Unterstützung bekommt die Gruppierung nicht.

Zuletzt war es rund um die Anhänger der "Letzten Generation" etwas ruhiger geworden. Doch nun sorgen die Aktionen der Klimaaktivisten wieder für Schlagzeilen. Am Donnerstag wurden die Flughäfen in Düsseldorf und Hamburg wegen Blockaden auf dem Rollfeld lahmgelegt. Tags zuvor wurde in Mecklenburg-Vorpommern eine Straße blockiert und im Zuge dessen ein junger Mann von einem Lkw-Fahrer angefahren.

Mal wieder stellt sich die Frage, was die Aktionen der umstrittenen Gruppe überhaupt bringen? Mehr Unterstützung für den Klimaschutz? Oder eher eine Abwehrreaktion?

Selbst diejenigen, die beim Klimaschutz mehr wollen, werfen der "Letzten Generation" vor, der Sache zu schaden. So sagte Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen am Donnerstag nach der Flughafen-Blockade: "Die Aktivisten, die jetzt lauter Menschen die Reise in den Urlaub verbauen, schaden dem Anliegen Klimaschutz massiv." Diese Form des Protests sei nicht richtig. Wer sich wirklich für Klimaschutz einsetzen wolle, müsse die gesellschaftliche Akzeptanz mit im Blick haben.

Politik kritisiert Klima-Kleber-Aktion

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Deutsche lehnen Blockaden mehrheitlich ab

Genau die ist für die Aktionen der "Letzten Generation" nicht all zu groß. Erst Ende Juni zeigte eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap für den SWR, dass ein Großteil der Deutschen den Protest ablehnt. Demnach halten 85 Prozent das Blockieren von Straßen und Verkehr für "nicht gerechtfertigt". Damit ist die Ablehnung gegenüber früheren Umfragen noch gewachsen. Selbst unter Grünen-Anhängern gibt es - wenn auch nur knapp - mit 49 zu 48 Prozent mehr Gegner.

Bei der "Letzten Generation" glaubt man trotzdem, etwas bewirken zu können. "Die Protestform ist nicht sympathisch, das weiß ich. Und es tut mir leid, wenn Menschen jetzt dort warten mussten. Aber sie haben dann etwas für den Klimaschutz getan", sagte eine Sprecherin am Donnerstag nach den Flughafen-Blockaden dem WDR.

Doch daran sind Zweifel angebracht. So stellt der ehemalige Chefredakteur des Magazins "stern", Andreas Petzold, die Frage in den Raum: "Wie viel Kerosin haben die Flieger in den Warteschleifen über Hamburg und Düsseldorf heute verbraucht?" Die "Letzte Generation" fahre die Akzeptanz für den Klimaschutz "an die Wand".

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Klimaaktivist von Lkw angefahren

Bei einer Blockade-Aktion am Mittwoch in Stralsund wurde ein Mitglied der "Letzen Generation" von einem Lkw angefahren. Laut Polizei hat der 41-jährige Lkw-Fahrer drei Personen, die den Verkehr blockierten, vorher zum Teil von der Straße gezerrt und ihnen Schläge angedroht. Dann habe sich der Mann hinter das Lenkrad gesetzt und sei kurz angefahren. Dabei wurde ein junger Mann, der sich wieder auf die Straße gesetzt hatte, etwa einen Meter nach vorn geschoben.

Die Polizei ermittelt gegen den Lkw-Fahrer wegen des Verdachts der versuchten gefährlichen Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Zudem wurde sein Führerschein beschlagnahmt. Gleichzeitig wird gegen die Teilnehmer an der Verkehrsblockade wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und des Verdachts der Nötigung im Straßenverkehr ermittelt.

Psychologe erklärt Reaktionen

Schon in der Vergangenheit reagierten die Betroffenen von Blockaden zum Teil aggressiv und es kam zu Handgreiflichkeiten. Wie lässt sich das erklären? Der Diplom-Psychologe und Politikwissenschaftler Moritz Kirchner sagte dem WDR, dass zahlreiche menschliche Grundwerte berührt würden. "Der Wert, der im Wesentlichen verletzt wird, ist die Freiheit. Also das Gefühl, selber so entscheiden zu können oder zu handeln, wie man das möchte. Und das Problem ist, dass ich mir ja nicht ausgesucht habe, blockiert zu werden. Deswegen ist mein Freiheitswert hart angegriffen."

Ein Phänomen aus der Psychologie könne sich in Zukunft noch stärker bemerkbar machen - und zwar, dass die Grundlinien dessen, was als akzeptabel angesehen wird, sich verändern. "Wo es früher normal war, einfach drüber zu meckern, ist es jetzt zunehmend normal, auch tätig zu werden. Das heißt, die Grenzen können sich nach unten verschieben, weil sich die Akzeptanz von Reaktionen normalisiert - selbst wenn sie drastischer werden", so Kirchner. Ob dem Klima damit geholfen wird, muss sich zeigen.