Die Hütten der Flüchtlingsunterkunft Mülheim Mintarder Straße

Toter in Mülheim nach Taser-Einsatz: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Polizisten

Stand: 19.01.2024, 15:18 Uhr

Nach dem Tod eines Geflüchteten aus Guinea nach einem Polizeieinsatz in Mülheim sieht die Staatsanwaltschaft jetzt einen Anfangsverdacht der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge gegen die am Einsatz beteiligten Polizisten.

Was genau ist in der Flüchtlingsunterkunft Anfang Januar passiert? Warum der 26-Jährige Ibrahima Barry nach dem Polizeieinsatz in einer Mülheimer Erstaufnahmeeinrichtung gestorben ist, steht immer noch nicht genau fest. Ob die von den Polizisten verwendete Elektroschock-Pistole dabei eine Rolle spielt, bleibt offen.

Weil der Mann so kurz nach dem Einsatz gestorben ist, sieht die ermittelnde Staatsanwältin zumindest einen Anfangsverdacht gegen die beteiligten Beamten. Deshalb wird aktuell wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge gegen die Beamten ermittelt. Das geht aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft hervor.

Toter Geflüchteter in Mülheim: Ermittlung gegen Polizisten

00:41 Min. Verfügbar bis 18.01.2029


Mann sollte ausgewiesen werden

Auch in den sozialen Medien wird über den Fall diskutiert. Das bereitet dem Landtagsabgeordneten Rodion Bakum (SPD) aus Mülheim Sorgen. Politische Aktivisten würden die Geschichte des gewalttätigen Ausländers erzählen. Das sei Rassismus. Auch von Polizeigewalt sei die Rede. Um Spekulationen zu beenden, müsse der Fall schnellstmöglich aufgeklärt werden.

Die Stadt Mülheim hat vergangene Woche Einzelheiten zum Fall des Mannes aus Guinea mitgeteilt. Demnach sollte der 26-Jährige eigentlich ausgewiesen werden, weil er als gefährlich galt. Das war offenbar nicht möglich, weil er bei der Feststellung der Identität nicht kooperativ war. Ein Sicherheitsdienst hatte Barry ständig beobachtet.

Untersuchungen zur Todesursache laufen weiter

Die Polizei hatte zwei Mal mit einer Elektroschock-Pistole auf Barry geschossen. Zuvor soll der Geflüchtete die Polizisten angegriffen haben. Später ist er im Krankenhaus gestorben. Möglicherweise könnte das in seinem Blut festgestellte Kokain dafür gesorgt haben, dass der Stromstoß zunächst nicht gewirkt hat.

Darüber hinaus konnten erhebliche Vorerkrankungen festgestellt werden. Zur endgültigen Klärung der Todesursache sind weitere medizinische Untersuchungen in Auftrag gegeben worden. Den eingesetzten Taser haben Ermittler sichergestellt - dieser soll nun ausgelesen werden. Außerdem werden die Aufnahmen von Bodycams ausgewertet.

Bewohner randalierte in Flüchtlingsunterkunft

Ibrahima Barry hatte bei dem Einsatz massiven Widerstand geleistet, wie die Polizei in der Nacht zum Sonntag mitteilte. Die Beamten waren demnach am Samstagabend von einem Sicherheitsdienst zu der Einrichtung gerufen worden, weil der Bewohner randaliert und Mitarbeiter angegriffen habe.

Als die Polizei eintraf, befand sich Barry den Angaben zufolge in seinem Zimmer und griff die Beamten dort an. Im Verlauf des Geschehens, das sich in den Flur und Innenhof der Einrichtung verlagerte, setzten die Polizisten laut Mitteilung zweimal einen Taser gegen den Mann ein. Den Angaben zufolge sei keine Wirkung des Tasers erkennbar gewesen.

Im Krankenhaus gestorben

Die Einsatzkräfte hätten den 26-Jährigen, der sich weiterhin stark wehrte, schließlich überwältigt und vorläufig festgenommen. Dabei wurden zwei Beamte durch Bisse und eine Beamtin durch einen Tritt gegen den Kopf verletzt, wie die Polizei weiter mitteilte. Für den Unterkunftsbewohner und die Einsatzkräfte seien mehrere Rettungswagen angefordert worden. Barry hatte laut Staatsanwaltschaft schon im Rettungswagen einen Herzstillstand. Er wurde unter Reanimationsmaßnahmen in ein Krankenhaus gebracht, wo er starb, so die Polizei.

Die Ermittlungen zu dem Vorfall und zur Todesursache wurden aus Gründen der Neutralität von der Polizei Bochum übernommen. Die an dem Einsatz beteiligten Beamten mussten, laut Mitteilung, psychologisch betreut werden.

Kundgebung geplant

Der Solidaritätskreis „Justice for Ibrahima“ hatte für Freitag zu einer Gedenkkundgebung für den verstorbenen Geflüchteten in Mühleim aufgerufen. Etwa 100 Menschen, darunter auch mehrere Familienangehörige waren nach Mülheim gekommen.

In einer Rede stellte der Cousin des Verstorbenen die Frage: Warum musste Ibrahima Barry sterben? Die Teilnehmer der Veranstaltung fordern Aufklärung auch dazu, warum der psychisch auffällige Flüchtling nicht besonders betreut wurde.

Gedenkveranstaltung für Ibrahima Barry

00:41 Min. Verfügbar bis 19.01.2026


Unsere Quellen:

  • dpa
  • Polizei Essen
  • Christina Kampmann (SPD) im WDR-Interview
  • Öffentlicher Bericht der Landtagssitzung
  • WDR-Reporter vor Ort

Hinweis: Nach ersten Polizeiangaben fand die Tat am Freitagabend statt. Das wurde inzwischen auf Samstagabend korrigiert.