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Wie Lilienthal mit den Folgen der Hochwasser-Katastrophe kämpft

Große Halle mit frischem Betonboden, in der viel Baugerät steht

Wie Lilienthal mit den Folgen der Hochwasser-Katastrophe kämpft

Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Drei Monate nach dem großen Hochwasser sind die Schäden noch längst nicht behoben. Besonders hart hat es Lilienthal getroffen. Gemeinde und Bewohner fordern Hilfen vom Bund.

Die Bilder vom 25. Dezember 2023 und den Tagen danach haben sich in den Köpfen vieler Bremer und Niedersachsen festgesetzt: Wassermassen dort, wo sonst Gärten oder Wege zu finden sind, Menschen und Haustiere, die in Schlauchbooten aus ihren Häusern evakuiert werden, Feuerwehrleute, die mit Sandsäcken noch größeres Unheil abwenden wollen – das "Weihnachtshochwasser" hat das Leben vieler Menschen auf den Kopf gestellt. Die Spuren der Katastrophe sind auch heute noch offensichtlich, zumal in Lilienthal, wo hunderte Bewohnerinnen und Bewohner ihre Häuser verlassen mussten. Eine Zwischenbilanz.

Das Hochwasser steht bei einem Mann hüfthoch an einem Gebäude in Lilienthal.
Das Vereinsheim des Schützenvereins Lilienthal stand infolge des Hochwassers bis auf Höhe der Fensterbänke unter Wasser. Bild: Schützenverein Lilienthal

Wie steht es heute um die Häuser, die vor drei Monaten vom Wasser überschwemmt worden sind?

Das ist von Haus zu Haus unterschiedlich. Wie Marilena Koch aus dem Lilienthaler Rathaus mitteilt, sind allein in Lilienthal nach den Richtlinien des Landes Niedersachsen knapp 30 Häuser unmittelbar durch Flutwasser geschädigt worden. Hinzu kämen aber noch unzählige weitere Häuser, in die infolge des Hochwassers Grundwasser eingedrungen ist.

Das Ausmaß der Schäden lässt sich in vielen Fällen oft noch immer nicht vollständig erfassen. So berichtet eine Anwohnerin, die nahe des Schützenhauses in Lilienthal wohnt, dass sie weiterhin immer wieder neue durchnässte Abschnitte in ihrem Haus entdecke, weil die Immobilie aufgrund ihrer Bauart das Wasser quasi nach und nach aus dem vor drei Monaten überschwemmten Erdgeschoss hochziehe: "Ich kann kein Wasser mehr sehen. Wir werden die Bautrockner noch Monate brauchen. Es ist zum Verzweifeln."

Besonders schlimm sei, so die Anwohnerin, dass offenbar nur eine Minderheit der Betroffenen in Lilienthal eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen hat. Das heißt: Die meisten müssen die Schäden auf eigene Kosten beseitigen.

Anfang Januar kursierten auch Bilder des überschwemmten Schützenheims in Lilienthal durch die Medien. Was ist dort heute der Stand?

Das Schützenheim stand etwa zwei Wochen unter Wasser, berichtet Harald Kohlmann, Vorsitzender des Schützenvereins Lilienthal. Entsprechend groß waren die Schäden. So musste das Vereinsheim teilweise mit neuen Böden ausgestattet werden. Zudem haben Mitglieder die Isolierungen der Wände samt Holzvertäfelung erneuert sowie die sanitären Einrichtungen des Hauses. "Seit dem 8. Januar sind hier ungefähr 1.150 Arbeitsstunden unserer Mitglieder eingeflossen", sagt Kohlmann, der seinerseits seit Wochen täglich vor Ort ist und die Sanierung vorantreibt. Bis zum Frühjahrsschießen Ende April, so das Ziel, wolle man mit der Sanierung fertig sein, sagt er. Bis dahin aber müssten die Mitglieder voraussichtlich 300 bis 500 weitere Arbeitsstunden investieren.

Geld bekommen die Mitglieder hierfür nicht. Dennoch schlägt die Sanierung ein großes Loch in die Vereinskasse. Rund 100.000 Euro seien bislang allein an Materialkosten angefallen, schätzt Kohlmann. Der Verein habe das Geld aus Spenden und aus Beiträgen aufgebracht, habe keine Fördermittel erhalten.

Nicht ausmalen möchte sich Kohlmann, wie es den Menschen geht, deren private Häuser vom Hochwasser überschwemmt worden sind – und die nicht so viele ehrenamtliche und handwerklich geschulte Helfer an ihrer Seite wissen wie der Schützenverein. "Manche sind noch mit dem Rückbau beschäftigt, haben noch gar nicht mit dem Wiederaufbau beginnen können", sagt er. Einige Häuser seien zudem durch das Hochwasser aufgeschwemmt worden. Die Schäden an diesen Häusern seien so groß, dass sie womöglich abgerissen werden müssten. Wie viele Betroffene in Lilienthal, so fordert auch Kohlmann, dass der Bund den Hochwasseropfern mit Soforthilfen beistehen müsse.

Foto zeigt Gebäudeschäden durch das Hochwasser im Vereinshaus des Schützenvereins in Lilienthal.
Die Isolierung samt Holzvertäfelung im Vereinsheim des Schützenvereins Lilienthal war nach dem Hochwasser durchtränkt und musste komplett erneuert werden. Bild: Schützenverein Lilienthal

An wen können sich die Hochwasseropfer in Lilienthal derzeit wenden, wenn sie Hilfe benötigen?

Bis Freitag, 22. März, konnten geschädigte Privathaushalte Anträge auf Soforthilfen bei den Landkreisen stellen. Im Falle Lilienthals war das der Landkreis Osterholz. Bis einschließlich zum 15. März haben die Landkreise auf diese Weise rund 410.000 Euro Soforthilfen aus Mitteln des Landes Niedersachsen vergeben – alle Landkreise zusammen.

Wie es nun weitergeht, ist anscheinend ungewiss. "Auch wir hoffen auf Soforthilfen vom Bund", sagt etwa Gemeinde-Sprecherin Marilena Koch. Zur Erinnerung: Bereits Ende Dezember hatte Bundeskanzler Olaf Scholz Hochwassergebiete in Niedersachsen besucht und Unterstützung des Bundes zugesichert, ohne allerdings konkrete Zahlen zu nennen.

Wie Koch sagt, gehen die wichtigsten Hilfeleistungen für die Hochwasseropfer in Lilienthal derzeit von der Freiwilligenagentur aus. Sie hat schon im Januar eine Suche-Biete-Plattform: Hochwasser in Lilienthal eingerichtet. Dort bieten Freiwillige ehrenamtliche handwerkliche Hilfen an sowie Werkzeug, Sachspenden, Fahrdienste oder auch einfach ein offenes Ohr. Der Lions Förderverein Worpswede hat unterdessen eine Hochwasserhilfe Lilienthal ins Leben gerufen und sammelt Spenden.

Älterer Mann in blauer Jacke deutet auf eine Stelle in etwa 70 Zentimetern Höhe an einer Außenwand eines Hauses
"Bis hier stand das Wasser": Harald Kohlmann vom Schützenverein Lilienthal vor dem Vereinsheim. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Noch immer zeugen Sandsäcke im Lilienthaler Stadtgebiet von der Katastrophe. Wie geht es dort weiter mit dem Wasserschutz?

Der Gewässer- und Landschaftspflegeverband Teufelsmoor möchte seine Arbeiten an den Verwallungen der Wörpe im Lilienthaler Stadtgebiet bis spätestens Ende April abschließen, sagt Marc Sommer, Geschäftsführer des Verbands. Dazu erhöhe man etwa im Bereich des Stadskanaals die Verwallungen auf beiden Uferseiten auf das Niveau der anschließenden Spundwände. Zudem verstärke man die Verwallungen in der Breite.

Sommer legt aber auch Wert auf die Feststellung, dass man Verwallungen wie jene in Lilienthal nicht mit richtigen Deichen vergleichen könne, die über einen Sandkern verfügten und bei denen es sich um komplexere Bauwerke handele.

Wie Marilena Koch aus der Gemeinde Lilienthal mitteilt, wird Lilienthal demnächst gemeinsam mit weiteren Gemeinden der Region eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, um den Hochwasserschutz langfristig neu aufzustellen.

Verbesserte Lage: Lilienthal baut temporären Hochwasserschutz ab

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 25. März 2024, 6 Uhr