Hat das Urteil zum Corona-Sondervermögen Folgen fürs Bremer Stahlwerk?

Ein Mann mit einer Arbeitsschutzjacke und einem Helm bekleidet läuft durch eine große Produktionshalle des Bremer Stahlwerks.
Bild: dpa | Sina Schuldt

Das Bundesverfassungsgericht hat den zweiten Nachtragshaushalt 2021 des Bundes für verfassungswidrig erklärt. Das könnte sich laut einem Experten auch auf das Bremer Stahlwerk auswirken.

Die Bundesregierung darf Haushaltsmittel für den Kampf gegen Corona nicht für den Klimaschutz verwenden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Eine entsprechende Änderung des Nachtragshaushalts 2021 sei verfassungswidrig, verkündete Deutschlands höchstes Gericht. Es gehe um die Wirksamkeit der Schuldenbremse, sagte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König. Die Unionsfraktion im Bundestag hat damit erfolgreich gegen das Umschichten geklagt. Insgesamt sind in dem Nachtragshaushalt Kosten von rund 60 Milliarden Euro zusammengefasst.

Auch in Bremen hat die CDU-Fraktion im August dieses Jahres eine Klage gegen den jüngsten Nachtragshaushalt des Senats beim Staatsgerichtshof eingereicht. Denn auch Bremen hat die Schuldenbremse, die im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankert ist, für diesen Nachtragshaushalt 2023 ausgesetzt.

Als Begründung für diese Entscheidung argumentierten die Regierungsparteien mit einer Notsituation aufgrund der Klimakrise in Verbindung mit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise. Zur Bekämpfung der Krisen hat die Regierung so drei Milliarden Euro über Kredite bis 2027 bereitgestellt.

Bremer CDU-Fraktion sieht sich mit eigener Klage bestätigt

Zahlreiche Argumentationslinien aus dem Urteil des Verfassungsgerichts entsprechen der CDU-Kritik im laufenden Verfahren vor dem Bremer Staatsgerichtshof, sagt der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Jens Eckhoff. "Das Bundesverfassungsgericht hat unmissverständlich klargestellt: Die Schuldenbremse ist streng anzuwendendes Verfassungsrecht und darf nicht umgangen werden."

Haushaltstricks wie das Ansparen von Krediten aus einem Krisenjahr für Folgejahre oder die Finanzierung nicht krisenbedingter Ausgaben aus Notkrediten sind verfassungswidrig.

Jens Eckhoff, CDU-Bürgerschaftsfraktion

Dass das Bundesverfassungsgericht die gesamten Kreditermächtigungen des verfassungswidrigen Nachtragshaushalts auch rückwirkend gestrichen habe, unterstreicht dem CDU-Politiker zufolge die enormen Risiken eines Verstoßes gegen die Schuldenbremse. "Auch für Bremen zeichnen sich damit deutlich höhere Risiken ab."

Finanzsenator will Urteil "sorgfältig auswerten"

Während die Bundesregierung nach dem Urteil des Verfassungsgerichts bereits angekündigt hat, Vorhaben auf Eis zu legen, sind mögliche Konsequenzen für das Land Bremen noch offen. Die "Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft den Nachtragshaushalt des Bundes", sagt Bremens Finanzsenator Björn Fecker.

Seriös bewerten ließen sich möglicherweise daraus resultierende Folgen über den Bund hinaus erst nach einer sorgfältigen Auswertung der Urteilsbegründung. "Dies nimmt wegen der Komplexität und des unterschiedlichen Vorgehens etwas Zeit in Anspruch", sagt Fecker.

Umbau des Bremer Stahlwerks in Gefahr?

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel hält Folgen des Urteils für Bremen für möglich. Konkret sieht er den Umbau der Stahlproduktion in Bremen gefährdet, sagte Hickel zu buten un binnen. Aus dem Klimatransformationsfonds des Bundes würden nämlich auch Ländermittel finanziert – rund eine Milliarde Euro soll zum Beispiel in die Unterstützung der Stahlwerke beim Umbau auf Wasserstofftechnik fließen. "Und die könnte bedroht sein", sagt Hickel.

Ich gehe aber davon aus, dass die Bundesregierung Wege finden wird, dieses strategisch enorm wichtige Programm des Umbaus zu Grünem Stahl irgendwie doch durch zu finanzieren. Aber es wird problematisch, in der Tat.

Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel

Vom Stahlwerk selbst heißt es, dass das Urteil zunächst sorgfältig geprüft werden müsse. "Klar ist jedoch, dass die Klimaziele für 2030 und darüber hinaus weiterverfolgt werden müssen", teilt das Unternehmen auf Nachfrage von buten un binnen mit. Die Bundesregierung bleibe in der Verantwortung, den nachhaltigen Umbau der Stahlproduktion zu ermöglichen.

SPD-Fraktionsvorsitzender: Schuldenbremse nicht zeitgemäß

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mustafa Güngor sieht sich in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekräftigt, die Finanzpolitik zu reformieren. Er fordert, die Schuldenbremse abzuschaffen.

Dass man die Schwarze Null Generationen hinterlassen will, während man marode Brücken und eine schlechte Infrastruktur hinterlässt, ist nicht mehr zeitgemäß. Das ist auch keine Generationengerechtigkeit – deshalb weg von den Sondervermögen, weg von den Sondertöpfen und hin zu einer regulären Investition.

SPD-Fraktionsvorsitzender Mustafa Güngor

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Bild: dpa | Uli Deck
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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau am Morgen, 17. November 2023, 8 Uhr