Aus Bürgern in Wut wird Bündnis Deutschland: So tickt die neue Partei

Parteivertreter von Bündnis Deutschland sitzen an einem Tisch

Bürger in Wut: Eine ganz normale Partei? (Teil 1)

Bild: dpa | Janet Binder

Lange gehörten die Bürger in Wut zur Politik in Bremen und Bremerhaven. Doch nun gehen sie im Bündnis Deutschland auf. Wir haben einen Blick in das Parteiprogramm geworfen.

An die Partei Bündnis Deutschland (BD) wird man sich im Land Bremen gewöhnen müssen: Mit neun Abgeordneten sitzt die Kleinpartei in der Bürgerschaft, in gleicher Stärke ist das Bündnis in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung vertreten, dabei war die Partei gar nicht wählbar. Die viel bekannteren Bürger in Wut (BiW) hatten aber schon vor der Wahl beschlossen, mit dem BD zu fusionieren. So kam das Bündnis, das bisher nur einige Einzelabgeordnete in Landtagen und dem EU-Parlament stellt, zu seiner bundesweit ersten Landtagsfraktion.

Wie Bündnis Deutschland entstand

Steffen Große (M), Vorsitzender der Partei Bündnis Deutschland, steht nach Bekanntgabe der ersten Prognose für die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft bei der Wahlparty der Wählervereinigung Bürger in Wut.
BD-Chef Steffen Große war am Wahlabend bei den Bürgern in Wut dabei. Bild: dpa | Philip Dulian

Das Bündnis Deutschland ist noch jung. Im November 2022 war der Gründungsparteitag in Fulda. Zum Vorsitzenden wurde Steffen Große, Journalist und Referatsleiter im sächsischen Kulturministerium, gewählt – ein Mann, der schon viele politische Stationen hinter sich hat: Erst CDU, dann Freie Wähler Dresden: "Das war eine spannende Urknall-Situation für mich", sagt Große im Gespräch mit buten un binnen.

Nachdem er bei den Freien Wählern einen "Richtungswechsel nach links" festgestellt haben will, trat er dem "Bürgerlich-Freiheitlichen Aufbruch" (BFA) bei. Der BFA habe kleine Splitterparteien zusammenbinden wollen. In Zusammenarbeit mit dem BFA hätten er und andere dann das Bündnis Deutschland gegründet: Da war sie, die neue Partei.

Auch in Bremen Ex-AfD-Mitglieder im Landesverband

Das BD versteht sich selbst als "freiheitlich-konservative" Partei, die in eine Lücke im Spektrum zwischen CDU und AfD stoßen will. Das brachte ihr von vielen Seiten den Vorwurf ein, ein Sammelbecken für Ex-AfD-Mitglieder zu sein. Und tatsächlich finden sich auf mehreren Ebenen in Bundes- und Landesverbänden nicht nur viele Ex-Mitglieder von CDU, CSU, SPD oder FDP, sondern auch zahlreiche Ehemalige der AfD.

Auch in Bremen: Piet Leidreiter, der Vize-Fraktionschef des BD in Bremen, war Bundesschatzmeister der AfD. In anderen Landesverbänden finden sich unter anderem ein ehemaliger AfD-Kreistagskandidat und der Ex-Referent eines AfD-Bundestagsabgeordneten.

Parteimitgliedschaft erst nur auf Bewährung

Der BiW-Spitzenkandidat Piet Leidreiter führt im Wahl-Mobil seine Ansichten aus
Piet Leidreiter trat aus der AfD aus, als Gründer Bernd Lucke ging. Bild: Radio Bremen

Aber es sind eben Ehemalige, sie haben die AfD verlassen – wie der Bremer Leidreiter, der aus der Partei ausgetreten war, als der Gründer und Chef der ehemaligen "Euro-Partei", Bernd Lucke, von Frauke Petry verdrängt wurde. Die AfD machte ihren ersten großen Schritt nach rechts.

Das Bündnis Deutschland akzeptiert die Ex-AfDler in ihren Reihen. "Wir wollen aber keine AfD-Dominanz", betont BD-Chef Große. 99 Prozent der Mitglieder seien vorher parteilos gewesen, mit jedem Aufnahmewilligen würden ausführliche Aufnahmegespräche geführt. Außerdem gibt es die Mitgliedschaft zunächst nur auf Bewährung: Zwei Jahre nach dem Eintritt, so will es die Parteisatzung, wird über die endgültige Aufnahme entschieden. "Falls jemand nicht passt", so Große, "gibt es die Trennung ohne Parteigerichte".

Das Programm von Bündnis Deutschland

Das BD nennt sich "freiheitlich-konservativ", und konservativ ist auch ihr Programm. Einige Auszüge aus den Kernpositionen:

In der Bildungspolitik steht der Erhalt des dreigliedrigen Bildungssystems mit Förderschulen im Zentrum – Inklusion ist nicht vorgesehen. Die Familienpolitik fokussiert sich stark auf Eltern mit Kindern, aber auch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zum Thema Familie sagt die Partei jedoch, dass "anderen Lebensmodellen überproportional viel Aufmerksamkeit in der politischen Debatte gewidmet werde".

Die Sozialpolitik wird auf mehr Netto vom Brutto reduziert – das Bürgergeld wird kritisch gesehen. Die Sprachpolitik wird als eigenes Genre eingeführt, um sich gegen das Gerndern und "beschönigende Wortneuschöpfungen" zu wenden.

Die deutsche Außenpolitik müsse "primär den tatsächlichen Interessen unseres Landes im Rahmen der europäischen Sicherheitsarchitektur dienen", heißt es. In der Kulturpolitik steht die "christlich geprägte kulturelle Identität" im Vordergrund.

Piet Leidreiter (links), Spitzenkandidat der Bürger in Wut, Niklas Stadelmann, Generalsekretär bei Bündnis Deutschland (Mitte), und Jan Timke (rechts), Spitzenkandidat der Bürger in Wut, bei einer Pressekonferenz.
Piet Leidreiter, BD-Generalsekretär Niklas Stadelmann und Jan Timke bei der Fusions-Pressekonferenz von BiW und BD. Bild: dpa | Sina Schuldt

Bei der Klimapolitik legt BD die Priorität darauf, "Konzepte zu erarbeiten, wie wir mit den nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels sinnvoll umgehen". Als Maßnahmen gegen den Klimawandel will die Partei "globale Kompromisse mit realistisch machbaren Zielsetzungen" finden. Beim Verkehr will BD zwar einen Ausbau von ÖPNV und Schiene, stellt den "Erhalt der Individualmobilität", also des Autos, aber "in allen verkehrspolitischen Konzepten" ins Zentrum.

Viele Punkte lesen sich ganz ähnlich wie die, die die Bürger in Wut bisher im Programm hatten. Auch die Themen, mit denen BiW bekannt wurden, finden sich ganz ähnlich im Programm des Bündnisses. Etwa Innenpolitik: BD will Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizei finanziell und personell aufstocken, um "einen Raum der Sicherheit und des Rechts zu schaffen".

BiW und BD "haben die gleichen Ziele"

"Die Leute, die wir bei den BiW kennen gelernt haben", sagt BD-Vorsitzender Steffen Große, "haben zu uns gepasst: Wir haben die gleichen Ziele, die wir gemeinsam erreichen wollen." Dasselbe hatte auch BiW-Gründer Jan Timke über das Bündnis Deutschland gesagt.

In einem Punkt unterscheiden sich die Programme von BiW und BD aber doch: Das eine ist ein Landesprogramm, das andere deckt das ganze Feld der Bundespolitik ab. Und auch wenn die Bremer Ex-BiW-Abgeordneten nun ein Teil einer Bundespartei mit 12 Landesverbänden sind: Sie sind auch weiter nur für das kleinste deutsche Bundesland zuständig und können bei vielen Politikfeldern gar nicht mitbestimmen.

Bündnis-Bundesvorstand mit Bremer Beteiligung?

Allerdings bringt die Fusion ihnen doch eine kleine Perspektive auf die Arbeit im Bund. Geht es nach Steffen Große, sollen die ehemaligen BiW nicht nur ihre 120 Parteimitglieder ins BD einbringen, sondern auch Personal für den Bundesvorstand. Hier würde der Parteichef sehr gern jemanden aus dem kleinsten Bundesland sehen, sagte er zu buten un binnen.

Piet Leidreiter klatscht

Bürger in Wut: Eine ganz normale Partei? (Teil 1)

Bild: dpa | Philip Dulian

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Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 29. Juni 2023, 7:10 Uhr