Infografik

Neue Studie: Im Land Bremen fehlen mehr als 10.000 Sozialwohnungen

Klinkersteine verpackt auf Paletten und ein Baukran vor einem Neubau (Symbolbild)
Ein Bild, das man in Bremen seit Jahren zu selten sieht: Sozialwohnungen werden gebaut. Bild: dpa | Rupert Oberhäuser

In Deutschland fehlen fast eine Million Sozialwohnungen. Das sagt das Bündnis "Soziales Wohnen". Es stützt sich auf eine neue Studie. Auch das Land Bremen ist betroffen.

Noch zu Zeiten des Zensus 2011 gab es in Bremen, vor allem aber in Bremerhaven eher zu viele als zu wenig Wohnungen, ähnlich wie an vielen anderen Orten Deutschlands. "Der damalige Bauminister im Bund, Peter Ramsauer, hat 2007 sinngemäß noch gesagt: Deutschland ist gebaut. Wir können die Planung von neuen Bauflächen einstellen. Wir werden langfristig schrumpfen", blickt Matthias Günther zurück.

Günther ist der Autor der Studie "Bauen und Wohnen in Deutschland im Jahr 2024", die das Verbändebündnis Soziales Wohnen am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Die Hauptbotschaft dieser Studie des Pestel Instituts lautet, dass es heute, eine gute Dekade nach dem Zensus 2011, fast eine Million Sozialwohnungen zu wenig in Deutschland gibt. Allein im Land Bremen fehlen der Studie zufolge mehr als 10.000 Sozialwohnungen. Bundesbauministerin Clara Geywitz hält die Studie indes für "unseriös". Zu den Hintergründen:

Ist- und Sollbestand an Sozialwohnungen in Deutschland

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Wie ist es zu dem Mangel an Sozialwohnungen in Deutschland und speziell im Land Bremen gekommen?

Anders als einst von Bauminister Ramsauer prognostiziert, sind die Einwohnerzahlen in Deutschland nach 2011 erheblich gestiegen: von knapp mehr als 80 Millionen auf fast 85 Millionen. Matthias Günther vom Pestel Institut erklärt den unerwarteten Einwohnerzuwachs so: "Deutschland ist europaweit am besten aus der Finanzkrise herausgekommen. Dadurch hat die Arbeitsmigration 2010 und 2011 zugenommen." Hinzugekommen seien die Flüchtlingsbewegungen nach 2015 sowie ab 2022.

Dem Bevölkerungszuwachs entsprechend sei auch der Bedarf an Wohnraum bundesweit gestiegen, do Günther. Doch darauf hätten Politik und Gesellschaft nicht oder zu langsam reagiert: "Auch in Bremen und in Bremerhaven hat man in den letzten Jahren nicht gerade viel gebaut", so Günther.

Jetzt stehen wir fast überall vor der Situation, dass wir gar nicht wissen, wie wir all die Menschen unterbringen können.

Matthias Günther, Pestel Institut

Sozialer Wohnungsbau in Deutschland in den Jahren 2017 bis 2022 nach Bundesländern

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Was sind Folgen des Mangels an Sozialwohnungen?

Der Konkurrenzkampf um günstigen Wohnraum, auch bedingt durch Zuwanderung, wird immer größer – mit teuren Folgen für die öffentliche Hand, wie Günther erklärt: "Die Jobcenter zahlen für Wohnungen einfachen Standard. Und eigentlich sollte es so sein, dass diese Wohnungen unter der Durchschnittsmiete liegen."

Tatsächlich aber lägen die sogenannten Kosten der Unterkunft, die die Jobcenter übernehmen, vielerorts deutlich über den Durchschnittsmieten. Das betrifft der Studie zufolge insbesondere Regionen in Süddeutschland, in denen die Wirtschaft floriert, aber auch etwa den Großraum Hamburg. In diesen Regionen sei der Staat, der dazu verpflichtet ist, die Kosten der Unterkunft für Bedürftige zu bezahlen, von Vermietern "erpressbar", wie Günther sich ausdrückt.

Im Land Bremen lagen die Kosten für die Unterkunft der Studie zufolge 2022 noch knapp unter den Durchschnittsmieten. "Die Tendenz weist zumindest in der Stadt Bremen aber schon in die andere Richtung", sagt Günther dazu.

Was müsste die Politik dem Pestel Institut zufolge unternehmen, um den Mangel an Sozialwohnungen in Deutschland zu beheben?

Vor allem den Neubau von Wohnungen vorantreiben, sagt Günther. Dass der Bund gerade die Mittel für den sozialen Wohnungsbau um 650 Millionen auf 3,15 Milliarden Euro jährlich aufgestockt hat, sei lediglich "ein guter Anfang". Laut Günther müsse Deutschland zu einem ausgewogenen Verhältnis kommen zwischen der sogenannten Subjektförderung, also der Förderung der einzelnen Haushalte und der Objektförderung, also der Förderung von Wohnungen.

"Denn die Subjektförderung – die Übernahme der Kosten der Unterkunft und das Wohngeld – baut nun einmal keine Wohnungen", erklärt der Ökonom und fügt hinzu: "Auf jede Milliarde, die wir für den sozialen Wohnungsbau ausgeben, kommen fünf Milliarden, die wir für Kosten der Unterkunft und das Wohngeld ausgeben." Um dieses Missverhältnis zu korrigieren, müsse der Staat viel stärker als derzeit im sozialen Wohnungsbau mitmischen, eventuell auch bei privaten Wohnungsgesellschaft einsteigen.

Wie sich das Verhältnis von Sozialwohnungen zu Miethaushalten in Deutschland seit 2007 verändert hat

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Welche Forderungen leiten die Akteure des Verbändebündnisses Soziales Wohnen aus dem Mangel an Sozialwohnungen ab?

Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbunds (DMB), fordert, dass der Bund ein 50-Milliarden-Euro großes Sondervermögen für den sozialen Wohnungsbau auflegt. Janina Bessenich von der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) teilt diese Forderung des Mieterbunds: "Wir brauchen eine echte soziale Wende", so Bessenich.

Robert Feiger von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) fordert, dass die Mehrwertsteuer für den sozialen Wohnungsbau auf sieben Prozent abgesenkt wird, um so den Bau anzukurbeln. Katharina Metzger, Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel, fordert darüber hinaus zinsverbilligte Darlehen für die Baubranche. Entsprechende Förderprogramme könnten über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eingerichtet werden.

Was sagt die Bundesregierung zu der Studie des Pestel Instituts?

Bundesbauministerin Clara Geywitz (SPD) hat die Darstellung des Bündnisses "Soziales Wohnen" über fehlende Sozialwohnungen in Deutschland zurückgewiesen. Sie sagte der "tagesschau24", dass sie die Studie des Pestel-Instituts, auf die sich die Verbände stützten, für unseriös halte.
 
Die Ministerin räumte aber ein, dass tatsächlich überall Sozialwohnungen fehlen möglicherweise sogar mehr als eine knappe Million. "Wir haben einfach die letzten zwei Jahrzehnte viel zu wenig Geld in Sozialwohnungen investiert. Das rächt sich jetzt", sagte Geywitz.

Diese Maßnahmen sollen zu mehr Wohnungsbau in Bremen führen

Bild: Radio Bremen

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Quellen: buten un binnen und epd.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 16. Januar 2024, 8:20 Uhr