Ensemble in Wandlitz - Politiker wollen Goebbels-Villa und FDJ-Hochschule erhalten

Fr 22.03.24 | 17:54 Uhr
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23.03.2024, Brandenburg, Wandlitz: Das Areal am Bogensee (Luftaufnahme mit einer Drohne). (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 22.03.2024 | David Klevenow | Bild: dpa/Patrick Pleul

Die Villa von Joseph Goebbels und eine ehemalige FDJ-Hochschule stehen mitten in einem Wald bei Wandlitz. Das Areal gehört dem Land Berlin und verfällt. Landrat und Bürgermeister befürchten einen Abriss und haben nun ein Moratorium gefordert.

Der Protest gegen einen möglichen Abriss von mehreren Gebäuden mit historischer Bedeutung am Bogensee in Wandlitz (Barnim) wird lauter. Auf dem Areal im Besitz des Landes Berlin stehen unter anderem eine ehemalige Hochschule der "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) und die Villa des nationalsozialistischen Reichspropagandaminister Joseph Goebbels.

In einem Schreiben an die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) fordern unter anderen der Landrat des Kreises Barnim, Daniel Kurth (SPD), und der Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft Wandlitz), ein Abriss-Moratorium und die Fortsetzung der Diskussionen um den Erhalt des Bogensee-Areals, wie das Landratsamt am Freitag mitteilte. Beide befürchten, der Aufsichtsrat der BIM plane Schritte zum Abriss der Gebäude.

Bürgermeister wünscht sich eine künftige Nutzung

Das bundesweit einzigartige Areal sei historisch sowie architektonisch von herausragender Bedeutung und unbedingt schützenswert, sagte Landrat Kurth. Bürgermeister Borchert warnte, ein Abriss würde die Vernichtung eines wichtigen Erinnerungsortes bedeuten. "Die baulichen Zeugnisse auf dem Bogensee-Areal – FDJ-Hochschule und Goebbels-Villa – sind erinnerungskulturell von internationaler Bedeutung." Das Areal und die Gebäude sollten erhalten und weitergenutzt werden, zum Beispiel als "Ort der Demokratie", des Austauschs und der Toleranz.

Landrat und Bürgermeister fordern, für die Dauer von fünf Jahren dürfe es keinerlei Maßnahmen und Entscheidungen über einen Abriss geben. In der Zeit soll ein Konzept zu künftigen Nutzungsmöglichkeiten entwickelt werden.

BIM: Immobilie sollte nicht "in die falschen Hände" geraten

"Es ist nicht der Wunsch des Landes Berlin, diese historische Stätte abzureißen", sagte Angela Deppe, Prokuristin der BIM, dem rbb. Das Land Berlin habe im Laufe der Jahre viele Millionen Euro in die Bausubstanz investiert. Die Immobilie koste dem Land Berlin etwa 280.000 Euro im Jahr. Berlin könne nicht weiter Steuergelder des Landes für eine Immobilie ausgeben, die viele Kilometer von der Landesgrenze entfernt liege. Für eine Instandsetzung seien Investitionen "im dreistelligen Millionenbereich" notwendig.

Mit dem Landkreis und der Gemeinde habe man bisher kein gemeinsames Konzept für die Zukunft der Immobilie realisieren können, so Deppe. Weitere Gespräche seien in den kommenden Wochen geplant. Zudem habe das Bundesbauministerium eine millionenschwere Förderung in Aussicht gestellt.

Private Investoren können auch Teil der Lösung sein, doch es sei sehr wichtig, dass der historisch geladene Ort nicht "in die falschen Hände gerät", sagte Deppe. Die Wiederbelebung des Areals sei nicht unmöglich. Eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2019 habe gezeigt, dass eine Sanierung des Areals durch den Neubau von 4.000 Wohnungen wirtschaftlich werden könnte.

Mehrere Verkaufsversuche waren erfolglos

Das Areal am Bogensee ist seit dem Jahr 2000 ungenutzt und verfällt. Mehrere Versuche zum Verkauf sind bisher gescheitert. "Das ist ein sehr wichtiges historisches Zeugnis für die NS-Diktatur und für die DDR-Geschichte", sagte der Stadtplaner Andreas Barth dem rbb. "Es muss als Erinnerungsort für uns erhalten bleiben."

1936 schenkte die Stadt Berlin Reichspropagandaminister Goebbels den Bogensee mit umliegendem Gelände. Goebbels ließ sich dort ein Landhaus bauen. Nach dem Ende der NS-Diktatur nutzten die Alliierten das Gelände kurzzeitig als Lazarett. Die Sowjets übergaben das Gelände 1946 der Freien Deutschen Jugend (FDJ), die dort eine Jugendhochschule gründete. In den 1950er Jahren entstand das übrige Gebäudeensemble. Nach der Wende wurde die Schule aufgelöst.

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.03.2024, 16:40 Uhr

Mit Material von Stefan Kunze

23 Kommentare

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  1. 22.

    Ja, guter Vorschlag, Aber warum immer nur für Familien? Warum nicht mal für uns Singles,Obdachloen und Armen dort sehr günstigen Wohnraum schaffen? dann sind wir auch aus dem Blickfeld der Stadt gewichen. Und niemand stört sich mehr UNS.

  2. 21.

    Hat man doch in Prora (KdF)auch gemacht. Was soll man sagen, funktioniert.
    Hotel, betreutes Wohnen, Eigentumswohnungen, Ferienwohnungen, Museum alles dort untergekommen, geht alles wenn man will.

  3. 19.

    Das Gebäudeensemble hat doch einen hohen geschichtlichen Wert und das sollte unbedingt erhalten bleiben! Guckt doch mal, was Sie damals mit unserem Palast d. Republik gemacht haben? Den hatten Sie uns auch genommen und dafür dieses kitschige Schloßplacebo hingestellt mit fragwürdigen Financiers. Also saniert diese wertvollen Gebäude.

  4. 18.

    Wer nicht wissen will, wer der Architekt Henselmann ist, der kommt auf eine solche historisch beschränkte Idee!

    Kundig machen!!!
    Erst denken, dann latschen!

  5. 17.

    Die Außenmauern sind weiter gut erhalten, zur weiteren Nutzung möglich m.E. Das sind schnell viele kleine Wohnungen. Eine Schule o.ä. als Mischnutzung ginge ja auch! Der Bus wird öfter fahren und dann passt das. Abreißen ist was für Immobilienhaie und davon haben wir in Wandlitz schon ausreichend.....

  6. 16.

    "Das Areal am Bogensee ist seit dem Jahr 2000 ungenutzt und verfällt."
    Soso, seit 24 Jahren verfällt das Areal und kostete den Steuerzahler bisher rd. 7 Millionen Euro für nüscht.
    Dabei gibt es doch genug Ideen wie ehemalige Gelände wieder nutzbar gemacht wurden/werden: das Olympische Dorf oder das Heeresbekleidungsamt in Bernau sowie die hier schon erwähnte US Kaserne an der Clayallee.
    Es wäre schon interessant zu erfahren welche Gebäude/Gelände noch so vor sich hinschlummern, bestes Bespiel das ICC.

  7. 15.

    Ein wenig renoviert - es muss ja nicht der pure Luxus sein, sondern so, dass darin Menschen auf jeden Fall wohnen können - kann diese Immobilie doch als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden, bevor sie ganz und gar verfällt.

  8. 14.

    Durch den Neubau von 4000 neuen Wohnungen könnte sich eine Sanierung des Areals rechnen. Wieviel Wald müsste dafür wohl gerodet werden? Das halte ich für überhaupt keine Option, wenn ich an den wunderbaren (Buchen-)Wald um das Gelände herum denke.

  9. 13.

    Ähnliches ist in Berlin-Johannisthal mit dem ex. Kinderheim " Makarenko" passiert. Zwar (nur) Eigentumswohnungen in den umgebauten Gebäuden, aber Autofrei und doch schön gelegen. Und eine Ausstellung zur Geschichte gibt es auch. Das gehört zu solchen Projekten einfach dazu.

  10. 12.

    Das BIM sollte die Vorschläge im Forum genau lesen. Hier werden Vorschläge von den Lesern/Hörern gemacht - hier geht es nicht darum "Immobilien zu verscherbeln" - sondern einfach um einen vernünftigen Umgang mit dem Ererbten. Sehr gut finde ich, alte Ideologie raus - neue Menschen rein. Auch als "Lern-/Lehrort" bietet sich das Grundstück an.
    Die Verkehrsanschließung muss mit bedacht werden. Und auch die Zeitleiste, ist nicht aus den Augen zu verlieren. Selbst der immobilien-technische Gedanke wir reißen ab, ist nur eine zu kurzgesprungene Großkatzen-Lösung, das Areal ist sehr groß, auch wenn übereifrige "eine Entlassung in die Natur" ins Feld führen. Bbg will das Land der unbegrenzten Möglichkeiten sein - dann nutzt mal die Flächen, die euch z.V. stehen.
    Ein Abriss wird bestenfalls von der Robinie dankend angenommen, herumärgern damit kann sich dann der Förster o. neue Waldbesitzer. Das wäre das Ende dieser Gefdankenkette! Bitte einen neuen Runden Tisch mit einem Best of!

  11. 11.

    Wozu gibt es eigentlich eine Berliner Immobilienmanagement GmbH wenn diese keine pfiffigen Ideen hat um aus solchen Perlen wirtschaftlichen Nutzen für eine Stadt/Region die angeblich aus allen Nähten platzt zu ziehen?
    Mehr als verkaufen fällt denen nicht ein? Dann müsste sie doch Verwertungsgesellschaft o.ä. heißen.

  12. 8.

    Warum keine Verwaltungsakademie oder FH für den Nachwuchs des öffentlichen Dienstes samt Wohnheim dort?

  13. 7.

    Gebäude sollten grds. erhalten bleiben, schon aus ökologischen Gründen, im Sinne der Architects4Future, die sich für eine Bauwende einsetzen.
    Das Grundstück könnte in öffentlicher Hand bleiben und im Erbbaurecht an eine Genossenschaft gegeben werden. Vielleicht an eine Genossenschaft, die von alten, finanzkräftigen Berliner Genossenschaften gegründet wird, die über Eigenkapital verfügen, kreditwürdig sind und die angedachten Fördermittel bekommen könnten.
    Unter Einbeziehung der künftigen Bewohner*innen könnte dann eine Gemeinschaftssiedlung entstehen, altersgemischt mit Pflegemöglichkeiten, vielleicht auch ein kleiner Bereich mit Freizeitunterkünften für Genossenschaftsmitglieder, die in Berlin wohnen.
    Mit gutem Willen und Kreativität ließe sich da sicher viel draus machen. Aber die Geschichte sollte nicht dahinter verschwinden, sondern eine Erinnerungsstätte mit Dauerausstellung integriert werden , wie das hier schon vorgeschlagen wurde.

  14. 6.

    Sehr schön und auf den Punkt gebracht formuliert, Respekt!
    Es zählt nicht was es mal war, sondern das, was es mal werden könnte - was wir daraus machen!
    Nur etwas abzureißen weil dort irgendein Schwachkopf mal gewohnt hat, oder es erbaut hat - man würde mit dem abreißen (weltweit) garnicht mehr fertig werden!
    "Moralische Bedenken" sind reine Symbolik und nicht zielführend..........
    Ein neues/altes schönes Areal für alle Altersklassen zum Leben, Feiern, Lachen..... - das wär's doch!!!
    Dem Nazi noch im nachhinein nochmal den Finger zeigen, DEIN's war es mal - jetzt kommt die neue, bessere Welt da rein.....

  15. 5.

    bloß keinen "Ort der Erinnerung", keine "Gedenkstätte", keinen Ort "der Demokratie" - verkehrter Ansatz

    eine, die "beste" Antwort im Umgang mit "solchen Orten" ist es etwas ganz MENSCHLICHES, jetziges einzurichten; das wirkt stärker als "Gedenken" als inszenierte, politisch-wissenschaftliche, moralisch-intendierte Ideen

    es könnte eines der größten, für FAMILIEN umgebauten Wohnareale der Region werden - den Ort im wahrsten Sinne mit Leben erfüllen: durch Menschen, Familien, Senioren, Kinder, Jugendliche
    dafür die Infrastruktur anpassen (Kita, Spielplätze)

    wirtschaftlich und strukturell werden Wohnungen gebraucht
    es könnte ein im Sinne generationenübergreifenden Zusammenlebens (durch "Wohnen") Adresse werden
    keine "politischer" Umgang, keine "akademisch-moralische Instrumentalisierung"

    politische Symbole raus, Menschen rein!
    plus eine wichtige, nötige gute kleine Dauerausstellung vor Ort

  16. 4.

    Ich kenne das Gelände, habe es vor ca. 2 Jahren besichtigt. Es ist beeindruckend. Die Anlage ist riesig. Das Ensemble ist durchaus erhaltenswert. Nur fraglich, wer für die Sanierung als solches aufkommen kann. Außerdem muss man sich überlegen, ob man "das Schöne der NS-Architektur" tatsächlich erhalten will.

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